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Der Brunnen auf dem Altstadtmarkt

 

Foto: W.Grevecke

 

in Braunschweig

 

 

 

 

 

 

 

Erstellt als Examensarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen im Oktober 1963

 

Werner Grevecke

 


 

Gliederung

A. Die Bedeutung der Brunnen im Mittelalter

B. Der Brunnen auf dem Altstadtmarkt in Braunschweig

I. Die Geschichte des Brunnens von 1408 bis zur Gegenwart

1. Die Herstellung des Brunnens im Jahre 14O8

a) Braunschweig um 1400

b) Die Herstellung des Brunnens

2. Die weitere Geschichte des Brunnens

3. Die Vernichtung des Brunnens im 2. Weltkrieg und die Wiederherstellung durch Werner Kump

II. Der geistige Gehalt des Brunnens

1. Gesamtbeschreibung

2. Der Brunnen als Ausdruck seiner Zeit

3. Figuren und Darstellungen

a) Die Inschrift am Unterbecken

b) Die Prophetenreihe

c) Die Wappen am Mittelbecken

d) Ornamente und Einzelfiguren

III. Die Form des Brunnens

1. Die bildende Kunst am Ende des 14. Jahrhunderts

2. Die Entwicklung der Brunnen bis etwa 150O

3. Die Form des Brunnens

a) Die Stilelemente

b) Der Wasserverlauf

c) Die mathematischen Grundlagen

4. Die neuen Figuren von Werner Kump

5. Ein Vergleich mit dem "Schönen Brunnen" in Nürnberg

C. Der Brunnen in der heutigen Zeit


A. Die Bedeutung der Brunnen im Mittelalter

In allen Kulturen hing das Bestehen von Siedlungen von der Wasserversorgung ab. Mit dem Anwachsen der Städte wurde auch die Sorge um frisches und sauberes Trinkwasser immer größer, denn man hatte im Laufe der Zeit gelernt, daß sich nicht jedes Wasser als Trinkwasser für den Menschen eignete. Aus diesem Grunde begannen die Bewohner nach Quellen zu suchen, die ihnen das benötigte Wasser in ausreichenden Mengen lieferten. Reichten die vorhandenen Brunnen für die Bevölkerung einer Stadt nicht aus, baute man Wasserleitungen, die das Wasser von entfernteren Brunnen an den wasserarmen Ort beförderten. Als Beispiel für die Wasserversorgung in einer mittelalterlichen Stadt mag in diesem Rahmen die Stadt Braunschweig gelten.

In Braunschweig gab es um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert zwei Wasserleitungen. Wann diese Leitungen gebaut wurden, kann heute nicht mehr genau ermittelt werden. Die älteste Leitung führte von Westen nach Osten. Die Quelle war der Jödebrunnen auf dem Gelände der ehemaligen Jugendherberge an der alten Broitzemer Straße, heute Münchenstraße vor der Autobahnbrücke. Die Leitung endete in den Brunnen auf dem Altstadt- und Kohlmarkt. Die zweite Wasserleitung führte von Osten nach Westen. Die Quelle, in alten Urkunden auch der "neue Brunnen" genannt, lag ebenfalls außerhalb der damaligen Stadt, etwa auf dem heutigen Gelände zwischen Wiesenstraße, Steinbrecherstraße und Jasperallee. Diese Leitung endete in den Brunnen des Hagenmarktes und im Kirchhof der St. Katharinenkirche. Die Brunnen lieferten Trinkwasser und standen allen Bürgern der Stadt zur Verfügung. Weitere öffentliche Ziehbrunnen, etwa 20, waren in den verschiedenen Stadtteilen vorhanden, aus denen auch die Brauereien der Stadt versorgt wurden.

Außer den öffentlichen Brunnen waren in der Stadt noch eine ganze Reihe privater Brunnen vorhanden, die meistens nur von drei oder vier Familien benutzt und unterhalten wurden.

Für die Bewohner, die weit von Brunnenanlagen entfernt wohnten, setzte der Rat der Stadt vereidigte Wasserfahrer und -träger ein, von denen die Bürger das Wasser kaufen konnten. Die Benutzung der öffentlichen Brunnen war für alle unentgeltlich. Um den Wasserfahrern, die meistens Nutzwasser transportierten, die langen Wege zu ersparen, erbaute man an der Oker mehrere Füllhäuser, in denen sie ihre Fässer nachfüllen konnten.

Die Stadträte achteten sehr scharf auf die Reinhaltung des fließenden Wassers. Wer Unrat und Abfälle in die Oker warf, wurde hart bestraft. Das Wasser aus den Rinnsteinen der Straßen leitete man erst in so genannte "Schlammkisten", wo das Wasser sich in natürlicher Weise filterte, bevor es in die Oker gelangte. Auch der Schmutz, der sich mit der Zeit auf den Straßen und Plätzen der Stadt ansammelte, wurde an besondere Plätze gebracht.

Für die Frauen waren entlang der Oker mehrere Waschstege gebaut, an denen sie ihre Wäsche bequem und mit ausreichendem Wasser waschen konnten. Damit sollte vor allem verhindert werden, dass die Wäsche in den öffentlichen Brunnen der Stadt gewaschen wurde.

Für die körperliche Reinigung der etwa 14.000 Bewohner der Stadt Braunschweig gab es mehrere öffentliche Badestuben. Die Handwerker, die im Dienste des Rates arbeiteten, erhielten wöchentlich zusätzlich zu ihrem Lohn einen Badepfennig, damit sie die Badestuben besuchen konnten. Auch andere Handwerksmeister zahlten ihren Gesellen diesen Badepfennig, so dass die Bademöglichkeit von vielen Bewohnern der Stadt ausgenutzt werden konnte.

In kriegerischen Zeiten waren die Wasserleitungen der Stadt durch ihre Lage außerhalb der Stadtmauern besonders stark bewacht. Herzog Heinrich der Jüngere belagerte z. B. im Jahre 1550 die Stadt. Dabei kam es zu einer Schlacht am Jödebrunnen im Westen der Stadt. Die Braunschweiger wurden geschlagen. Da sich die Stadt aber nicht ergeben wollte, ließ der Herzog die Wasserleitungen zerschlagen. Etwas später ließ er auch die Oker hinter Eisenbüttel aufstauen, um den Braunschweigern das Wasser zu entziehen. Der Plan misslang jedoch, der Damm hielt den riesigen Wasserdruck nicht aus und brach, so dass es in der Stadt zu einer Überschwemmung kam. Wenn in der Stadt während der Belagerung auch kein ausgesprochener Wassermangel herrschte, das Fehlen einer Leitung und das Versiegen des Okerwassers machten sich in der Stadt doch stark bemerkbar.

Wie in vielen Städten, so bildeten sich auch in Braunschweig unter den Benutzern Brunnengemeinschaften. An der Spitze einer solchen Gemeinschaft stand der Brunnenmeister, der für Ordnung und Sauberkeit am Brunnen zu sorgen hatte und die Wasserfahrer und Röhrenleger ("Piepenkerle") bei der Arbeit zu überwachen hatte.

Der Tag der Brunnenreinigung, meistens an Johannis oder Peter und Paul, war ein allgemeiner Festtag der Brunnengemeinschaften. An diesen Tagen wurden oft große Gelage gefeiert, an denen sich auch der Rat der Stadt mit großen Summen beteiligte. Außer diesen allgemeinen Festtagen, die mehr den öffentlichen Brunnen galten, wurden von den einzelnen Brunnengemeinschaften noch mehrere kleinere Brunnenfeste innerhalb der Nachbarschaft gefeiert.

Die verschiedenen Feste, die sich um den Brunnen der mittelalterlichen Stadt gruppierten, die Sondereinrichtungen wie Schutzgitter gegen Verunreinigung, Waschtröge und -stege, besondere Fischkästen und die harten Strafen für Verfehlungen an Brunnen und fließenden Wassern machen deutlich, mit welcher Sorgfalt die Brunnen als wichtigstes Lebensgut gehütet und verehrt wurden. War es doch der gepflegte Brunnen, der den Bürgern das saubere und gesunde Trinkwasser lieferte und damit vor Krankheiten schützte. Nicht selten wurde durch verunreinigtes Brunnenwasser eine Epidemie über eine ganze Stadt verbreitet.

Bei Ausbruch eines Feuers hatten sich alle Bewohner mit Eimern am Brunnen zu versammeln. Schnell wurde dann eine Kette gebildet und das Wasser des Brunnens zum Brandherd befördert. Auch zur gründlichen Straßenreinigung wurde nicht selten das Wasser des Brunnens verwendet.

So hat der Brunnen auf dem Marktplatz einer Stadt alle die Verlangen erfüllen müssen, die heute an das zentrale Netz der Wasserleitungen gestellt werden. Vom gesunden und reichlichen Wasser eines Brunnens hing oft das Wohl einer ganzen Stadt ab.

B. Der Brunnen auf dem Altstadtmarkt in Braunschweig

I. Die Geschichte des Brunnens von 1408 bis zur Gegenwart

1.  Die Herstellung des Brunnens im Jahre 1408

a) Braunschweig um 1400

Am Ende des 14. Jahrhunderts war die Stadt Braunschweig eine der bedeutenden Städte des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation". Nach der Matrikel des Hanseatischen Bundes aus dem Jahre 1370 stand die Stadt nach Lübeck, Köln und Danzig an vierter Stelle der Beitragszahlenden. Die Höhe der Abgaben an den Hanseatischen Bund richtete sich nicht nach der Anzahl der Einwohner, sondern nach der Menge, die im Jahre in der betreffenden Stadt verkauft wurde. Braunschweig war in dieser Zeit die Hauptstadt des dritten Quartiers. 1)

Es war ein bedeutender Punkt des Warenaustausches. Entscheidend für des Emporkommen der Stadt waren das schon im Jahre 1198 von Kaiser Otto IV., Sohn Heinrichs des Löwen, verliehene Privileg der Zollfreiheit für das gesamte Römische Reich und das Stapelrecht, das schon vor der Aufnahme in den Hanseatischen Bund ausgeübt wurde 2).

Die anfangs noch mächtigen Fürsten verloren durch die vielen Kriege und Erbfehden allmählich immer mehr Rechte an die Stadt. Oft konnten die Kriegszüge oder Lösegelder nicht aus den Kassen der Fürsten bezahlt werden. So borgten sich die Fürsten hohe Beträge beim Gemeinen Rat der Stadt und überließen diesem dafür bestimmte Rechte. Die Herzöge Ernst und Magnus I. z. B. verpfändeten im Jahre 1345 ihren Anteil an der Vogtei in der Stadt, ferner die Ansprüche auf die Stadtteile Sack und Alte Wyk für 690 Mark reinen Silbers an den Gemeinen Rat der Stadt Braunschweig 3).

Im gleichen Jahr überließ Herzog Magnus dem Rat und der Bürgerschaft seinen Anteil an der Münze für drei Jahre 4).

Fast alle an die Stadt Braunschweig verpfändeten Rechte gingen allmählich ganz in den Besitz der Stadt über, weil die Fürsten die erforderlichen Geldsummen nicht aufbringen konnten, die verpfändeten Rechte zurückzukaufen.

Im Jahre 1374 kam es in der Stadt zu einem Aufstand, der furchtbare Folgen nach sich zog. Die Gelegenheiten, Rechte der Fürsten zu pfänden, mehrten sich. Das Geld für den Erwerb der Rechte versuchte der Rat der Stadt durch Erhöhung und Neueinführung verschiedener Abgaben von den Bürgern zu erhalten. Die Mehrzahl der den Gilden und Zünften angehörenden Bürger sahen sich durch die übergroßen Abgaben belästigt, beschwerten sich vor den Herren des Rates über die Belastung und forderten eine Änderung dieses Zahlungssystems. Der Rat, der sich aus dreizehn Patriziern zusammensetzte und den eigenen Vorteil oft vor die Interessen der gesamten Bürgerschaft setzte, lehnte die geforderte Änderung des Abgabewesens ab und sann heimlich auf Rache. Während einer Ratsversammlung am 17. April 1374, zu der auch die Leiter der Gilden und Zünfte eingeladen waren, wurden die Vertreter der Bürgerschaft als Aufwiegler gefangen genommen. Den Meistern gelang es, die Bürgerschaft zu Hilfe zu rufen. Es kam zu einem blutigen Tumult, der sich allmählich über die ganze Stadt verbreitete, und in dem sich der seit langem aufgestaute Zorn über das ungerechte Abgabewesen entlud. Dabei wurden acht Bürgermeister enthauptet und ein Ratsherr, der das Volk beruhigen wollte, auf dem Papenstieg erschlagen. Der übrige Adel wurde aus der Stadt vertrieben.

Die Landesfürsten waren zu schwach, um das Volk zu beruhigen und die Nachbarn der Stadt waren zu neidisch auf die Vormachtstellung Braunschweigs, um dem Aufruhr entgegenzutreten. So wurden neue Bürgermeister aus den Gilden und Zünften gewählt. Da der Aufstand sich auch gegen reiche Kaufleute der Stadt richtete und bei den Kämpfen auch große Lagerhäuser von auswärtigen Kaufleuten zerstört worden waren, wurde Braunschweig noch 1374 aus der Hanse ausgestoßen.

Durch das Ausbleiben des ausländischen Handels versiegten dem Rat der Stadt und den Bürgern die wichtigsten Einnahmequellen. Um die Stadt vor dem Untergang zu bewahren, bemühten sich die Bürgermeister schon bald um die Wiederaufnahme in den Bund. Erst 1380 konnte Braunschweig unter schweren Bedingungen wieder in den Bund eintreten.

Nach der Wiederaufnahme in den Bund kehrte jedoch der Handel nicht in dem Umfang nach Braunschweig zurück, wie er vor 1374 bestanden hatte. Von den Zuständen, wie sie sich nach dem Zusammenbruch von 1374 entwickelten, sagte Heinrich Mack: "Nur ein Gutes hatten sie: die Reform von Grund aus machten sie zur unabweislichen Notwendigkeit, und mit der Reform begann eine neue und zwar die glänzendste Epoche in der Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig" 5).

Mit der Wiederaufnahme in den Bund kehrten auch die Patrizier in die Stadt zurück. Sie übernahmen wieder die Verwaltung der Stadt, doch die Schulden, die sich in den letzten Jahren stark vermehrt hatten, lasteten schwer auf der Stadtkasse. Unternommene Versuche zur Verminderung der Schulden führten nicht zum gewünschten Erfolg.

1386 wurde vom Rat eine Ordnung vorgeschlagen, die auch den Gilden und der Bürgerschaft die volle Teilnahme an der Ratsgewalt verbürgte. Zu den tüchtigsten Männern des alten Rates kamen nun die Vertreter der Gilden und Bürgerschaft. "Kein Zufall war es, dass erst diesem neuen Rat das Werk gelang, dessen Beginn, Fortgang und Ende die "Heimliche Rechenschaft“ schildert. Und eben dieses Werk war erst die vollkommene Sühne für das Unrecht von 1374 wie für alle früheren6). Missstände innerhalb der Stadt wurden aufgedeckt und abgestellt, Kriege und Streit mit den Nachbarn vermieden, Unrentable Besitzungen wurden verkauft und der Erlös für die Schuldendeckung verwendet.

Am Ende des Jahrhunderts hatte der Rat der Stadt wieder genügend Mittel, fürstliche Rechte und Besitzungen durch angenommene Verpfändungen zu bekommen. Es machte sich unter den Patriziern der Stadt ein starkes Streben nach Reichsunmittelbarkeit bemerkbar, weil sie die Abhängigkeit vom Landesfürsten als eine Ungerechtigkeit betrachteten. Herzog Friedrich, der Erbherr der Stadt Braunschweig, hatte seinen Vormund Herzog Otto von Göttingen aus Wolfenbüttel vertrieben und seine Residenz dort aufgenommen. Friedrich strebte nach der deutschen Kaiserkrone, wurde jedoch von Friedrich von Hartinghausen am 5. Juni 1400 in Klein-Englis bei Fritzlar ermordet. Gegen den Urheber der Tat, Erzbischof Johann von Mainz, der den Pfalzgrafen Ruprecht auf den deutschen Thron erheben wollte, begannen Friedrichs Brüder Heinrich und Bernhard eine blutige Fehde. Heinrich wurde gefangen und gegen ein Lösegeld von 37.000 Goldgulden entlassen. Diese Summe konnte Bernhard nur durch neue Verpfändungen an die Stadt Braunschweig aufbringen. So kam die Stadt in den vollen Besitz der Zoll- und Münzrechte7), in die restlichen Eigentumsrechte des Weichbildes Sack und an den Gerichten Eich, Wendhausen, Asseburg, Vechelde und Schöningen. Der Streit im Fürstenhause hörte jedoch nicht auf. Im Jahre 1409 kam es zu einer neuen Landesteilung, wonach Heinrich das Lüneburgische und Bernhard das Wolfenbüttelsche und Kalenbergische Land erhielten. Die Städte Braunschweig und Lüneburg gehörten ihnen gemeinsam. Dieser Vertrag war schon 1416 wieder ein Streitobjekt, so dass er in diesem und in folgenden Jahren zu neuen Landesteilungen führte.

Die Reichsunmittelbarkeit der Stadt war im Jahre 1402 fast erreicht. Der Rat der Stadt, der bei allen Gelegenheiten mit dem kaiserlichen Hof in Verbindung zu kommen suchte, erhielt von Kaiser Rudolph II. in diesem Jahr das Privileg, "daß zwei Personen aus dem Rathe die Stelle der Stadt bei allen Gerichten vertreten durften, und im Jahre 1415 ward jenes Privilegium dahin ausgedehnt, daß Braunschweigische Bürger in peinlichen und Civilsachen bloß vor den Stadtgerichten belangt werden könnten"8).

In diese vorteilhafte Periode fällt nicht nur die Herstellung des Brunnens auf dem Altstadtmarkt. Die Verbesserung des Gewandhauses, die Erweiterung und Verschönerung des Rathauses der Altstadt und vieler anderer städtischer Gebäude, die Verbesserung der Mühlen und der Befestigungen der Stadt lassen darauf schließen, dass der Gemeine Rat der Stadt nicht nur bemüht war, die Stadt von Schulden zu befreien. Die Bauwerke bezeugen, dass der Rat sich ebenfalls bemühte, die Stadt zu verbessern und zu verschönern.

b) Die Herstellung des Brunnens

Über die Herstellung des Brunnens sind keine Dokumente erhalten geblieben. Die Stadt war im 13. und 14. Jahrhundert als Stapel- und Handelsplatz für Grubenerde und Metalle bekannt, die aus den Bergwerken des Harzes herangefahren wurden. Kohlenmagazine befanden sich auf dem Kohlemarkte, dem heutigen Kohlmarkt. Zur gleichen Zeit befanden sich "auf dem Bruche an der Drallen Riede" 9), an einem Okerarm in der Umgebung des heutigen Stadtbades, mehrere Treib- oder Gießhütten, die der Stadt gehörten. In diesen Hütten wurde das Metall gewonnen, das die Handwerker der Stadt für ihre Arbeiten benötigten. Am Anfang des 15. Jahrhunderts stand die Braunschweiger Gießkunst in großer Blüte. 1407 wurde ein Brunnen für den Hagenmarkt gegossen, 1408 der Brunnen auf dem Altstadtmarkt, 1411 die "faule Mette" 10) und einige andere große Geschütze bis zum Jahre 1416. Aus der Zusammenstellung dieser großen Gießwerke lässt sich schließen, dass ein oder zwei Meister die Hersteller der Werkstücke waren. In der Kanonengießerei der Stadt arbeiteten zu der fraglichen Zeit die beiden geschickten Metallarbeiter Henning Bussenschutte und Bertold von Melverode, die die "faule Mette" gossen. Von 1414 bis 1416 wurden mehrere große Geschütze von Hinrik Heysterbom aus Göttingen gegossen. Sack berichtet (a. a. 0. S. 75), dass Heysterbom das Geschütz gegossen habe, führt jedoch das Fehlen genauer "archivalischer Nachrichten" an.

"Zu gleicher Zeit wurden von den Glockengießern Ludelof, Vater und Sohn, in Braunschweig Bronzeglocken gegossen" 11). Die Brunnen aus den Jahren 1407 und 1408 können von einem Meister hergestellt worden sein, dessen Name wahrscheinlich unbekannt bleiben wird.

Urkundlich sind aus der Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts nur die Treibhütten der Stadt bekannt, die vor den Toren der damaligen Stadt lagen. Sacks Vermutung, dass in diesen Gießereien die Erze der Harzbergwerke verarbeitet wurden, bestätigten die auf Kumps Veranlassung durchgeführten Materialanalysen an den Resten des zerstörten Brunnens. Die Blei-Kupfer-Hütte in Oker, wo die Untersuchungen gemacht wurden, teilte am 9.11.1946 mit: "Das Brunnenblei ist so genanntes "historisches Blei". Typisch ist sein Gehalt an Antimon, Silber und Kupfer" 12). Am 7.7.1947 wurde mitgeteilt: "Was das Herkommen des Bleis betrifft, so kann man aus dem (höheren) Wismutgehalt mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen, dass das verwendete Blei aus Rammelsberger Erzen stammt" 13). Insgesamt wurden sieben Analysen durchgeführt, vier in der Blei-Kupfer-Hütte in Oker, zwei in den Braunschweiger Hüttenwerken und eine in der Gießerei der MIAG Braunschweig. Die Analysen geben nicht nur Auskunft über die Herkunft des Materials, die Ergebnisse ließen auch Rückschlüsse auf die Herstellungstechnik des Brunnens zu. Dass die Inschriften und Figuren nicht nachträglich eingeschnitten oder mit den Becken zugleich geformt und gegossen waren, hatte Sack 1841 schon festgestellt. Er schreibt: "Das Merkwürdigste sind nun die zwei Reihen Inschriften und die dazwischen stehenden Rosetten der beiden unteren Becken. Eine genaue Untersuchung ergibt, dass jeder Buchstabe einzeln aus Blei gefertigt, nebst den Rosetten auf eine Bleileiste genietet, diese um die Becken geschlagen und durch Niete an denselben befestigt ist 14)“.

Die Ergebnisse der Analysen zeigten, dass Sack nur teilweise recht hatte. Die genaue Untersuchung ergab, dass alle Wappen, Ornamente und Verzierungen in einfacher Klempnerarbeit nachträglich auf die Becken aufgelötet waren. Die Buchstaben wurden einzeln geschnitten, auf Bleibänder gelötet und die fertigen Bänder in die vorgesehenen Profilierungen eingelötet. Ohne Vorverzinnung des Grundes war die Schrift bis in kleinste Zwischenräume mit dem Bleiband verbunden. Wie diese Technik möglich war, klärte das Schreiben der Blei-Kupfer-Hütte Oker vom 7.7.1947. Die Bänder waren aus Blei, die Buchstaben dagegen massiv aus Lötzinn. Da Lötzinn bei Erwärmung etwas früher flüssig wird als Blei, haftet das Material bei sorgfältiger Erwärmung leicht und zuverlässig auf dem Bleigrund.

Noch eine weitere Schwierigkeit löste der Meister bei der Herstellung der Brunnenteile. Bisher war man im Blei- und Zinnguss nicht über Gegenstände hinausgekommen, die mehr als drei Zentner wogen. Das dünne und weiche Steigrohr des Brunnens allein konnte das große Gewicht der Schalen und des Helmwerkes nicht tragen. Der Gießmeister legte deshalb in die Mitte der Brunnenteile schmiedeeiserne Armierungen von unterschiedlichen Längen und Querschnitten, die völlig von Blei umgossen wurden. Bei der Restaurierung um Jahre 1847 wurden diese eisernen Stützen bereits festgestellt. Die eiserne Armierung gab dem Werk die nötige Festigkeit und verhinderte das Durchsacken der übereinander angebrachten Becken. Das vollständige Stützwerk kam bei der Einschmelzung der Brunnenteile im Jahre 1947 so erhalten zum Vorschein, wie es 1408 vom Gießmeister eingearbeitet war.

Über die Beschaffenheit der eisernen Stützen schrieb Gries, der die Analyse der Eisenteile durchführte: "Wie die Reinheit des schmiedeeisernen Materials mit seinem äußerst geringen Kohlenstoff- und Schwefelgehalt beweist, ist das Material nach dem Rennverfahren erschmolzen und das vorbereitete Eisenerz mit Holzkohle niedergeschmolzen. Dies geschah in Gruben- oder Schachtöfen aus Lehm, Bruchsteinen oder Findlingen, die Rennöfen oder Rennfeuer genannt wurden." Über die mögliche Herkunft des Materials gibt Gries keine Auskunft.

Schon vor der Aufstellung des Bleibrunnens im Jahre 1408 befand sich ein hölzerner Brunnenstock auf dem Altstadtmarkt. Dieser Brunnen hatte den gleichen Namen wie die Quelle, die ihn speiste. Sein Wasser erhielt der Brunnen aus dem "Joghetborne", einer Quelle, die heute noch tätig ist und auf dem Gelände der ehemaligen Jugendherberge in Braunschweig an der damaligen Broitzemer Straße, heute Münchenstraße liegt. Das Wasser wurde etwa 2.000 m weit "...durch sechs Fuß tief unter der Erde liegende hölzerne Röhren den so genannten Pipenstieg herunter, neben dem Ant- oder Altfelde vorbei, durch das hohe Thor, unter den über die Oker führenden Brücken hindurch, über die Sonnenstraße, dem Altenstadt- oder Kohlen-Markte zugeführt, und ... durch künstlich angelegte Brunnen in die daran befindlichen Wasserbecken..." geleitet. Zum erstenmal wird der Brunnen auf dem Markt in einem Kaufvertrag von 1345 erwähnt, in welchem der Zins von Marktständen gegenüber dem "borne" verkauft wird. Die Wasserleitung wird erstmalig in einer Kämmereirechnung der Altstadt aus dem Jahre 1354 erwähnt, wonach "3 1/2 Pfund Pfennige für Graben im Altefelde bei dem Joghetborne, 14 Schilling für 2 Wasserleitungen und zwei Schillinge für Reparaturen der Wasserbehälter am Brunnen auf dem Altstadtmarkte ...“ angegeben wurden.

Aus einer Kämmereirechnung der Altstadt von 1388 geht die Beschaffenheit des Brunnens deutlich hervor. Der Zimmermeister der Altstadt bekam damals für die Erneuerung einer großen und zwei kleinen Brunnensäulen 1 1/2 Schilling und dem Schmied, der die Säulen beschmiedete, wurden 4 gute Groschen ausgezahlt 18).

In den vorhandenen Kämmereirechnungen der Altstadt tauchen nun bis 1406 jährlich höhere Ausgaben für Reparaturen der Wasserleitung und des Brunnens auf. Der Rat der Stadt scheint im Jahre 1401 eine gründliche Ausbesserung des Brunnens beschlossen zu haben, denn 1402 beginnt man, für 40 Mark 10 Pfennig die Quelle mit einer Mauer zu umgeben. 1403 werden die Holzröhren außerhalb der Stadt gegen neue Bleirohre ausgewechselt. Innerhalb der Stadt werden die Rohre 1404 stellenweise ausgewechselt. Dafür wurden insgesamt 22 1/2 Mark ausgegeben, und 1405 wurden vom Rat der Altstadt 91 1/2 Mark für Arbeiten am Brunnen ausgegeben19).

Der neue Bleibrunnen wurde an der Stelle aufgebaut, wo die hölzernen Brunnensäulen standen20).

Da die Abrechnungen der Altstadt aus den Jahren 1407 bis 1409 nicht erhalten sind, lassen sich die dem Rat entstandenen Kosten nicht mehr genau ermitteln. Eine Vergleichsmöglichkeit jedoch ergeben die Kosten für die "faule Mette" von 1411.

Das Geschütz kostete den Gemeinen Rat mit allen Unkosten, ohne Geschosse und Pulver, 167 Mark 93 Pfennig und wog insgesamt 160 Zentner 21). Für einen Zentner Zinn mussten damals 2 1/2 Mark gezahlt werden 22), für Blei ist wahrscheinlich der gleiche Preis gezahlt worden. Für 250 Zentner (je 114 Pfund) Material mussten 625 Mark bezahlt werden 23). Da dem Meister 90 Pfennige für einen Zentner gegossenes Metall gezahlt wurden, erhielt er etwa 60 Mark für den Guss. Die Herstellung und Montage der vielen Einzelteile des Brunnens erhöhten wahrscheinlich die Lohnkosten, so dass etwa 150 Mark Lohn für Meister und Gehilfen gerechnet werden können. Dazu kommen noch die Unkosten für den Steinsockel und die Transportkosten, so dass der Rat etwa 900 Mark für diesen Brunnen aufbringen musste. Ob dieser für die damaligen Verhältnisse besonders hohe Betrag allein von den Verwaltungen der Stadt aufgebracht oder durch Spenden der Gilden, Zünfte und der Geistlichkeit der Stadt bezahlt wurde, ist leider nicht bekannt.

Zum Vergleich: Von den Ausgaben für die Unterhaltung des Brunnens aus dem Jahre 1405 entfielen etwa 64 % auf Löhne. Die meisten Arbeiter standen im Tagelohn. Ein Zimmermann bekam pro Tag 11 Pfennig, wenn er in Kost bei der Stadt lebte, nur 7 Pfennig. Ein Stein- oder Ziegeldecker mit einem Knecht erhielt 18 Pfennig, ohne Knecht 12 Pfennig; Handlangern und ungelernten Arbeitern zahlte die Stadt 5 Pfennig pro Tag.

Ein Kleiderstoff für einen Herrenanzug aus farbigem Aachener Tuch kostete 30 Pfennig, der Machelohn für den Anzug 7 bis 10 Pfennig; ein Paar Schuhe kosteten 20 bis 24 Pfennig, eine Tonne Bier 135 Pfennig, ein Pfund Fleisch 1 bis 2 Pfennig, 100 Eier 20 Pfennig.

Die meisten Familien legten sich größere Vorräte an und stellten sich ihre Nahrungsmittel teilweise selbst her, z. B. Brot und Fleischwaren 24).

Ursprünglich hatten alle Brunnen der Stadt den gemeinschaftlichen Namen "joghetborne". Dabei war es gleichgültig, ob von den Quellen oder von den Brunnensäulen gesprochen wurde. Allmählich bürgerte sich jedoch der Name "joghetborne" für Quelle und Brunnen auf dem Altstadtmarkt ein. In den Büchern des Rates werden beide bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts mit diesem Namen bezeichnet. Dann taucht allmählich der Name "Jugendborn" auf, der im Protokoll des Injurien-Prozesses von 1603 zu finden ist. In einer Rechnung des "Hospitale Beatae Mariae Virginis", aus dem das jetzige Waisenhaus hervorgegangen ist, aus dem Jahre 1661 findet man die Bezeichnung "Jörtbrunnen". In dieser Zeit trennen sich die Benennungen. Während mit "Jugendborn" der Brunnen auf dem Markt gemeint wird, bezieht sich der Name "Jörtbrunnen" auf die Quelle. Aus dem "Jörtbrunnen" wird am Ende des 17. Jahrhunderts der Name "Gödebrunnen", der sich bis in das 19. Jahrhundert erhalten hat 25).

Aus der Bezeichnung "Jugendborn" wurde der Name "Jugendbrunnen". Mit dem Namen wurden um 1900 wieder Quelle und Brunnen gemeinschaftlich benannt. Die heutige Stadtverwaltung bezeichnet in ihrem Schriftverkehr den Brunnen auf dem Altstadtmarkt mit dem Namen "Marienbrunnen", die Quelle an der Broitzemer Straße jedoch als "Jödebrunnen". Der Graben, der das Quellwasser in die Schölke abführt, wird als "Jödebrunnen-Graben" bezeichnet 26). Der Volksmund nennt den Brunnen auf dem Markt entweder "Jugendbrunnen", "Marienbrunnen" oder ganz schlicht "Brunnen auf dem Altstadtmarkt".


 

2. Die weitere Geschichte des Brunnens

Welche Restaurationen und Veränderungen in den Jahrhunderten nach der Aufstellung des Brunnens im Einzelnen vorgenommen wurden, ist nicht bekannt. Es ist wahrscheinlich, dass die Laterne des Brunnens vom 16. bis 18. Jahrhundert mehrere Male ausgebessert und verändert wurde. C. G. W. Schiller berichtet in seinem Buch 27) von einer Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert, die anstelle des Maßwerkes am Helmdach massive, mit Goldornamenten versehene Eisenplatten angibt.

Zu mehreren Huldigungsfeiern wurde das Rathaus auf dem Altstadtmarkt gründlich aufgeputzt und ausgebessert. Figuren bekamen Farbanstriche und Zepter, Kronen und Wappen wurden vergoldet. Derartige Arbeiten wurden zu den Huldigungsfeiern 1616, 1731 und 1830 vorgenommen. Auch 1671 und 1784 wurden am Rathaus Verschönerungsarbeiten gemacht, bei denen auch Vergoldungen vorgenommen wurden. Wahrscheinlich wurde bei diesen Arbeiten auch der Brunnen ausgebessert.

Dass der Brunnen im Laufe der Zeit viel von seinem einstigen Aussehen verloren hatte, beschreibt Sack in seinem Buch von 1841 sehr deutlich. Er schrieb damals u. a.: "Auf diesem (oberen) Becken ruhet in einer ghothischen durchbrochenen Laterne eine kleine Schale, aus welcher noch vor nicht langen Jahren das Wasser durch vier daran in die Höhe kriechende, eidechsenartige Thiere ausgespieen wurde. ... Die Kuppel des Brunnens zierte noch im Jahre 1746 ein Muttergottesbild, wie aus dem großen Beckschen Kupferstiche der St. Martini Kirche zu sehen ist, so wie an der Spitze eine Fahne mit dem Stadtlöwen versehen, angebracht war. Beides ist bei irgendeiner Gelegenheit abgenommen und nicht wieder ergänzt.

Nach seiner ersten Vorrichtung muss der Brunnen mit den schönen Bildwerken, den daran befindlichen Eidechsen und Löwenköpfen, aus welchen nicht über-, sondern zwischen einander das klare Wasser herabfiel, um sich im Becken zu sammeln, eine wahre Zierde des Altenstadtmarktes gewesen sein. Die Länge der Zeit hat das oberste Becken unbrauchbar und manche Verzierung daran schadhaft gemacht; eine baldige Restauration, wie solche bereits dem steinernen Unterbau zu Theil geworden ist, und eine Versetzung in die Mitte des Marktes, möchte den Nachbarn dieses Brunnens, in dessen Umgebung sich die schönsten Gebäude aus dem Alterthume der Stadt befinden, sehr wünschenswerth sein" 28).

Die von Sack geforderte Restauration wurde 1847 ausgeführt. Bei dieser Gelegenheit wurde der Metallbrunnen von seiner ursprünglichen Stelle auf die Mitte des Marktplatzes versetzt. Die einfache Steinsäule aus Elmquadern wurde durch einen Sandsteinsockel ersetzt und das ganze Bauwerk noch einmal mit einem achteckigen Steinbecken umgeben. Mit den Steinarbeiten war der Architekt F. Uhlmann beauftragt. Die Ausbesserungsarbeiten am Metallbrunnen führte der Braunschweiger Bildhauer Howaldt aus. Howaldt fügte die verloren gegangene Windfahne mit dem Stadtwappen wieder hinzu. Welche Teile er jedoch getreu nach dem Original ausbesserte, ist unbekannt. Bekannt ist jedoch, dass er die Laterne, die Helmstreben und das Helmmaßwerk, die vier Evangelisten und die Muttergottes frei ergänzte. Howaldt hat lediglich nach seinem Gefühl, ohne Kenntnis der strengen Gesetzlichkeit des Brunnens gearbeitet. Er ergänzte den Baldachin in der Laterne 11cm niedriger als der Originalbaldachin gewesen ist. Die Folge war, dass die Madonna von dem Maßwerk der Wimperge erdrückt wurde.

"Die von Howaldt geschaffene Madonna war eine so genannte 'schöne Sitzmadonna1, eine saubere, gekonnte Arbeit seiner Zeit, aber ohne auch nur den Versuch eines Antastens an den Brunnencharakter. Von den vier Evangelisten Howaldts ist keine Abbildung bekannt" 29).

In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg hat sich der Stadtbaurat Winter sehr viel mit dem Brunnen beschäftigt. Nach seinen Zeichnungen versuchte Kump 1946 den zerstörten Brunnen wiederherzustellen. Es stellte sich doch beim Vergleichen der Originalmaße mit den Zeichnungsmaßen Winters heraus, dass diese Zeichnung nicht zuverlässig war. Im Laufe der Restaurierung wurde deutlich: Winter hatte die Absicht, den alten, vielleicht wieder brüchig gewordenen Brunnen durch einen Brunnen aus einem härteren Metall zu ersetzen. Die Zeichnungen waren bis in Details fertig. Der Brunnen sollte bedeutend höher und der Wasserverlauf sollte geändert werden. Der ganze Brunnen sollte in der Mitte des Marktes auf vier oder acht etwa 30 cm hohen Löwenrücken ruhen, Auch sollte der Brunnen in sich gestreckt werden, was den Gesamtcharakter völlig verändert hätte.

3. Die Vernichtung des Brunnens im 2. Weltkrieg und die Wiederherstellung durch Werner Kump

Im Jahre 1943 wurde der Brunnen mit Sandsäcken und einer Holzverschalung gegen die Sprengwirkung der Bomben geschützt. Die Schutzhülle riss jedoch durch Witterungseinflüsse auf, und der Sand konnte allmählich abrieseln. In der schweren Bombennacht vom 14. zum 15. Oktober 1944, in der fast die ganze Innenstadt Braunschweigs in Flammen aufging, entzündete sich auch die Holzverschalung durch mehrere Stabbrandbomben und vernichtete den Brunnen bis auf wenige Großteile. Das Unterbecken blieb etwa zu zwei Dritteln erhalten, alle anderen Teile vom Mittelbecken bis zur Laterne waren verschmolzen und für eine Restauration nicht mehr zu verwenden. Die Laterne auf dem Oberbecken war völlig zerstört.

Nach dem Brand wurden die Brunnenreste vom Steinsockel heruntergenommen und lagerten ungeschützt auf dem Marktplatz. Erst im Winter 1944/45 wurden die Reste auf Veranlassung des Landeskonservators Dr. Seelecke in das Innere der Andreaskirche auf dem Wollmarkt transportiert, wo sie Ende Mai 1945 zwischen vielem Unrat aufgefunden wurden. Nach einer Bestandsaufnahme und mehreren Gutachten über die Möglichkeit einer Wiederherstellung wurde bereits am 26. Juli 1945, fast drei Monate nach Kriegsende, der Auftrag zur Wiederherstellung des Brunnens an den Metallbildhauer Werner Kump vergeben 30).

 

Mit Hilfe eines kleinen Mitarbeiterstabes und einer großen Anzahl freiwilliger Helfer gelang es Kump nach fünfjähriger, mühvoller Kleinarbeit, den Brunnen am 4. Dezember 1951 den Bürgern der Stadt Braunschweig zurückzugeben.

Die Zustände in der zerstörten Stadt machten es dem Restaurator in den ersten Wochen und Monaten nach dem Kriege besonders schwer. Es fehlte an geeigneten Unterkünften, Werkzeugen und Materialien. Als im Oktober 1945 die Brunnenreste aus der Andreaskirche in die ständig gegen Diebstahl gesicherte Arbeitsbaracke gebracht werden sollten, musste festgestellt werden, dass mehrere Zentner Brunnenblei gestohlen und wahrscheinlich als Altmaterial verkauft worden waren.

Die einzigen Unterlagen, die bei der Erstellung der Gutachten im Juni 1945 vorlagen, waren die großen Brunnenzeichnungen Winters von 1913. Auf Grund dieser Zeichnungen fiel das Gutachten über die Möglichkeit einer getreuen Wiederherstellung des Brunnens positiv aus. Beim Vermessen der Brunnenreste und Vergleichen mit Winters Zeichnungen stellte sich heraus, dass die Zeichnung nicht mit den wirklichen Brunnenmaßen übereinstimmte. Weitere Untersuchungen ergaben, dass Winter die bereits erwähnte Erneuerung vorgehabt haben musste. Endgültige Klarheit brachte eine später aufgefundene Wassermontagezeichnung Winters, in der die eiserne Armierung anders eingezeichnet war. Diese Armierung wäre technisch in dem Bleibrunnen nicht möglich gewesen.

Nachdem die Winterschen Zeichnungen für die Restaurierungsarbeiten unbrauchbar waren, wurde jedes erreichbare Foto gesammelt und mit Hilfe einer, von einem englischen Offizier zur Verfügung gestellten, Fotoausrüstung eine fotografische Abwicklung des Brunnens hergestellt. Rechnerisch und zeichnerisch tastete man sich an die Originalmaße heran und suchte dann nach einer neuen Lösung der Laterne, die 1847 von Howaldt frei ergänzt worden war.

"Anfang Januar 1947 wurden die für die Restaurierung errechneten Maße und die vorgeschlagenen Brunnenergänzungen von Sachverständigen geprüft und als die wahrscheinlich bestmöglich befriedigende Lösung genehmigt. Diese zwar zustimmende, aber immerhin sehr vorsichtige Formulierung veranlasste den mit der Restaurierung Beauftragten zu Versuchen, die fachlich unbedingt zulässigen Zweifel an der Zuverlässigkeit der bisherigen rechnerischen Bestimmungsmethode möglichst durch eine bessere, kunstwissenschaftlich exakte Gewissheit zu beseitigen" 31).

Im Januar 1947 gelang es Kump, die geometrische Gesetzmäßigkeit am Brunnen nach der Methode von Drach festzustellen. Ein halbes Jahr später waren alle wesentlichen Punkte nach dieser Methode rechnerisch und zeichnerisch "bestimmt und damit eine exakte Grundlage für eine kunstwissenschaftlich maßgetreue Rekonstruktion des Altstadtmarkt-Brunnens gewonnen" 32).

Als die zeichnerischen Arbeiten abgeschlossen waren, taten sich dem Restaurator neue Schwierigkeiten auf. Die Beschaffung der vielen notwendigen Materialien für Modellierung und Guss musste gemacht werden. Dazu schreibt Kump: "In jenen rauhen Tagen bewertete man im Volksmund die relative Sauberkeit getätigter Geschäfte schlicht nach der Oswaldtschen Weiß-grau-schwarz-Farbskala. Historische Zuverlässigkeit verpflichtet den Chronisten zu der Angabe, dass ausnahmslos alle für die Restaurierung des Altstadtmarkt-Brunnens getätigten Beschaffungen - getreu der natürlichen Bleifarbe des Brunnenmaterials - vom prachtvollsten Hellgrau bis zum tiefsten Dunkelgrau eingestuft werden müssen“ 33).

Nach der Währungsreform, als die Industrie ihre Materialien verkaufen wollte, fehlte es der Stadt an Geld. Die Gussarbeiten wurden notdürftig abgeschlossen, neue Arbeiten wurden nicht vergeben. Vom 31. März 1949 bis 1. Mai 1950 ruhte die Restaurierungsarbeit völlig. Die restlichen Arbeiten, Nacharbeit und Zusammensetzen der Einzelteile konnten im darauf folgenden Jahr ausgeführt werden. Am 31. Mai 1951 konnten die Teile montagefertig abgeliefert werden.

Noch im September wurde mit dem Zusammenbau des Brunnens auf dem neu gesetzten Fundament begonnen. Damit kehrte der Brunnen aus der Mitte des Marktes auf seinen ursprünglichen Standort zurück.


II. Der geistige Gehalt des Brunnens

1.  Gesamtbeschreibung

Nicht nur aus historischen, sondern vor allem aus verkehrstechnischen Gründen versuchten die Stadtplaner, den Brunnen aus der Mitte des Marktes wieder zu entfernen und ihn auf dem günstigsten Platz an einer Seite des Marktes zu errichten. Mit Hilfe eines fahrbaren Gerüstes wurde dann der endgültige Platz in der Südost-Ecke des Marktplatzes gefunden. Während der Brunnen bei einer Versetzung auf die westliche Hälfte des Platzes durch die stark gegliederten Elemente der Rathauses und der Martinikirche "in seiner Wirkung beeinträchtigt worden wäre, ... schien die Ostseite des Platzes einer Bereicherung zu bedürfen, zumal hier durch eine optische Bindung an das Gewandhaus auch diesem eine besondere Bedeutung gegeben werden konnte" 34)..

Der Brunnen hat die Form einer steilen Pyramide. Aus der Mitte eines flachen, achteckigen Fußbeckens erhebt sich eine runde und wenig profilierte Sandsteinsäule, auf der der metallene Brunnen ruht. Die untere Metallschale liegt fast vollständig auf dem Sockel. Aus dieser Schale erwächst ein starker Stock, an dem zwei weitere, kleinere Schalen lasten. Den Abschluss des Steigrohres bildet ein Zinnenkranz. Auf einem Stützring unterhalb des Zinnenkranzes ruhen vier Fialenpfeiler, die das Helmdach über dem Zinnenkranz tragen. Die Spitze des Helmes wird von einer Kreuzblume abgeschlossen. Aus der Mitte der Kreuzblume erhebt sich eine Windfahne mit dem Wappen der Stadt Braunschweig.

Die vier Streben des Helmdaches sind mit Krabben verziert und das Dach wird von gotischem Maßwerk gebildet. Unter dem Helmmaßwerk befindet sich ein Baldachin, unter welchem die Muttergottes mit dem Kind thront. Sie blickt nach Westen und sitzt in der Mitte des Zinnenkranzes auf einem Podest (Abb. 5).

An den vier Fialenpfeilern, die den Strebepfeilern von gotischen Kirchen gleichen, sind auf einem Podest und unter einem Baldachin die vier Evangelisten in Vollplastiken dargestellt. Zwischen den Fialenpfeilern kriechen vier drachenähnliche Tiere zum Zinnenkranz empor, die aus den Rachen das Wasser in das obere Becken speien.

Die Becken sind im Vergleich zu anderen Brunnenschalen bedeutend steilwandiger und tiefer. Das Wasser fließt durch vier Wasserdurchlässe in das darunter liegende Becken. Die Schalen sind an den Außenwänden profiliert und an jedem Becken befinden sich zwei verschiedene Verzierungen. Das obere Becken ist unter dem Rand mit einem schmalen Blumenornament und einem breiten Rankenornament verziert. Das Mittelbecken (Abb. 6) wird von 20 verschiedenen Wappen und den dazu gehörenden Namen geschmückt. Unter dem Rand am Unterbecken befindet sich eine niederdeutsche Inschrift aus gotischen Buchstaben, die biblischen Versen entnommen ist. Darunter sind in fein geschnittenen Reliefbildern 19 Propheten, die Spruchbänder tragen, und die heilige Katharina mit ihren Attributen dargestellt. Das Fußbecken aus Stein steht auf einer Stufe, und hat außer Profilen keine weiteren Verzierungen.

2.  Der Brunnen als Ausdruck seiner Zeit

Das Wort Ulrichs von Hutten, "Die Natur ist erwacht, es blühen die Studien" 35) galt für die Brunnenkunst des 14. und 15. Jahrhunderts uneingeschränkt. Versteht man unter "Natur" das Ausbilden der Zweckmäßigkeit in der Form, und unter "Studien" die Gestaltung der Schmuckelemente, so sind dies die beiden wichtigsten Gesichtspunkte, unter denen in dieser Zeit die Brunnen in Deutschland geschaffen wurden.

Während in Italien die künstlerisch gestalteten Brunnen aufgrund des größeren Wasserreichtums auf Repräsentationsplätzen errichtet wurden, entstanden in Deutschland die meisten auf Verkaufsmärkten. Bei den Schmuckbrunnen Italiens brauchten die praktischen Anforderungen nur nebenher berücksichtigt zu werden. Bei den deutschen Brunnen dagegen war die Zweckforderung dominierend, die auch durch die Schmuckformen nicht verwischt werden konnte. Dies gilt auch für den Brunnen auf dem Altstadtmarkt in Braunschweig.

Der Markt als Treffpunkt vieler auswärtiger Kaufleute und Handwerker war in seinen Fluchtlinien schon kunstmäßig festgelegt. Deshalb wurde auch für die Erstellung des Brunnens die dekorative Absicht treibend. Der Reichtum an Schmuck auf dem Markt war das Zeichen eines starken städtischen Selbstbewusstseins und der Brunnen hatte den Gesamteindruck des Marktes zu bereichern. Schon mehrere Schalen waren das Zeichen für eine künstlerische Bereicherung. Der Aufbau des Brunnens ist streng architektonisch und bezeichnet den Hochstand des städtischen Gewerbes. In der ganzen Brunnenauffassung spiegelt sich das gemeinschaftliche Schaffen von Architekt, Metallgießer, Bildhauer, Kirche und Stadtrat wider. Bildnerisch vollendet, bringen die Schöpfer eine Fülle von Gedanken zur Geltung, ohne dass der Brunnen einer Überladenheit zum Opfer fällt.

Der Schmuck des Brunnens hat einen sinnbildlichen Auftrag. Man begnügt sich nicht mit der Darstellung "der vordergründigen, materiellen Tatsächlichkeit der Welt. Im Abbild kommunizieren alle Dinge untereinander, im Sinnbild sind sie 'unmittelbar zu Gott1.

Alles ist nur Hinweis auf den göttlichen Grund, der die gesamte Gegenstandswelt - die Natur, den Menschen und seine Schöpfungen - trägt". Alle dargestellten Dinge haben den Auftrag, "Zeichen 'für etwas zu sein" 36). Das Streben der Bevölkerung nach der Unabhängigkeit von den Landesherren, verwurzelt in einer tiefen religiösen Auffassung, wird in der ganzen Zusammenstellung des Programms deutlich. Durch das Wappen der Stadt an der Spitze wird der Brunnen Monument, der das Wahrbild eines stolzen Bürgertums bezeichnet.

 

3.  Figuren und Darstellungen

Zur Bereicherung des optischen Eindruckes ist der Brunnen mit vielen verschollenen Schmuckelementen versehen. Der Künstler rechnet mit dem Betrachter und verhüllt den massiven Baukörper in einer dekorativen Schmuckschicht, die den Anschein der Kostbarkeit erweckt. Durch die auf optische Wirkung berechnete Oberfläche tritt eine besondere Spannung auf; die Spannung zwischen Struktur und Oberfläche, die den Blick des Betrachters, je nach Wahl des Standortes, auf einen bestimmten Sektor lenkt.


 

Der gesamte Baukörper tritt bei der Betonung der einzelnen Schmuckzonen zurück und lässt jede Zone für sich wirken. Der Brunnen ist in vier gleichstarke Schmuckzonen aufgeteilt. Die erste bildet das Unterbecken mit der Inschrift und den Reliefbildern. In der zweiten Zone befinden sich die Wappen des Mittelbeckens. Die Ornamente am Oberbecken bilden die dritte und ruhigste Zone und unterstreichen die Wirkung des Fialenabschlusses auf der Spitze des Brunnens, die als vierte Schmuckzone betrachtet werden kann. Bei der Betrachtung des Brunnens wird das Ganze einem flächenhaften Ausschnitt geopfert.

Die Schmuckelemente sind hier selbständiger entwickelt als an vielen süddeutschen Brunnen, die nicht selten noch größer sind als der Brunnen in Braunschweig. Wie bei allen älteren Metallbrunnen ist das Schmuckwerk klein im Verhältnis zum Ausmaß des Gesamtbrunnens.

Im Gegensatz zu späteren Kunstepochen befindet sich kein figürlicher Schmuck am Mittelpfosten des Brunnens. Dadurch wird seine Aufgabe, die Brunnenteile zu tragen, stark betont. Die glatte Steinsäule und der gleichmäßig profilierte Mittelpfosten lenken jedoch die Aufmerksamkeit des Betrachters ab auf das Schmuckwerk des Fialenaufbaues und der Beckenränder. Die Bildwerke an Brunnen allgemein sind heiter und fröhlich, hier sind sie fast nüchtern und sachlich gestaltet. Jede einzelne Figur wurde zum selbständigen Bedeutungsträger geformt und bringt eine begreifbare Körperlichkeit zur Geltung. Dabei liegt die Wirklichkeit in dem bezeichneten Gegenstand, nicht in der Formgebung des Gegenstandes.

Bei der Ausschmückung des Brunnens hat der Künstler seine Vorliebe für Reliefs stark entfaltet. Jede Figur wurde von dem an Hausrat gewöhnten Metallgießer bis in Kleinigkeiten sauber ausmodelliert. Die Darstellungen lassen sich, obwohl sie nicht sehr groß sind, doch gut betrachten.

 

a) Die Inschrift am Unterbecken

Unter dem Rand des größten der drei Becken befindet sich eine plattdeutsche Inschrift aus gotischen Buchstaben. Die Inschrift besteht aus sieben Sätzen. Vor sechs Sätzen steht jeweils ein Name aus dem Alten Testament, der letzte Satz nennt das Herstellungsjahr und die Heilige, der dieser Brunnen geweiht wurde.


 

Die Namen:

Die Sätze im einzelnen
lauten:

 

Die Namen deuten jeweils an, wer das Zitat in der Bibel gesprochen hat. Die entsprechenden Stellen in der Bibel lauten

| david |

des waters i flot
de stat godes vrolich dot

Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig sein mit ihrem Brünnlein, (da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind)
Psalm 46, 5

„Fließende Brunnen machen die Stadt Gottes fröhlich.“

| elrzeus |

sut hebbe yk se maket gar /
un wde nicht mer unvruchtbar

(So spricht der Herr:) Ich habe dies Wasser gesund gemacht; es soll hinfort kein (Tod noch) Unfruchtbarkeit daher kommen.
2. Buch der K
önige 2, 21

| salomon |

alle wat i dat mer ga

Alle Wasser laufen in das Meer; (doch es wird das Meer nicht voller; an den Ort, da sie herfließen, fließen sie wieder hin.) Prediger 1,7

| jesaja |

we dorste de körne hir an

Wohlan alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser, (und die ihr nicht Geld habt, kommet her und kaufet und esset, kommet her und kaufet ohne Geld und umsonst beides, Wein und Milch).
Jesaja, 55,1

„Wer durstig ist, der komme hier heran.“

| elias |

he scloch de watere un entwe
sint se ghedelet

(Da nahm Elia seinen Mantel und wickelte ihn zusammen, und) schlug in das Wasser, das teilte sich auf beiden Seiten, (dass sie beide trocken hindurchgingen.)
2. Buch d. K
önige 2,8 Samuel

„Er schlug die Wasser und sie teilten sich auf beiden Seiten.“

| samuel |

hete wete i dosse dach / a.
anno dm: MCCCC VIII
vibilia katerina fusa est.

(Sie tun dir, wie sie immer getan haben,) von dem Tage an (da ich sie aus Ägypten führte,) bis auf diesen Tag, (und haben mich verlassen und haben anderen Göttern gedient.)
1. Buch Samuel 8,8 A(men).
Im Jahre des Herrn 1408,
gegossen am Vorabend der hl. Katharina
(= Sonnabend, 24. November 1408)

„Von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Amen.“


"In souveräner - vielleicht auch erstmaliger - Unbekümmertheit sind die lateinischen Sprüche des Vulgata-Textes in die niederdeutsche Sprache übertragen" 37). Im Jahre 1408 gab es noch keine deutsche Bibelübersetzung. Die Verse der Bibel in niederdeutscher Sprache drücken die Zusammenarbeit von Kirchenherren und Brunnenbauern aus. Hier lag das Bestreben vor, Gottes Wort nicht nur den Menschen, die die lateinische Sprache beherrschten, darzustellen. Alle, die lesen konnten, sollten die biblischen Sprüche am Brunnen verstehen.

Zugleich liegt aber auch eine Mahnung in dieser Inschrift. Eine Stadt ohne Wasser ist zum Tode verurteilt. Deshalb wurde das Wasser unter Gottes Schutz gestellt. Wer diesen Schutz missachtete und das Wasser verunreinigte, musste mit der Strafe Gottes rechnen. Zu diesen Strafen wurden besonders Krankheiten und Wasserarmut gezählt, worunter dann die ganze Stadt zu leiden hatte.

Es ist noch zu bemerken, dass Kump an einer unauffälligen Stelle am Mittelpfosten, direkt unter dem mittleren Becken, den Hinweis auf den Neuguss anbringen ließ. Mit den gleichen gotischen Buchstaben heißt es dort in Plattdeutsch:
“In den groten Kriege am 15. Oktober 1944 dorch Brand esmolten. Niet egoten 1948.“

b)  Die Prophetenreihe

Auf den Reliefbildern am Unterbecken werden 19 männliche und eine weibliche Person dargestellt. Die weibliche Figur ist die heilige Katharina mit ihren Attributen, Rad und Schwert, der der Brunnen geweiht wurde.

Die männlichen Figuren stellen die markantesten Männer des Alten Testamentes dar. Zur Darstellung der Personen wurden vom Erbauer sieben verschiedene Figuren benutzt. Mit Ausnahme der weiblichen Figur wurden jeweils mehrere Personen mit der gleichen Abbildung dargestellt. Die männlichen Figuren tragen Schriftbänder mit lateinischen Sprüchen aus der Vulgata in hochgravierter, gotischer Schrift. Die Worte sind oft abgekürzt und erschwerten deshalb Sack und anderen Publizisten das Entziffern sehr. Bei der Restauration gelang es zwei Angehörigen der Benediktiner-Abtei Maria Laach, die biblischen Gestalten zu bestimmen und den Text der Schriftbänder zu entziffern 38).

Die Personen sind in vier Gruppen zu je fünf Reliefs zusammengestellt. Die Gruppen werden durch die vier Löwenkopfausgüsse voneinander getrennt (Abb. 14). In jeder Gruppe sitzt ein König, flankiert von zwei Propheten. Nur in der Gruppe, in der die heilige Katharina dargestellt ist, sitzt der König nicht in der Mitte, sondern rechts neben der Katharina.

Von den 20 Darstellungen konnten 14 namentlich bestimmt werden. 6 Figuren, die durch die Glut des Brandes zerstört wurden, werden wahrscheinlich unbekannt bleiben.

Die Figuren wurden zur Darstellung folgender Personen verwendet: 39)


 

Figur I:

viermal, für Obdias, Elrzeus, Osea, einmal zerstört.

Figur II:

zweimal, für König Salomon, König David (Abb. 8)

 


 

Figur III:

viermal, für Isaias, Samuel, Jeremias, Moses (Abb. 9)

Figur IV:

zweimal, für zwei unbekannte Könige (Abb. 10)

 


 

Figur V:

einmal, für die heilige Katharina (Abb. 11)

Figur VI:

viermal, für Ezechiel, Naum, Abacuc, einmal zerstört.

 


 

Figur VII:

dreimal, für Joel, zweimal zerstört

 

Auf allen entzifferten Spruchbändern ist im Kern die Rede vom Wert des Wassers. Fast könnte man glauben, der Künstler wollte die niederdeutsche Inschrift mit einer Geschichte des Volkes Israel, zusammengesetzt aus den Sprüchen der einzelnen Gestalten, erweitern und begründen.

Dem Sinn nach könnte die Zusammenstellung der Sprüche folgende Geschichte ergeben:
Dem Volke Israel wurde von Gott durch den Mund der Propheten das fehlende Wasser in ausreichender Menge versprochen. Als das Volk in Israel Ordnung geschaffen hatte, wurde von Gott der Ursprung des Wassers und die gleiche Aufteilung geboten. Es wurde von ihm gesund gemacht und stand unter seinem Schutz. Nach l
ängerer Zeit wendete sich das Volk von seinem Gott Jahwe ab und betete einen anderen an. Die Strafe Gottes wurde von den Propheten vorausgesagt.

Weil das Volk jedoch nicht zurückkehrte, ließ Jahwe alle Quellen versiegen. Daraufhin kehrten die Abtrünnigen zurück, Gott war versöhnlich und ließ die Quellen wieder hervortreten und genügend Wasser spenden.

Diese Deutung ist für die Zeit des 14. Jahrhunderts durchaus möglich, weil das Christentum zu dieser Zeit in Europa als einzige Religion gültig war und nicht im Sinne der Dämonen und überirdischer Mächte verstanden wurde, sondern als Religion der göttlichen Liebe und Gnade.

 

c)  Die Wappen am Mittelbecken

Im Gegensatz zur tiefen Frömmigkeit, die aus den Darstellungen des Unterbeckens spricht, macht sich am Mittelbecken das erstarkende Selbstbewusstsein der Stadt deutlich bemerkbar.

Hier sind 20 verschiedene Wappen angebracht. Genau wie am Unterbecken sind die Wappen in vier Gruppen aufgeteilt, die durch die Löwenköpfe voneinander getrennt werden. Über den Wappen befinden sich die Namen der dargestellten Wappen. Sie gruppieren sich nicht um eine besondere Person der Gruppe, wie die Propheten um einen König am Unterbecken. Die Reihenfolge der Wappen ist fortlaufend nach einer strengen Hierarchie geordnet.


 

Der Reihe nach erscheinen:

Als erstes das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" (links), es folgen die sieben Kurfürstentümer Mainz (g) 40), Böhmen (w) 41), Köln (g), Sachsen (w) (rechts vor dem Löwenkopf),

Bayern (w), Trier (g) und Brandenburg (w). Es folgen danach die Wappen von Braunschweig-Land und Lüneburg als ein Herzogtum, das von zwei Landesherren in Braunschweig und Lüneburg regiert wurde.


An 11. Stelle ist die Stadt Braunschweig dargestellt, gefolgt von den neun guten Helden; dem heidnischen Hektor, Alexander dem Große und Julius Cäsar; dem jüdischen David,

Judas von Maccabäus und Josua und den christlichen Helden Karl der Große, König Artus und Gottfried von Bouillon.

Sack glaubte, dass die Reihenfolge der Wappen teilweise willkürlich vom Künstler zusammengesetzt worden ist. Dagegen sprechen jedoch einige Tatsachen. Nach dem Wappen des Deutschen Reiches folgen die sieben Kurfürsten, die bei der Wahl eines deutschen Königs entscheidend mitzusprechen hatten. Die Reihenfolge der Kurwürden wurde nicht in geistliche und weltliche getrennt, sondern diese wurde wechselweise genannt. In der Reihenfolge war wahrscheinlich nur das Alter entscheidend. Dem ältesten Erzbistum folgt das älteste Königreich usw.

Aus der Reihenfolge der Wappen ist ein feines politisches Gefühl des Künstlers ersichtlich. Auch setzt er das Stadtwappen nicht an den Anfang der Reihe, sondern geht von Stufe zu Stufe abwärts, in der offiziellen Reihe der Obrigkeiten. Erst danach wird die Stadt genannt, die 1408 die Reichsunmittelbarkeit fast erreicht hatte und für die das Handeln der neun guten Helden zum Vorbild genommen werden sollte.

d)  Ornamente und Einzelfiguren

Außer den glatten Profilringen, die die Schmuckelemente trennen, sind die beiden größten Metallbecken auch mit ornamentalem Schmuck versehen. Die Buchstaben der Inschriften sind mit feinen Einschnitten verziert. Die trennenden Zeichen der Inschrift (in Abschnitt 3a mit  |  bezeichnet) sind zur Blütenform modelliert. Dieses Schmuckwerk hat die Aufgabe, die kunstvolle Wirkung der Darstellung zu erhöhen.

Am Oberbecken sind keine Gegenstände und Figuren abgebildet. An die Stelle der Inschriften tritt ein kleines Blumenornament (Abb. 47), das den Beckenrand ununterbrochen umspannt. Das anstelle der Wappen gewählte große Ornament (Abb. 46) wird durch Löwenköpfe unterbrochen. Dieses Rankenornament setzt sich aus vier Teilen zusammen. Die einzelnen Teile sind untereinander gleich. Das zweite Teilstück ist ein Spiegelbild des ersten (in der Längsseite gespiegelt); das dritte Teilstück ist dem ersten gleich, das vierte wieder ein Spiegelbild. Dadurch entsteht innerhalb des Ornaments eine ausgeglichene Wellenbewegung. Weil aber die Löwenköpfe in diese Bewegung einbezogen werden, entsteht keine auffällig störende Unterbrechung.

Mit den Ornamenten ist der Brunnenkünstler der Gefahr des Überladens entgangen. Figürlichen Schmuck hätte auch der Betrachter in dieser Höhe kaum deutlich erkennen können. Diese in sich ruhige Schmuckzone unterstreicht gleichzeitig die abgeschlossene Wirkung des Fialenaufbaus.

Die fünf Rundplastiken des Brunnens sind in der Fiale zu finden. Wie den übrigen Darstellungen kommt auch ihnen eine symbolische Funktion zu. "Die Gültigkeit eines Symbols hängt von einer Vereinbarung ab. Erlischt diese, so verdunkelt sich die Sinnsphäre des Symbols und dieses sinkt letztlich in die reine vordergründige Gegenständlichkeit ab. ...Als Träger eines verschlüsselten Sinngehaltes besitzt das Symbol für den Wissenden die Macht der Offenbarung. Seine bevorzugte Verwendung im Bereich der sakralen Kunst wird daraus verständlich.

Man kann zwischen spekulativen und anschaulichen Symbolen unterscheiden. .... Für das spekulative Symbol gibt es in der Regel nur eine richtige Interpretation, für das anschauliche mehrere. … Am stärksten ist die Symbol zeugende und -bewahrende Kraft in Epochen, deren Weltbild im Jenseits wurzelt. Alles Irdische - die Natur und die vom Menschen geschaffene Wirklichkeit - ist dann nur Hinweis auf eine höhere, geistige Wirklichkeit. Darum ereignet sich die Blütezeit' der abendländischen Symbolkunst im Mittelalter. Alles führt zu Gott, alles hängt von Gott ab. In diesem Doppelbezug ist der Reichtum der symbolischen Verknüpfungen und Entsprechungen begründet" 42).

Die Anwesenheit der vier Evangelisten, die ihre Bücher aufgeschlagen in den Händen halten (Abb. 17 bis 20), veranschaulicht die Verbundenheit des Volkes mit dem Neuen Testament. Als Verkünder der Worte und Taten Christi stehen die Evangelisten stellvertretend für ihn. Auch die Madonna mit dem Kind (Abb. 15 bis 16) wählte man anstelle einer Christusfigur. War schon die Darstellung des Christus schwierig, so ließ sich die menschliche Gefühlsbindung zwischen Mutter und Kind leichter abbilden. Durch die Darstellung der Mutter mit dem Kind wurde eine persönliche Beziehung zwischen Betrachter und Abbild hergestellt, die dem Betrachter von Natur her vertrauter war als eine Beziehung zu Jesus. Auch war die Blütezeit der Madonnenverehrung noch nicht vorüber. An vielen profanen Bauwerken befanden sich Madonnenfiguren, welche die gleiche symbolische Funktion übernahmen, die den Christusfiguren in Kirchen zukam.

III.  Die Form des Brunnens

1)  Die bildende Kunst am Ende des 14. Jahrhunderts

Im späten Mittelalter entwickelte sich in den Residenzen der Landesfürsten und in den freien Städten des Reiches ein reiches künstlerisches Leben, das sich zunächst auf dem Gebiet der Baukunst entfaltete. In der Zeit von 1250 bis 1400 löste sich die Kunst allmählich von der Vormundschaft der Kirche. Neben den kirchlichen Bauhütten entwickelten sich die bürgerlichen Zünfte. "Kirchlich aber blieb die Kunst der christlichen Völker während dieses ganzen Zeitraumes in allen seinen Hauptäußerungen ihrem innersten Wesen und Wollen nach, und gerade dem mystischen Aufschwunge der Gott suchenden Seelen verdankte sie ihre herrlichsten Schöpfungen. 43).

Zu dieser Zeit hatte das Christentum das Vertrauen der ganzen Bevölkerung erobert. Bis weit in die romanische Zeit war das Christentum von der Bevölkerung noch nicht als eine Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden worden. Dem Volke, ausgenommen einer Anzahl von Geistlichen und geistig Gebildeten, war es noch nicht die Religion, von der man einen Schutz im Diesseits erhoffen konnte. Das Bewusstsein, dass Gott den liebt, der ihn liebt, dass in jedem Lebewesen etwas von ihm ist, jeder an seiner Gnade teilhaben kann und dass der Mensch sich ihm ohne Scheu und Furcht nähern kann, war nicht vorhanden. Die christliche Religion wurde weithin noch in dem alten Sinne verstanden, der ihm schon bei der Übernahme des Christentums zukam. Gott wurde als etwas Fernes, dem Menschen und allem Irdischen Entrücktes empfunden, das große Macht über die transzendenten Kräfte hatte, von denen man die Welt beherrscht glaubte.

Keine Brücke des Gefühls verband die Gläubigen mit den Gestalten des Christentums. Diese waren unnahbar und nur aus der Ferne ehrfürchtig mit Scheu anzubeten. Ihrer Hilfe schien man sich nur durch das Opfer, durch Schenkung von Land und Geld an die Kirche versichern zu können.

Die Mönche des Zisterzienserordens haben wesentlich zum Wandel dieser magischen Auslegung beigetragen. Sie haben als erste die Marienverehrung in das Volk getragen. Die Gottesmutter wird zur Fürbitterin der Gläubigen beim letzten Gericht, das mütterliche Erbarmen schlägt die ersten Brücken des Gefühls zu Gott.

Diese und andere Verehrungen haben dazu beigetragen, dass das Christentum seine magische Auslegung verlor. Gott und die Heiligen gewannen allmählich eine bis jetzt unbekannte Menschlichkeit, Vertrautheit und Verstehbarkeit. Breite Schichten des Volkes erkannten, dass die Liebe und Gnade Gottes allen teilhaftig ist, und dass er ansprechbar und für jeden erreichbar ist. Das Christentum wurde allmählich als Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden.

Im Verlaufe des 14. Jahrhunderts ging der Vorrang der Kirche in dem Maße zurück, wie das städtische Bürgertum an Ansehen und Bedeutung gewann. Die sich im Bürgertum entwickelnden Lebensideale waren völlig anders als die der Geistlichkeit und des Adels. Diese Ideale standen auf dem Boden des realen Lebens. Man suchte Erfüllung in den Tugenden des handwerklichen Könnens und Fleißes, in der Sparsamkeit und auch in der Gemeinschaftlichkeit. Die Bürger dachten in Realitäten, was die Ursache für den tief greifenden geistigen Wandel der Zeit wurde. Das Hervortreten der Einzelpersönlichkeit aus der bisherigen Anonymität betont diesen Wandel besonders.

Zur wichtigsten Forderung dieser Zeit wurde die freie Entfaltung der Persönlichkeit im geistigen und politischen Leben. Breiteste Schichten des Volkes machten sich diese Forderung zu eigen. Die ausgesprochen demokratische Gesinnung und das wirklichkeitsnahe Denken verstärkten den Rückgang des kirchlichen Einflusses. Aus dieser Entwicklung, aus der die lutherische Reformation in Deutschland seine letzten Konsequenzen zog, ist auch die Veränderung der Kunst zu sehen.

Die wenigen Nachrichten über die Künstler der damaligen Zeit sind meistens rein zufällig erhalten geblieben. In der Zeit der kirchlichen Bauhütten wurde im Kollektiv geschaffen, jeder Handwerker an seinem Platz und seinen Leistungen entsprechend. Jeder einzelne Handwerker war Glied eines Ganzen und galt gleich viel. So würdigte auch die Geschichtsschreibung oft nur die Leistung des Kollektivs, Einzelleistungen wurden nur selten besonders hervorgehoben.

Das Verewigen durch Namenszeichen an einer Schöpfung, das in Italien schon seit längerer Zeit üblich war, kam in Deutschland erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf und bürgerte sich nur ganz allmählich ein. Deshalb gewinnen die alten Kämmereirechnungen der Städte eine erhebliche Bedeutung als Namensquelle. Die Baumeister und Handwerker, die in diesen Rechnungen genannt sind, bauten im Auftrage des Rates Markthallen, Rathäuser, Wehranlagen usw. Viele von diesen Handwerkern gingen oft auf Wanderschaft. So ist es wahrscheinlich, dass sie nicht nur an Profanbauten, sondern auch an sakralen Bauwerken gearbeitet haben. Mit dem Ansteigen der schriftlichen Überlieferungen sinkt jedoch das Bauen von großen Kathedralen und wendet sich mehr den profanen Bauwerken zu. Am Ende des 14. Jahrhunderts kannte die Gesellschaft noch keine Künstler, wie sie in unserem Sinne bekannt sind. Fast jeder Handwerker hat es mit seinen geringen Hilfsmitteln zu künstlerischen Leistungen gebracht.

Die aus Frankreich kommende Gotik begann ihren Lauf um die Mitte des 13. Jahrhunderts durch ganz Europa. Auch in Deutschland ging die Gotik als tonangebender Stil aus den Auseinandersetzungen mit den überlieferten Formen hervor. In den verschiedenen Ländern passte sie sich den verschiedenen Aufgaben, Baumaterialien und Volkstümlichkeiten an und stand noch unter der Vormundschaft der Kirche. Die mittelalterliche Baukunst sah ihre wichtigste Aufgabe in der Schaffung von Kirchen, und es war in bevorzugtem Maße der Sakralbau, an dem sich der Verlauf des gotischen Stiles mit allen seinen Wandlungen vollzog. In ihm haben sich das strukturelle System und der Formreichtum gebildet. Was an Profanbauten in dieser Zeit entstand, übernahm weitgehend die am Sakralbau entwickelten Formen.

Das gotische Schaffen ist grundsätzlich verschieden von dem Gestalten der schweren romanischen Baukunst. Nicht nur in den jeweiligen formalen Ausdrucksmitteln unterscheiden sich diese Zeitstile, sondern grundsätzlich durch den unendlich erweiterten Horizont der Betrachtungsweisen. Ein scharfer Verstand und ein rastloses Vorwärtsstreben kennzeichnen die gotische Kunst. In ihrer Gestaltung wird das Sinnvolle vor das Sinnhafte gestellt.

Welche Bereicherung der Stil allein in der Ornamentik geschaffen hat, macht schon der vielseitige Schmuck der Kapitelle in den Kirchen deutlich. Das Streben der Bevölkerung nach einer Lösung von den kollektiven Bindungen, Lebensgenuss, Prachtliebe und hier und da auch Glaubenszweifel werden mit der fortschreitenden Entwicklung der Kunst immer deutlicher.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war in Norddeutschland allgemein der spätgotische Stil vorherrschend. Das strenge, gesetzmäßige Gestalten der Hochgotik wurde abgelöst von einer freieren und individuelleren Gestaltung der einzelnen Künstler. Eine starke Strömung zum Realistischen machte sich bemerkbar. Man versuchte, der Natur in allen Kunstrichtungen näher zu kommen. Die richtige Wiedergabe der landschaftlichen Hintergründe in der Malerei und Bildnerei machte große Fortschritte. Die Stein- und Metallplastiken verloren ihre starre Haltung und gewannen mehr und mehr an Ausdruck und Leben.

In Norddeutschland, wo der Haustein nicht zu finden war, trat die Steinplastik erst im beginnenden 15. Jahrhundert auf. Die Steine wurden von den hansischen Kaufleuten aus Westfalen nach Sachsen transportiert. Umso stärker entwickelten sich in diesem Gebiet die Holzschnitzerei und der Metallguss. Der Einfluss des romanischen Stils blieb jedoch in Norddeutschland länger bestehen als in anderen Teilen des Reiches.

Im gotischen Profanbau wurde auf künstlerischem Gebiet anfangs nach den Gesetzen des Sakralbaues gebaut. Die Formgestaltung nahm jedoch bald bürgerliche Züge mit eigener Formentwicklung an und wurde unabhängig vom Sakralbau. Ein großer Nachdruck lag beim Profanbau in der Zweckbestimmtheit. Die Bauwerke waren in der Gestaltung der Form meistens bewusst geistig und nicht willkürlich geschaffen. "Die Wandlung des künstlerischen Ausdrucks, die eine Burg des 13. Jahrhunderts und ein Schloss des 15. Jahrhunderts unterscheidet, ist unmittelbar Ausdruck der Zeitgesinnung. ... Sie zeigen die Kultur des Gotischen innerhalb all ihrer Wandlungen bereit und begabt, dem Leben der Zeit die bestimmte Würde und das Ansehen großer Form zu geben" 44).

Die Schöpfungen sind nicht mehr vom Dämonischen behaftet, sondern es spricht aus ihnen die natürliche Kraft, die Lebensweisheit und Daseinsfreude. Inhaltlich wachsen Einzelheit und Umfang der Sachschilderungen. "Inhalt und Umfang der geistigen Vorstellungen und Interessen des Mittelalters, ... sie sind nirgendwo anschaulicher ausgebreitet als im Motivschatz der gotischen Kleinkünste. ... Arbeitsantrieb und technische Voraussetzungen stammen aus den alten Lehrstätten der mittelalterlichen Handwerkskunst, den Klöstern" 45). Zu diesen Künsten gehören die Glas- und Buchmalerei, die Schnitz-, Gieß-, und Goldschmiedekunst.

 

2)  Entwicklungsgeschichte der Brunnen bis etwa 150O

a)  Die allgemeine Entwicklung

Im Gegensatz zu den jagenden Völkern entwickelten die Hirten- und Bauernvölker schon sehr früh die künstliche Fassung einer Quelle, um ihr Vieh besser tränken zu können. In der Bronzezeit wurden Zisternen gegraben und mit Holzbohlen eingefasst. Kurze Wasserleitungen baute man aus gehöhlten Baumstämmen. Die weiterentwickelte Form der Zisterne ist der zylindrische Schacht- oder Kesselbrunnen, der tief ausgeschachtet und teilweise gemauert oder in den Fels gesprengt wurde. Die Schöpfeinrichtung des Brunnens richtete sich stets nach der Höhe des Wasserspiegels. Das Wasser wurde mit Seil und Roller, mit einer Stange oder durch ein Tretrad dem Brunnen entnommen. Aus dem Pumpbrunnen, aus dem das Wasser mit Stangen entnommen wurde, entwickelten sich die Hauptglieder:

der Kasten, als Behälter für Fische oder zum Waschen,
der Trog, zur Viehtr
änke und
der Stock, zur Aufnahme der Wasserleitung.

Die Stadtkultur stellte hohe Ansprüche an die weitreichenden Wasserleitungen, so dass sich hier die laufenden Röhrenbrunnen und Wasserwerke entwickelten.

Die griechischen Stadtstaaten und später auch die Römer übernahmen die Vorbedingungen zu ihren großen Brunnenhäusern und Marktbrunnen von den alten Kulturen des Orients. Die meisten Brunnen waren bei allen Völkern in erster Linie Nutzbrunnen. Die Römer begannen mit der Zunahme ihrer Macht und als Ausdruck ihrer Wohlhabenheit auch Zierbrunnen aufzustellen. Doch mit dem allmählichen Zerfall der großen Wasserleitungen ging auch die Brunnenkunst verloren.

Die Tradition der Zierbrunnen fand seine Fortsetzung in der altchristlichen Kirche, im oströmischen Reich und in den arabischen Städten. Auch die entstehenden Klöster bauten sich ihre eigenen Wasserleitungen.

Aus den frühen mittelalterlichen Städten und Siedlungen ist nur die primitive Anlage des hölzernen Einbaumes oder des Galgenbrunnens bekannt. Die allgemeine Wende im Brunnenbau trat erst im Spätmittelalter ein, als sich um 1200 die selbständigen Stadtkulturen entwickelten. Die bessere Wasserversorgung wurde nicht nur ein hygienisches Bedürfnis der Stadt, gleichzeitig wurden Brunnen auch an besonderen Verkehrsmittelpunkten der Stadt, im Schloss und im Kloster künstlerisch und symbolisch geschmückt. Damit trat ein Wandel im Material ein. Anstelle der einfachen Holzbrunnen wurden Prachtbrunnen aus Stein und Metall errichtet. Große und kleine Brunnen mit Ornamenten, Inschriften und figürlichem Schmuck kamen auf.

Waren die Brunnen bis jetzt fast ausschließlich Nutzbrunnen, so entwickelten sich in der folgenden Zeit die reinen Zierbrunnen und Wasserwerke. Im beginnenden 16. Jahrhundert kam der Monumentalbrunnen mit großen rundplastischen Figuren auf. Diese Brunnen wurden meistens an den zentralen Blickpunkten der Städte errichtet und gehörten ausschließlich zur Ausschmückung der Stadt.

b)  Der romanische Klosterbrunnen

In den Klöstern hatten die Brunnen hygienische und kultische Bedeutung. Zu den einfachsten dieser Art gehört der laufende Brunnen in Prüfening bei Regensburg. Zu ihm gehört als Brunnen ein liegender Löwe, aus dessen Sockel das Wasser in die Schale läuft. Die erhaltenen romanischen Brunnen sind steinerne Schalenbrunnen. Der Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen in Maulbronn, der dreiteilige Brunnen mit Löwenköpfen in Külsheim und der Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen auf dem Marktplatz in Goslar, alle gehören dem 12. und 13. Jahrhundert an.

Alle romanischen Brunnen zeigen im Grundtyp:

mehrere sich verjüngende Schalen,

Löwenkopfausgüsse und

einen säulenartigen Mittelpfosten.

Der romanische Brunnen ist verwandt mit den Röhrenbrunnen der Antike. Auch diese Brunnen kennen mehrere übereinander liegende Schalen. Ob er sich jedoch aus diesem Typ entwickelt hat, wird sich wohl nicht ganz erforschen lassen. Der romanische Brunnen kann ebenso eine frei gefundene Weiterentwicklung der klösterlichen Taufschalen sein. Auch die Löwenköpfe, die eindeutig römisch sind, lassen keine eindeutige Antwort zu. Da der Löwenkopf eine Zierde vieler mittelalterlicher Wassergefäße und Schmuckgegenstände war, kann die Form auch über diesen Umweg wieder an die mittelalterlichen Brunnen gelangt sein, ohne dass die Brunnenbauer eine Kenntnis von antik-römischen Brunnen gehabt haben.

c)  Der gotische Brunnen

Eine nordische Neubildung ist der gotische Brunnen, der sich seit dem 14. Jahrhundert in den Städten aus den bodenständigen Gegebenheiten durch die bürgerlichen Steinmetze herausbildete. Durch kriegerische Auseinandersetzungen, Epidemien und durch das Anwachsen der handwerklichen Gewerbe sahen sich die Stadträte veranlasst, den Bewohnern der Stadt durch Brunnen und Öffentliche Wasserleitungen reichlich gutes und frisches Wasser zuzuführen. Gewöhnlich speiste jede Wasserleitung einen Brunnen, der aber oft eine Abzweigung für gewerbliche oder private Zwecke hatte. Die Leitungen waren aus Holz und mussten von der Quelle zum Brunnen ein Gefälle haben, weil Pumpwerke noch nicht bekannt waren.

Die Einordnung der Brunnen in das Gesamtbild der Stadt "geschah in einem vegetativen Rhythmus, nicht nach axial-symmetrischer Anordnung" 46). Wegen ihrer besonders reichlichen und sorgfältigen Gestaltung und Formung wurden diese Brunnen häufig "Schöne" und "Hübsche Brunnen" genannt. Die Formung der Brunnen geschah durch die Bauhütten der großen Stadtpfarrkirchen oder durch Zünfte der Stadt.

Die vielen verschiedenen gotischen Brunnen entstanden aus vier Grundtypen:

1) und 2). Diese beiden Grundformen entstanden am Ziehbrunnen. Die erste Form ist der zweischenklige, die zweite Form der dreischenklige Aufbau über dem Brunnenschacht, an dem sich die Ziehvorrichtung befand.

3) Die einfachere Form des Laufbrunnens ist der Fialen-Pfeiler, aus dem das Wasser in ein meist längliches Becken fällt. Die Brunnensäule ist meist mit einer Einzelfigur geschmückt. Die Form lässt sich auf den "Löwen-Brunnen" in Nürnberg zurückführen.

4) Die letzte und am stärksten ausgearbeitete Grundform ist das vieleckige Brunnenbecken, in dessen Mitte der Brunnenstock steht. Der Stock ist zu einem fialenartigen Turm ausgestaltet, der nach spätgotischen Gesetzen konstruiert ist. Die Einzelheiten des Stockes in seinen Geschossen, Absetzungen, Baldachinen und Figuren sich die gleichen wie an den Strebepfeilern der Kirchen. Die Wirkung dieser Darstellungsform wird durch eine farbige Fassung noch gesteigert. Der älteste und bedeutendste Brunnen dieser Art ist der "Schöne Brunnen" in Nürnberg.

 

III.  Die Form des Brunnens

1)  Die bildende Kunst am Ende des 14. Jahrhunderts

Im späten Mittelalter entwickelte sich in den Residenzen der Landesfürsten und in den freien Städten des Reiches ein reiches künstlerisches Leben, das sich zunächst auf dem Gebiet der Baukunst entfaltete. In der Zeit von 1250 bis 1400 löste sich die Kunst allmählich von der Vormundschaft der Kirche. Neben den kirchlichen Bauhütten entwickelten sich die bürgerlichen Zünfte. "Kirchlich aber blieb die Kunst der christlichen Völker während dieses ganzen Zeitraumes in allen seinen Hauptäußerungen ihrem innersten Wesen und Wollen nach, und gerade dem mystischen Aufschwunge der Gott suchenden Seelen verdankte sie ihre herrlichsten Schöpfungen. 43).

Zu dieser Zeit hatte das Christentum das Vertrauen der ganzen Bevölkerung erobert. Bis weit in die romanische Zeit war das Christentum von der Bevölkerung noch nicht als eine Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden worden. Dem Volke, ausgenommen einer Anzahl von Geistlichen und geistig Gebildeten, war es noch nicht die Religion, von der man einen Schutz im Diesseits erhoffen konnte. Das Bewusstsein, dass Gott den liebt, der ihn liebt, dass in jedem Lebewesen etwas von ihm ist, jeder an seiner Gnade teilhaben kann und dass der Mensch sich ihm ohne Scheu und Furcht nähern kann, war nicht vorhanden. Die christliche Religion wurde weithin noch in dem alten Sinne verstanden, der ihm schon bei der Übernahme des Christentums zukam. Gott wurde als etwas Fernes, dem Menschen und allem Irdischen Entrücktes empfunden, das große Macht über die transzendenten Kräfte hatte, von denen man die Welt beherrscht glaubte.

Keine Brücke des Gefühls verband die Gläubigen mit den Gestalten des Christentums. Diese waren unnahbar und nur aus der Ferne ehrfürchtig mit Scheu anzubeten. Ihrer Hilfe schien man sich nur durch das Opfer, durch Schenkung von Land und Geld an die Kirche versichern zu können.

Die Mönche des Zisterzienserordens haben wesentlich zum Wandel dieser magischen Auslegung beigetragen. Sie haben als erste die Marienverehrung in das Volk getragen. Die Gottesmutter wird zur Fürbitterin der Gläubigen beim letzten Gericht, das mütterliche Erbarmen schlägt die ersten Brücken des Gefühls zu Gott.

Diese und andere Verehrungen haben dazu beigetragen, dass das Christentum seine magische Auslegung verlor. Gott und die Heiligen gewannen allmählich eine bis jetzt unbekannte Menschlichkeit, Vertrautheit und Verstehbarkeit. Breite Schichten des Volkes erkannten, dass die Liebe und Gnade Gottes allen teilhaftig ist, und dass er ansprechbar und für jeden erreichbar ist. Das Christentum wurde allmählich als Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden.

Im Verlaufe des 14. Jahrhunderts ging der Vorrang der Kirche in dem Maße zurück, wie das städtische Bürgertum an Ansehen und Bedeutung gewann. Die sich im Bürgertum entwickelnden Lebensideale waren völlig anders als die der Geistlichkeit und des Adels. Diese Ideale standen auf dem Boden des realen Lebens. Man suchte Erfüllung in den Tugenden des handwerklichen Könnens und Fleißes, in der Sparsamkeit und auch in der Gemeinschaftlichkeit. Die Bürger dachten in Realitäten, was die Ursache für den tief greifenden geistigen Wandel der Zeit wurde. Das Hervortreten der Einzelpersönlichkeit aus der bisherigen Anonymität betont diesen Wandel besonders.

Zur wichtigsten Forderung dieser Zeit wurde die freie Entfaltung der Persönlichkeit im geistigen und politischen Leben. Breiteste Schichten des Volkes machten sich diese Forderung zu eigen. Die ausgesprochen demokratische Gesinnung und das wirklichkeitsnahe Denken verstärkten den Rückgang des kirchlichen Einflusses. Aus dieser Entwicklung, aus der die lutherische Reformation in Deutschland seine letzten Konsequenzen zog, ist auch die Veränderung der Kunst zu sehen.

Die wenigen Nachrichten über die Künstler der damaligen Zeit sind meistens rein zufällig erhalten geblieben. In der Zeit der kirchlichen Bauhütten wurde im Kollektiv geschaffen, jeder Handwerker an seinem Platz und seinen Leistungen entsprechend. Jeder einzelne Handwerker war Glied eines Ganzen und galt gleich viel. So würdigte auch die Geschichtsschreibung oft nur die Leistung des Kollektivs, Einzelleistungen wurden nur selten besonders hervorgehoben.

Das Verewigen durch Namenszeichen an einer Schöpfung, das in Italien schon seit längerer Zeit üblich war, kam in Deutschland erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf und bürgerte sich nur ganz allmählich ein. Deshalb gewinnen die alten Kämmereirechnungen der Städte eine erhebliche Bedeutung als Namensquelle. Die Baumeister und Handwerker, die in diesen Rechnungen genannt sind, bauten im Auftrage des Rates Markthallen, Rathäuser, Wehranlagen usw. Viele von diesen Handwerkern gingen oft auf Wanderschaft. So ist es wahrscheinlich, dass sie nicht nur an Profanbauten, sondern auch an sakralen Bauwerken gearbeitet haben. Mit dem Ansteigen der schriftlichen Überlieferungen sinkt jedoch das Bauen von großen Kathedralen und wendet sich mehr den profanen Bauwerken zu. Am Ende des 14. Jahrhunderts kannte die Gesellschaft noch keine Künstler, wie sie in unserem Sinne bekannt sind. Fast jeder Handwerker hat es mit seinen geringen Hilfsmitteln zu künstlerischen Leistungen gebracht.

Die aus Frankreich kommende Gotik begann ihren Lauf um die Mitte des 13. Jahrhunderts durch ganz Europa. Auch in Deutschland ging die Gotik als tonangebender Stil aus den Auseinandersetzungen mit den überlieferten Formen hervor. In den verschiedenen Ländern passte sie sich den verschiedenen Aufgaben, Baumaterialien und Volkstümlichkeiten an und stand noch unter der Vormundschaft der Kirche. Die mittelalterliche Baukunst sah ihre wichtigste Aufgabe in der Schaffung von Kirchen, und es war in bevorzugtem Maße der Sakralbau, an dem sich der Verlauf des gotischen Stiles mit allen seinen Wandlungen vollzog. In ihm haben sich das strukturelle System und der Formreichtum gebildet. Was an Profanbauten in dieser Zeit entstand, übernahm weitgehend die am Sakralbau entwickelten Formen.

Das gotische Schaffen ist grundsätzlich verschieden von dem Gestalten der schweren romanischen Baukunst. Nicht nur in den jeweiligen formalen Ausdrucksmitteln unterscheiden sich diese Zeitstile, sondern grundsätzlich durch den unendlich erweiterten Horizont der Betrachtungsweisen. Ein scharfer Verstand und ein rastloses Vorwärtsstreben kennzeichnen die gotische Kunst. In ihrer Gestaltung wird das Sinnvolle vor das Sinnhafte gestellt.

Welche Bereicherung der Stil allein in der Ornamentik geschaffen hat, macht schon der vielseitige Schmuck der Kapitelle in den Kirchen deutlich. Das Streben der Bevölkerung nach einer Lösung von den kollektiven Bindungen, Lebensgenuss, Prachtliebe und hier und da auch Glaubenszweifel werden mit der fortschreitenden Entwicklung der Kunst immer deutlicher.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war in Norddeutschland allgemein der spätgotische Stil vorherrschend. Das strenge, gesetzmäßige Gestalten der Hochgotik wurde abgelöst von einer freieren und individuelleren Gestaltung der einzelnen Künstler. Eine starke Strömung zum Realistischen machte sich bemerkbar. Man versuchte, der Natur in allen Kunstrichtungen näher zu kommen. Die richtige Wiedergabe der landschaftlichen Hintergründe in der Malerei und Bildnerei machte große Fortschritte. Die Stein- und Metallplastiken verloren ihre starre Haltung und gewannen mehr und mehr an Ausdruck und Leben.

In Norddeutschland, wo der Haustein nicht zu finden war, trat die Steinplastik erst im beginnenden 15. Jahrhundert auf. Die Steine wurden von den hansischen Kaufleuten aus Westfalen nach Sachsen transportiert. Umso stärker entwickelten sich in diesem Gebiet die Holzschnitzerei und der Metallguss. Der Einfluss des romanischen Stils blieb jedoch in Norddeutschland länger bestehen als in anderen Teilen des Reiches.

Im gotischen Profanbau wurde auf künstlerischem Gebiet anfangs nach den Gesetzen des Sakralbaues gebaut. Die Formgestaltung nahm jedoch bald bürgerliche Züge mit eigener Formentwicklung an und wurde unabhängig vom Sakralbau. Ein großer Nachdruck lag beim Profanbau in der Zweckbestimmtheit. Die Bauwerke waren in der Gestaltung der Form meistens bewusst geistig und nicht willkürlich geschaffen. "Die Wandlung des künstlerischen Ausdrucks, die eine Burg des 13. Jahrhunderts und ein Schloss des 15. Jahrhunderts unterscheidet, ist unmittelbar Ausdruck der Zeitgesinnung. ... Sie zeigen die Kultur des Gotischen innerhalb all ihrer Wandlungen bereit und begabt, dem Leben der Zeit die bestimmte Würde und das Ansehen großer Form zu geben" 44).

Die Schöpfungen sind nicht mehr vom Dämonischen behaftet, sondern es spricht aus ihnen die natürliche Kraft, die Lebensweisheit und Daseinsfreude. Inhaltlich wachsen Einzelheit und Umfang der Sachschilderungen. "Inhalt und Umfang der geistigen Vorstellungen und Interessen des Mittelalters, ... sie sind nirgendwo anschaulicher ausgebreitet als im Motivschatz der gotischen Kleinkünste. ... Arbeitsantrieb und technische Voraussetzungen stammen aus den alten Lehrstätten der mittelalterlichen Handwerkskunst, den Klöstern" 45).

Zu diesen Künsten gehören die Glas- und Buchmalerei, die Schnitz-, Gieß-, und Goldschmiedekunst.

 

2)  Entwicklungsgeschichte der Brunnen bis etwa 150O

a)  Die allgemeine Entwicklung

Im Gegensatz zu den jagenden Völkern entwickelten die Hirten- und Bauernvölker schon sehr früh die künstliche Fassung einer Quelle, um ihr Vieh besser tränken zu können. In der Bronzezeit wurden Zisternen gegraben und mit Holzbohlen eingefasst. Kurze Wasserleitungen baute man aus gehöhlten Baumstämmen. Die weiterentwickelte Form der Zisterne ist der zylindrische Schacht- oder Kesselbrunnen, der tief ausgeschachtet und teilweise gemauert oder in den Fels gesprengt wurde. Die Schöpfeinrichtung des Brunnens richtete sich stets nach der Höhe des Wasserspiegels. Das Wasser wurde mit Seil und Roller, mit einer Stange oder durch ein Tretrad dem Brunnen entnommen. Aus dem Pumpbrunnen, aus dem das Wasser mit Stangen entnommen wurde, entwickelten sich die Hauptglieder:

der Kasten, als Behälter für Fische oder zum Waschen,
der Trog, zur Viehtr
änke und
der Stock, zur Aufnahme der Wasserleitung.

Die Stadtkultur stellte hohe Ansprüche an die weitreichenden Wasserleitungen, so dass sich hier die laufenden Röhrenbrunnen und Wasserwerke entwickelten.

Die griechischen Stadtstaaten und später auch die Römer übernahmen die Vorbedingungen zu ihren großen Brunnenhäusern und Marktbrunnen von den alten Kulturen des Orients. Die meisten Brunnen waren bei allen Völkern in erster Linie Nutzbrunnen. Die Römer begannen mit der Zunahme ihrer Macht und als Ausdruck ihrer Wohlhabenheit auch Zierbrunnen aufzustellen. Doch mit dem allmählichen Zerfall der großen Wasserleitungen ging auch die Brunnenkunst verloren.

Die Tradition der Zierbrunnen fand seine Fortsetzung in der altchristlichen Kirche, im oströmischen Reich und in den arabischen Städten. Auch die entstehenden Klöster bauten sich ihre eigenen Wasserleitungen.

Aus den frühen mittelalterlichen Städten und Siedlungen ist nur die primitive Anlage des hölzernen Einbaumes oder des Galgenbrunnens bekannt. Die allgemeine Wende im Brunnenbau trat erst im Spätmittelalter ein, als sich um 1200 die selbständigen Stadtkulturen entwickelten. Die bessere Wasserversorgung wurde nicht nur ein hygienisches Bedürfnis der Stadt, gleichzeitig wurden Brunnen auch an besonderen Verkehrsmittelpunkten der Stadt, im Schloss und im Kloster künstlerisch und symbolisch geschmückt. Damit trat ein Wandel im Material ein. Anstelle der einfachen Holzbrunnen wurden Prachtbrunnen aus Stein und Metall errichtet. Große und kleine Brunnen mit Ornamenten, Inschriften und figürlichem Schmuck kamen auf.

Waren die Brunnen bis jetzt fast ausschließlich Nutzbrunnen, so entwickelten sich in der folgenden Zeit die reinen Zierbrunnen und Wasserwerke. Im beginnenden 16. Jahrhundert kam der Monumentalbrunnen mit großen rundplastischen Figuren auf. Diese Brunnen wurden meistens an den zentralen Blickpunkten der Städte errichtet und gehörten ausschließlich zur Ausschmückung der Stadt.

b)  Der romanische Klosterbrunnen

In den Klöstern hatten die Brunnen hygienische und kultische Bedeutung. Zu den einfachsten dieser Art gehört der laufende Brunnen in Prüfening bei Regensburg. Zu ihm gehört als Brunnen ein liegender Löwe, aus dessen Sockel das Wasser in die Schale läuft. Die erhaltenen romanischen Brunnen sind steinerne Schalenbrunnen. Der Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen in Maulbronn, der dreiteilige Brunnen mit Löwenköpfen in Külsheim und der Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen auf dem Marktplatz in Goslar, alle gehören dem 12. und 13. Jahrhundert an.

Alle romanischen Brunnen zeigen im Grundtyp:

mehrere sich verjüngende Schalen,

Löwenkopfausgüsse und

einen säulenartigen Mittelpfosten.

Der romanische Brunnen ist verwandt mit den Röhrenbrunnen der Antike. Auch diese Brunnen kennen mehrere übereinander liegende Schalen. Ob er sich jedoch aus diesem Typ entwickelt hat, wird sich wohl nicht ganz erforschen lassen. Der romanische Brunnen kann ebenso eine frei gefundene Weiterentwicklung der klösterlichen Taufschalen sein. Auch die Löwenköpfe, die eindeutig römisch sind, lassen keine eindeutige Antwort zu. Da der Löwenkopf eine Zierde vieler mittelalterlicher Wassergefäße und Schmuckgegenstände war, kann die Form auch über diesen Umweg wieder an die mittelalterlichen Brunnen gelangt sein, ohne dass die Brunnenbauer eine Kenntnis von antik-römischen Brunnen gehabt haben.

c)  Der gotische Brunnen

Eine nordische Neubildung ist der gotische Brunnen, der sich seit dem 14. Jahrhundert in den Städten aus den bodenständigen Gegebenheiten durch die bürgerlichen Steinmetze herausbildete. Durch kriegerische Auseinandersetzungen, Epidemien und durch das Anwachsen der handwerklichen Gewerbe sahen sich die Stadträte veranlasst, den Bewohnern der Stadt durch Brunnen und Öffentliche Wasserleitungen reichlich gutes und frisches Wasser zuzuführen. Gewöhnlich speiste jede Wasserleitung einen Brunnen, der aber oft eine Abzweigung für gewerbliche oder private Zwecke hatte. Die Leitungen waren aus Holz und mussten von der Quelle zum Brunnen ein Gefälle haben, weil Pumpwerke noch nicht bekannt waren.

Die Einordnung der Brunnen in das Gesamtbild der Stadt "geschah in einem vegetativen Rhythmus, nicht nach axial-symmetrischer Anordnung" 46). Wegen ihrer besonders reichlichen und sorgfältigen Gestaltung und Formung wurden diese Brunnen häufig "Schöne" und "Hübsche Brunnen" genannt. Die Formung der Brunnen geschah durch die Bauhütten der großen Stadtpfarrkirchen oder durch Zünfte der Stadt.

Die vielen verschiedenen gotischen Brunnen entstanden aus vier Grundtypen:

1) und 2). Diese beiden Grundformen entstanden am Ziehbrunnen. Die erste Form ist der zweischenklige, die zweite Form der dreischenklige Aufbau über dem Brunnenschacht, an dem sich die Ziehvorrichtung befand.

3) Die einfachere Form des Laufbrunnens ist der Fialen-Pfeiler, aus dem das Wasser in ein meist längliches Becken fällt. Die Brunnensäule ist meist mit einer Einzelfigur geschmückt. Die Form lässt sich auf den "Löwen-Brunnen" in Nürnberg zurückführen.

4) Die letzte und am stärksten ausgearbeitete Grundform ist das vieleckige Brunnenbecken, in dessen Mitte der Brunnenstock steht. Der Stock ist zu einem fialenartigen Turm ausgestaltet, der nach spätgotischen Gesetzen konstruiert ist. Die Einzelheiten des Stockes in seinen Geschossen, Absetzungen, Baldachinen und Figuren sich die gleichen wie an den Strebepfeilern der Kirchen. Die Wirkung dieser Darstellungsform wird durch eine farbige Fassung noch gesteigert. Der älteste und bedeutendste Brunnen dieser Art ist der "Schöne Brunnen" in Nürnberg. (Abb. 15).

 

3.)  Die Form des Brunnens

"Die innerliche Folgerichtigkeit eines Kunstwerkes beruht auf den Beziehungen zwischen den Teilen und dem Ganzen. ... Die organische Geschlossenheit auf ein Maß, eine Verhältniszahl, kurz: auf einen rationalen Kanon zu bringen, ist seit dem Altertum das Ziel der Proportionslehren" 47). Auch der Formwille dieses Brunnenkünstlers strebte nach Symmetrie und Gleichgewicht, das sich auf ein geometrisches Schema bezieht .Der Künstler, der "die wohl gefügte, unverrückbare Ordnung des Universums veranschaulichen will", greift "... zu geometrischen, messbaren Endformen, ... wenn er den subjektiven Rausch eines noch unartikulierten Weltbefindens zu seinem Gestaltungsanlass nimmt“ 48).

Durch die Ausstattung mit Schmuckwerk werden die Schärfen und Grenzlinien des massiven Baukörpers abgeschwächt und es kommt so zu einer organischen Körperbildung. Als Grenzfall zwischen Bauwerk und Plastik kommt der Brunnen "der klaren, in sich ruhenden und nirgends über sich selbst hinausweisenden Formgestalt" 49) der Plastik am nächsten.

Der Schöpfer rechnete mit der Nah- und Fernwirkung des Werkes. Durch die stark übereinander liegenden Schalen tritt in der Fernwirkung eine starke Gliederung in tragende und lastende Zonen auf. Die gotisch geformten Beckenstützen lösen die scharfe Trennung auf und schaffen ruhige Übergänge. Die starke Vertikalitat des Brunnens geht jedoch dabei nicht verloren. Für die Nahwirkung sind die Profile und der Figurenschmuck der Beckenränder bestimmt. Dabei entstand ein Rundkörper, der umgangen werden will.

 

a)  Die Stilelemente

Seiner gesamten Form nach gehört der Brunnen auf dem Altstadtmarkt nicht zu den gotischen Brunnen. In der Grundform übernimmt er den Typus des antiken Brunnens mit übereinander liegenden, nach oben kleiner werdenden Schalen. Es ist jedoch nicht der einzige Brunnen aus dieser Zeit, der die Form des Schalenbrunnens wieder aufgreift. Auch der Schalenbrunnen auf dem Hagenmarkt von 1407 50), der Schalenbrunnen von Wernigerode und einige andere zeigen, dass der Schalenbrunnen in Norddeutschland sehr beliebt war und ein reiches Nachleben hatte.

Im Gegensatz zu den mittelalterlichen Brunnen greift jedoch dieser die antike Form der Schalen nicht auf. Der Rand ist bedeutend steiler und höher, wodurch die ganze Schale tiefer wird. Durch den hohen Rand wurde es möglich, die Schalen reichlich mit Schmuck zu versehen. Die Schalenform kann durch den Einfluss von Glockengießern entstanden sein, die in dieser Zeit viele steilwandige Taufbecken gegossen haben. Noch ein weiterer Unterschied besteht zwischen den antiken und diesen Brunnenschalen. Die antiken Schalen waren oft auf Überlauf gearbeitet. Der Überlauf, der den ganzen Brunnen mit einem glänzenden Wasservorhang verdeckte, ist künstlerisch reizvoller. Er stellte aber auch höhere Anforderungen an die Anlage. Ein starker Zu- und Abfluss musste vorhanden sein, wenn der Wasservorhang nicht dürftig wirken sollte. Auch musste die Anlage genau winklig ausgerichtet werden, damit das Wasser nicht nur an einer Seite ablaufen konnte. Diese Brunnen hatten in den südlichen Ländern meistens nur die Aufgabe, die Luft zu befeuchten und Kühle zu spenden.

Die Schalen des Braunschweiger Brunnens sind dagegen mit einzelnen Wasserdurchlässen versehen. Das Wasser läuft in Strahlen ab. Der Wasservorrat war für einen Überlauf nicht ausreichend, auch eignete sich der Strahl besser zum Füllen von Gefäßen. Die kesselartige Form der Schalen lassen sie als metallen erkennen.

Die Wasserdurchlässe, die zu Löwenköpfen geformt sind, sind ohne Zweifel römisch. Aber auch hier kann nicht behauptet werden, dass der Baumeister die Form einem römischen Brunnen abgesehen hat. An Ziergefäßen war der Ausguss nicht selten zu einem Löwenkopf geformt. Deshalb ist es auch möglich, dass der Löwenkopf auf dem Umweg über die Gefäße wieder an den Brunnen gelangen konnte.

Bei einer Aufgliederung des Brunnens in einzelne Stilelemente ist es jedoch nicht möglich, das Gesamtwerk in Einzelteile zu zerlegen und den verschiedenen Kunstepochen zuzuordnen. Er ist vielmehr in seiner Gesamtheit zu betrachten. Gehört der Brunnen auch nicht einem reinen gotischen Typus an, so ist er doch in seiner Gesamtheit vom gotischen Geist erfüllt. Der schlanke Aufbau eines Fialenbrunnens ist beibehalten und in sorgfältiger Umbildung zu einem Schalenbrunnen mit mehrfacher Wasserabgabe gestaltet.

Jede Schale ist nur um das notwendigste Maß gegenüber der oberen verbreitert worden und wahrt den Gesamtcharakter des schlanken Umrisses.

Der gotische Stil spiegelt sich am deutlichsten in dem Fialenabschluss über dem Oberbecken wieder. Bei einem Vergleich der heutigen Laterne mit der von Howaldt, die 1847 geschaffen wurde (Abb. 2 und 3), treten mehrere Unterschiede auf. Die Fialenpfeiler von Howaldt waren kürzer als heute. Dadurch wurde der Helm steiler und länger, denn die Kreuzblume an der Spitze sollte in der ursprünglichen Höhe bleiben. Der Ziergiebel zwischen den Fialenpfeilern war flacher; der Winkel an der Spitze des Helmdaches war größer als heute. Dadurch wurde die Höhe des Helmdaches betont. Auf den Helmstreben waren bedeutend mehr und kleinere Krabben angebracht. Das Helmmaßwerk war in drei Abschnitte gegliedert, in jedem Abschnitt befand sich ein Dreipass.

Kump fand eine neue Lösung für den Fialenabschluss. Die Pfeiler sind heute länger. Sie enden in einem Turm, der mit Wimperge 51) und Krabben verziert ist und an der Spitze mit einer Kreuzblume ab­schließt. Der Ziergiebel zwischen den Pfeilern ist mit einem Vierpaß an der Spitze und unter einem Bogen mit einem Teil eines Sechspasses geschmückt. Durch die Verlängerung der Pfeiler wird die Wirkung der Madonna in dieser Laterne verbessert. Der Giebel endet an der Spitze in einer Kreuzblume. (Abb. 49).

Das Maßwerk des Helmdaches wird aus einem offenen Dreipass in der Spitze gebildet, darunter ein geschlossener Dreipass, ein Vierpass und ein Fünfpass. Das Maßwerk hinter dem Giebel ist nur angedeutet. Die einzelnen Pässe setzen sich aus geschlossenen Innenkreisen und nicht aus Dreiviertelkreisen zusammen. Deshalb sind im Maßwerk keine Spitzbogen zu finden. Die Helm- und Giebelstreben sind mit Krabben versehen. Diese Krabben entsprechen der Form nach denen des 14. Jahrhunderts. Sie sind jedoch nicht in Blattformen ausgearbeitet sondern stilisiert. Das gleiche gilt für die Kreuzblumen an den Pfeilern, Giebeln und an der Spitze des Brunnens (Abb. 49 und 50). Insgesamt ist die Fiale mit 68 Krabben und neun Kreuzblumen geschmückt.

Ursprünglich hatte der Brunnen kein Steinbecken am Fuße der Säule (Abb. 1). Die Aufgabe des Steinbeckens, den notwendigen Wasservorrat die Senkrechte ist unterbrochen. Die Zeichnung von Heubach 52) zeigt einen anderen Wasserverlauf. Danach läuft das Wasser in Strahlen senkrecht untereinander ab, nur die Löwenköpfe des Mittelbeckens sind versetzt.

Die Senkrechten erscheinen hier gleichlang. Die als "große Senkrechte" bezeichnete Linie beginnt in der Kreuzblume des Fialenpfeilers und endet im großen Metallbecken. Sie wird nur im letzten Teil von einem Wasserstrahl gebildet. Die "kleine Senkrechte" beginnt am Zinnenkranz und endet im steinernen Becken. Sie setzt sich aus Wasserstrahlen, unterbrochen von einer Stütze, zusammen. Danach muss bei der Restauration von 1847 nicht nur die Fialenform, sondern auch die Wasserführung verändert worden sein.

 

c) Die mathematischen Grundlagen

Durch Triangulieren und Quadrieren von bestimmten Grundmaßen legten die Dombaumeister des Mittelalters die Proportionsverhältnisse des gesamten Bauwerkes fest. Das einfachste Verfahren ist das des Triangels, des gleichseitigen Dreiecks (Abb. 54). Durch Verbinden der Fußpunkte der Höhen entsteht ein kleines gleichseitiges Dreieck, dessen Seitenlänge 1 = ½ s ist, usw. Das Quadrat wurde in ähnlicher Weise behandelt, doch zeigt sich hier ein Unterschied zum Triangel. Das durch Verbinden der Seitenhalbierungspunkte entstandene kleinere Quadrat hat weder die halbe Seitenlänge des Ausgangsquadrates noch mit ihm gemeinsame Diagonalen, die im Quadrat an die Stelle der Höhen im Triangel treten (Abb. 52).


Aufriß / Quadratur und Triangulatur

Erst im zweiten konstruierten Quadrat trifft beides zu. Während die Triangulatur eine Seihe konzentrischer Figuren liefert, entstehen bei der Quadratur zwei Reihen. Da das Verfahren jedoch auf einer fortgesetzten Halbierung der Abmessung beruht, könnten die gleichen Ergebnisse auch mit einer passend eingerichteten Triangulatur ermittelt werden.

Die Quadratur gewinnt erst an Bedeutung, wenn eine "Schwenkung" vorgenommen wird, so dass zwei gleiche Quadrate zum Achteck verbunden sind (Abb. 53). Die Bedeutung liegt nicht in einer Erweiterung der Reihe der Quadrate, sondern in den in dieser Figur auftretenden gleichschenkligen Dreiecken (rot) mit einem Scheitelwinkel von 45°. Aus diesen Dreiecken lässt sich eine Triangulatur begründen, die auf den Grundlagen des gleichseitigen Dreiecks beruht. Diese so genannte Viertel = Triangulatur erweist sich als leistungsfähiger und praktischer. Im 13. Jahrhundert kam diese Proportionslehre in Deutschland zur systematischen Ausbildung und wurde in dem von Frankreich kommenden gotischen Baustil fast ausschließlich verwendet.

Grundriß / Quadratur und Triangulatur

Ein Schema für diese Triangulatur gibt Abb. 54. "In einem über der Basis AB beschriebenen Pi-Viertel= Dreieck ABC werden zunächst die Höhen CF, AB'  und BA' construirt (sic), sie schneiden sich in S' und haben die Fußpunkte F, B', A'. Durch die Verbindungslinie von A' mit B' erhält man ein neues 'Pi-Viertel= Dreieck, mit welchem ebenso verfahren werden kann; dabei entstehen die Fußpunkte F', A" und S" so wie die Gerade A"B"." 53)  Die Konstruktion kann nach oben und unten weitergeführt werden. "Daß die Größenverhältnisse der in der Triangulatur auftretenden gleichwertigen Abschnitte eine geometrische Reihe mit dem Exponenten 1 durch bilden, wie es auch in der Quadratur der Fall ist, zeigen folgende Überlegungen: Der Winkel ACB ist ein halber Rechter = Pi-Viertel. Das rechtwinklige Dreieck AB'C hat bei A ebenfalls einen solchen und bildet über der Diagonale AC = a ein halbes Quadrat. AB1 = B'C = A'C - a'= a-Halbe". Man findet die rechtwinkligen Dreiecke A'B"C, A"B" 'C, ... auf gleiche Weise a" = a' durch Wurzel aus 2 = a-Halbe, a“ = a" durch Wurzel aus 2 = a'Halbe  = a durch 2 mal Wurzel aus 2 und so weiter.

Die Dreiecke bilden demnach eine Reihe von Halbquadraten, wie sie als ganze Quadratur entstehen würden. Weil nun die Dreiecke ABC, A'B'C', A"B"C"... alle einander ähnlich sind, homologe Seiten von ihnen als gleiches Verhältnis haben, d. h. wenn AB = s, A'B'=s'=

All=BII=s1', die Proportion s : s' :s“:... = a : a' : a : ... besteht, so hat man auch s' = s durch Wurzel aus 2, s” = s-Halbe,  s“ = s durch 2 mal Wurzel aus 2 … und es sind somit die Grundlinien der bei der Triangulatur auftretenden Pi-Viertel = Dreiecke den entsprechenden Seiten von Quadraten, welche die Quadratur der Hauptbasis liefert, gleich." 54)

Am 20. Januar 1947 gelang es Kump, diese Gesetzmäßigkeit am Brunnen auf dem Altstadtmarkt festzustellen. Nach der Methode von Drach fand er heraus, dass im Aufriss des Brunnens alle wichtigen Punkte mit Hilfe der Pi-Viertel = Triangulatur konstruiert waren. Im Grundriss des Brunnens war vom Erbauer die Quadratur verwendet worden.

Danach bildet die Mittellinie des Brunnens im Aufriss (s. Abb. 56) vom Boden bis zum Kreuzblumenabschluss die Diagonale KN eines auf der Spitze stehenden Quadrates KLNO. Der Mittelpunkt M des Quadrates bildet den Mittelpunkt des Brunnens. Der Rand des mittleren Beckens bildet einen Teil der zweiten Diagonale LO. Das durch Schwenkung des Quadrates entstehende Achteck bestimmt mit der Sekante K'O' die Höhe der Helmstützen und die obere Fläche der Kreuzblume auf den Streben zwischen den beiden Stützen. Am Schnittpunkt der Sekante K'O' mit der Mittellinie KN entsteht der Punkt C. Im folgenden kleineren Quadrat ABOK befinden sich der Verlauf des Wassers und sämtliche Darstellungen des Brunnens. Eine im Punkt C konstruierte Triangulatur legt die wichtigsten Punkte im Aufriss fest. Entsprechend Abb. 54 bestimmt die Verbindungsstrecke AB den erdnächsten Punkt des unteren Metallbeckens und FN die Höhe des Steinsockels. S1 bestimmt die Höhe des ersten Beckenrandes, M(=S''), den Rand des zweiten Beckens und die Verbindungsstrecke A"'B"' den Rand des oberen Beckens. Der Punkt Sv legt den Abschluss des Zinnenkranzes fest. Die Verjüngung und die Tiefe eines Beckens wird im Wesentlichen durch den jeweiligen Halbmesser des Beckens bestimmt. Auch die Grundlinien der Darstellungen an den Becken, die Verzierungen der Beckenstützen und die Verzierungen des Steigrohres können durch die Triangulatur gefunden werden, indem verschiedene Figuren konstruiert werden, wie es in Abb. 54 farbig angedeutet worden ist.

Die Gesamthöhe des Brunnens vom Boden bis zur Windfahne wird bestimmt durch eine Parallele TV zu AC, welche die Strecke AK im Punkt Z schneidet. Eine zweite Triangulatur TUV im Punkt V bestätigt und erweitert die Konstruktion der Triangulatur ABC.

Im Grundriss (vergl. Abb. 55) ist der mittlere Durchmesser des Steigrohres das Ausgangsmaß für die Becken. Wird die Quadratur vom Mittelpunkt ausgehend konstruiert, so entspricht das Steigrohr dem einbeschriebenen Kreis des Quadrates q (in Abb. 55 rot). Das Quadrat q' ist notwendig zur Konstruktion des folgenden q“. Der Durchmesser des umschriebenen Kreises zu q'1 ist gleich dem Durchmesser des oberen Beckens. Die über den Seiten von q1' konstruierten gleichschenkligen Dreiecke mit einem Scheitelwinkel von 45  bestimmen in Punkt C einen Zwischenkreis (gestrichelt), dessen Halbmesser gleich dem Durchmesser des Mittelbeckens ist. Der Durchmesser des unteren Beckens ist gleich dem einbeschriebenen Kreis des Quadrates im Zwischenkreis. Der theoretische Halbmesser des Steinbeckens (Kreis dünn gezeichnet) ist gleich dem Durchmesser des unteren Metallbeckens.

Mit Hilfe der noch erhalten gebliebenen Maße des zerstörten Brunnens berechnete Kump 1947 die durch die Triangulatur gefundenen Maße. Die Differenz zwischen den berechneten und durch Konstruktion gefundenen Höhenmaßen betrug 3 cm. 55).  Welche Abmessungen im Einzelnen die Schlüssel für die Berechnungen waren, ist unbekannt. Von den Trümmern des Brunnens war das untere Metallbecken am besten erhalten, so dass diese Maße den Berechnungen zugrunde gelegt sein können.

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen sind:

Gesamthöhe des Brunnens bis zur Windfahne

8310 mm

Brunnenhöhe bis zum Kreuzblumenabschluss

7523 mm

Ab Boden bis Rand Mittelbecken = halbe Brunnenhöhe = R =

3760 mm

Ab Boden bis zum Rand großes Unterbecken =
S'N = Rmal einhalb mal Wurzel aus 2 = 3,76. 07071

2659 mm

Ab Boden bis Rand Oberbecken =
R-Halbe mal ¼ mal Wurzel aus 2 mal R
R-Viertel mal 1/8 mal Wurzel aus 8 mal R =

4815 mm

Ab Boden bis Abschluss Zinnenkranz = Rand Oberbecken =

Ein Achtel mal Wurzel aus 2 mal R

5482 mm

 

 

Im Grundriß:

 

Mittlerer Durchmesser des Steigrohres = A =

396 mm

Durchmesser des Oberbeckens = B =
A mal 2Wurzel2 =
396 mal 2,8284

1120 mm

(a)

Der Durchmesser des Mittelbeckens C verhält sich zum Durchmesser des Unterbeckens D wie 1 zu 2 = C durch D. Der Durchmesser des Unterbeckens konnte gemessen werden. Er betrug

 

 

1923 mm

Damit lässt sich C errechnen. C = D mal 1/2 l . V~2 = 1923 . 0,7071 =

1360 mm

(a)

Das Maß D wird bestätigt durch die Gegenrechnung
D = C mal Wurzel aus 2 = 1360 mal 1,4142 =

1923 mm

(a)

 

                                     Gegenüberstellung

Nach Winter                                                      Rechnerisch belegte
                                                                        ehemalige Originalmaße


Auch geometrische Beziehungen der Beckendurchmesser untereinander stellte Kump fest.

a) Konstruiert man mit den Durchmessern des Mittel- (CA) und Unterbeckens (BC) als Katheten ein rechtwinkliges Dreieck, so ist die Entfernung der Winkelhalbierenden CD auf die Hypotenuse gleich dem Durchmesser des Oberbeckens.

b) In einem rechtwinklig-gleichschenkligen Dreieck ABC mit dem Durchmesser des Mittelbeckens als Katheten BC und CA ist die Hypotenuse AB gleich dem Durchmesser des Unterbeckens.

c) Im rechtwinklig-gleichschenkligen Dreieck mit den Kathetenlängen BC und CA = Durchmesser des Unterbeckens ist der Durchmesser des Mittelbeckens gleich der Mittelsenkrechten CD auf die Hypotenuse.

d) In einem rechtwinkligen Dreieck, in dem der Durchmesser des Mittelbeckens = Kathete BC und der Durchmesser des Unterbeckens = Kathete CA ist, wird der Durchmesser des Oberbeckens bestimmt, wenn mit CA ein Kreisbogen um A auf die Hypotenuse AB geschlagen wird. Vom Schnittpunkt D wird ein Lot auf CA gefällt. Die entstandene Strecke DE ist gleich dem Durchmesser des Oberbeckens.

Trotz des strengen geometrischen und rechnerischen Aufbaus, der wie an diesem Brunnen der gesamten Gotik eigen war, wurden immer neue Formen geschaffen. Unter dem Schema auf mathematischem Grund, dem Gerüst und Struktursystem unterworfen waren, entstand etwas Lebendiges. Der künstlerische Einfall triumphiert durch Schönheit über ein strenges System.

 

4.)  Die neuen Figuren von Werner Kump

Obwohl das Verdienst um die Errettung des Brunnens unbestritten ist, obwohl der Restaurator nicht nur mit handwerklichem Können und großem Feingefühl gearbeitet und unwiederbringlich Verlorenes ergänzt hat, bedarf es ebenfalls einer Würdigung des figürlichen Schmucks. Die mittelalterlichen Figuren, Madonna und Evangelisten, waren verloren gegangen und es stellte sich Kump die Aufgabe, sie zu ersetzen. Er wählte nicht die Möglichkeit des Versuchs einer genauen Nachbildung der Figuren, die ohnehin unzulänglich gewesen wäre, sondern schuf diese Plastiken neu. Die Figuren tragen, von unten durch den Abstand vom Betrachter nicht wahrnehmbar, ein modernes Gesicht (Abb. 15 bis 207), deren Herbheit des Ausdrucks noch die Erinnerung an den entsetzlichen Krieg widerspiegeln.

Bei aller Schwäche der Einzelplastiken muss man diesen Weg als eine Möglichkeit der Gestaltung anerkennen, vor allem weil beim Anblick des Brunnens die Wirkung der Einzelfiguren zurücktritt und sie sich in Größe und Gestik sinngemäß in das Gesamterscheinen einordnen und so dem Erscheinungsbild treu bleibt.

5.)  Ein Vergleich mit dem "Schönen Brunnen" in Nürnberg

Der "Schöne Brunnen" in Nürnberg ist einer der ältesten und reichhaltigsten gotischen Brunnen in Deutschland. Die fast 19 m hohe Steinpyramide steht an der Nordseite des Hauptmarktes vor dem Rathaus. Aus einem achteckigen Wasserkasten steigt der mächtige Brunnenstock empor. "Er führt seinen Namen mit Recht, denn mit seinem reichen, durch Farbe und Gold gehobenen plastischen Schmuck, ist er der lebendige Ausdruck einer aus Kraftüberschuss entspringenden Formfreudigkeit." 58)  Der Brunnenstock ist nach den architektonischen Gesetzen des Sakralbaues konstruiert und geformt, und gleicht in seinen Stockwerken dem Turm einer gotischen Kathedrale. Die Stockwerke sind mit Maßwerk, Wimpergen, Fialentürmen, Krabben und Kreuzblumen geschmückt. 40 männliche Vollplastiken, von denen 24 unter Baldachinen an Strebepfeilern stehen, bringen die verschiedensten Themenkreise zum Ausdruck.

Auf dem Rand des Steinbeckens sitzen 16 Figuren in zwei Reihen. In der ersten Reihe sind die Philosophie und die sieben freien Künste dargestellt. Dahinter sitzen in einer zweiten Reihe die vier Evangelisten und vier Kirchenväter. In der dritten Figurenreihe in der unteren Etage des Brunnenstockes stehen 16 Figuren, die Wappenschilde tragen. Dargestellt sind die sieben Kurfürsten und die guten Helden. In der vierten Reihe im mittleren Stockwerk stehen Moses und sieben Propheten des Alten Testamentes. Im letzten Stockwerk befindet sich kein Figurenschmuck, es leitet über in die Spitze des Brunnens, die mit dem Wappen der Stadt Nürnberg versehen ist.

Unterscheidet sich der Braunschweiger Brunnen vom "Schönen Brunnen" in seiner Form, so erscheinen doch 28 der 40 Personen, die in Nürnberg dargestellt sind. Am Braunschweiger Brunnen fehlen die Philosophie, die sieben freien Künste und die vier Kirchenväter. Der Personenkreis ist in Braunschweig um das Römische Reich, die Landesherren, die Stadt, die Madonna und die vier Könige und sieben Propheten des Alten Testamentes erweitert. Auch eine Heiligenfigur, der der Brunnen geweiht war, ist am "Schönen Brunnen" nicht vorhanden. Der Ausdruck der Zeitgesinnung ist an beiden Brunnen gleich. Die Gegebenheiten zeigen, dass sie "...nicht nur in dem klaren, strengen Maßempfinden mittelalterlicher Dombauhütten, sondern auch aus dem Hochgefühl eines fest fundierten religiösen Lebens heraus geschaffen worden" 59) sind.

Am "Schönen Brunnen" wird das Wasser nicht zum Schmuckmittel gemacht. Es steigt nicht im Brunnenstock auf, sondern fällt am Fuße des Fialenturmes durch löwenkopfartige Speimasken, denen lange Röhren ins Maul gesteckt sind, in das steinerne Becken. Auch vom Beckenrand speien froschähnliche Tiere das Wasser in das Becken. Dadurch war dem Meister Heinrich Beheim d. Ä. der den Brunnen von 1386 bis 1396 erbaute, 60)  die Möglichkeit gegeben, den Stock ohne Rücksicht auf die Wasserführung nach streng architektonischen Gesetzen zu bauen. Mit der Wahl der Dreischalenform war dem Braunschweiger Meister schon eine feste Linie vorgeschrieben, die einen übergroßen Fialenaufbau nicht gestattete.

Während in Braunschweig der Brunnen immer freistand, wurde der "Schöne Brunnen" 1537 mit einem kunstvoll geschmiedeten Eisengitter versehen, um das Wasserbecken vor Verunreinigung zu schützen. Vier durch das Gitter herausragende Löffelrinnen ermöglichten die Wasserentnahme. Am Brunnen auf dem Altstadtmarkt befanden sich zu dieser Zeit noch bewegliche Tröge, die leichter gereinigt werden konnten als ein massives Steinbecken. Auch heute noch schützt das Gitter den "Schönen Brunnen" vor Verschmutzung und stört ein wenig die Gesamtwirkung des Brunnens.

 

C.  Der Brunnen in der heutigen Zeit

Seit der Erfindung der Wasserkunst 61) ging die praktische Bedeutung der Brunnen allmählich immer weiter zurück. Der Wasserbedarf der ständig wachsenden Stadt konnte von den Brunnen allein nicht mehr gedeckt werden, so dass nach anderen Versorgungsarten verlangt wurde. Im 19. und 20. Jahrhundert hat die zentrale Wasserleitung den Brunnen der Stadt ihre Aufgabe abgenommen. Auch werden die Brunnen nicht mehr von der ursprünglichen Quelle versorgt. Die Mehrzahl der Laufbrunnen erhält das Wasser aus der Versorgungsleitung der Stadt. Die Kunstbrunnen der vergangenen Jahrhunderte werden gepflegt und gehütet als sichtbare Zeichen einer kunstreichen Geschichte.

Es gibt heute zwei verschiedene Arten von Brunnen. Der Brunnen, der vom Wasserbauingenieur gebaut wird, dient ausschließlich der Wasserversorgung, und der Brunnen des Künstlers wird zur Zierde der Stadt geschaffen. Der Brunnen des Ingenieurs versorgt den des Künstlers, der das Wasser zum Schmuckmittel gestaltet.

Während an vielen alten Brunnen die Bildhauerarbeit als Krönung hinzutritt, ist heute die künstlerische Gestaltung das Bestimmende für ihn. Kaum ein Brunnen wird geschaffen, der keine Schmuckwirkung in sich birgt. Er wird geschaffen zur Verschönerung von Straßen und Plätzen.

In Parkanlagen hat sich noch eine andere Art von Brunnen durchgesetzt. In diesen meist großen Anlagen wird das Wasser als Masse zum Schmuckmittel gemacht. In diesen Wasserspielen springt das Wasser in vielen starken und feinen Strahlen hervor. Aus den Rundungen der Strahlen entsteht eine bewegte, gestaltete Form. Um den Wasserverbrauch möglichst niedrig zu halten, saugt eine Pumpe das Wasser aus dem Sammelbecken ab und presst es erneut in das Rohrsystem, so dass sich das Wasser ständig im Kreislauf befindet.

Aus dem reinen Zweckbrunnen entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte der kunstvolle Schmuckbrunnen. Die Verzierungen wandelten sich von den ideellen und volkstümlichen Formen zu den "natürlichen" Formen, wie Strahl und Vorhang.

Auch der Brunnen auf dem Altstadtmarkt schmückt "nur" noch den Platz, der einst der bedeutendste Markt der Stadt gewesen ist.


Verzeichnis der Fußnoten

1) Der Hanse waren 1370 schon 64 Städte beigetreten. 44 Städte waren der Hanse zugewandt, jedoch noch nicht förmlich in den Bund aufgenommen. Eine dritte Gruppe trieb zwar Handel mit den Kaufleuten der Hanse, hatte jedoch nicht die Absicht, dem Bund beizutreten. Hierzu gehörten die Städte Frankreichs, Englands und Skandinaviens.

Geografisch gliederte sich die Hanse in vier Quartiere mit je einer Hauptstadt. Lübeck war Hauptstadt der ganzen Hanse.

Erstes Quartier: Wendisches Quartier mit den Städten Lübeck als Quartierstadt, Kiel, Golnow, Wismar, Rostock, Stralsund, Hamburg, Bremen, Lüneburg, Stettin, Neustagard, Wisby.

Zweites Quartier: Städte in Niederlande, Westfalen und am Rhein. Dazu gehörten u. a. Köln, Daventer, Venlo Amsterdam, Utrecht, Emden, Dortmund, Duisburg, Münster, Bielefeld, Hamm.

Drittes Quartier: sächsische und märkische Städte, u. a. gehörten dazu: Braunschweig, Magdeburg, Halle, Goslar, Göttingen, Hannover, Erfurt, Breslau, Stendal, Brandenburg, Berlin, Frankfurt a. 0.

Viertes Quartier: preußische, livländische und einige russische Städte, u. a.: Danzig, Thorn, Eibingen, Königsberg, Riga, Reval. (Vergleiche Fischer, a. a. 0., S. 122 ff)

2) Gewisse Städte besaßen schon früh das Privileg, dass Handelswaren, die durch die Stadt gefahren wurden, in der betreffenden Stadt angeboten und verkauft werden mussten. Später wandelte sich das Recht, so dass die fremden Waren erst den Bürgern der Stadt zum Kauf angeboten werden mussten, bevor sie an andere Händler weiterverkauft werden konnten. Oft kam für den Fremden noch hinzu, dass er seine Waren nur unter Aufsicht eines Einheimischen verkaufen konnte. Die Stadt Braunschweig hatte damals auch ein Recht, dass keine Straßen um die Stadt herum führen durften. Für den Kaufmann bedeutete dies praktisch ein Straßenzwang.

3) In älterer Literatur wurde von Braunschweig als "Stadt der fünf Städte" gesprochen. Um 1250 bestand Braunschweig aus fünf Stadtteilen: Altstadt, Hagen, Neustadt, Altewyk und Sack. Jedes "Weichbild" hatte seinen eigenen Rat mit Verwaltung und Kasse. 1269 konnten sich die ältesten Stadtteile Altstadt, Hagen und Neustadt zusammenschließen und einen Gemeinen Rat bilden. Seit 1345 hatten auch die Stadtteile Altewyk und Sack ihre Vertreter im Gemeinen Rat. Trotz der gemeinsamen Verwaltung und Kasse blieben in den Stadtteilen noch lange der Rat und die Sonderfinanzverwaltung bestehen.

4) Die Münzrechte seiner Brüder Ernst und Ott blieben noch im Besitz der Fürsten. Erst 1400 wurden die restlichen Münzrechte von den Fürsten an den Gemeinen Rat der Stadt verpfändet, die vertraglich im Jahre 1412 in das Eigentum der Stadt übergingen. (Nach Bode, a. a. O., S. 54 ff)

5) Heinrich Mack, Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig vor 1374. Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte von Gierke, XXXII, 1889, S. 111 zitiert bei Fahlbusch a. a. 0., S. 2

6) Haenselmann, Chronik der Stadt Braunschweig, Bd 1, S 406,
zitiert bei Fahlbusch, a. a. 0., S. 11.

7) vergl. Anmerkung 3, Seite 8.

8) Venturini, a. a. 0, Bd. 2, S. 379

9) Heinz Gries, in Kump, a. a. 0., S. 48

10) Die "faule Mette" oder "Metze" war das größte Geschütz, das die Artillerie Braunschweigs je besessen hat. Es wog etwa 170 Zentner, zum Abfeuern der 7 bis 8 Zentner schweren Kugel wurden 28 kg Pulver benötigt. Die Kugel, meistens aus Stein, flog etwa 2 bis 3 km weit. Da das Geschütz jedoch auf Bohlen und nicht auf Rädern montiert war, konnte es nur schwer transportiert werden. Es wurde nur sehr selten abgeschossen und fast jeder Schuss ist von den Chronisten ausführlich notiert worden. 1786 wurde das Geschütz zersägt und das Metall zu kleineren Kanonen verarbeitet.

11) Kump, a. a. 0., S. 31 f., ohne Quellenangabe

12) Kump, a. a. 0., S. 32

13) Kump, a. a. O., S. 32

14)  Sack, a. a. 0., S. 22

15) Gries, in Kump, a. a. O., S. 50

16) nach Sack, a. a. 0., S. 12

17) nach Sack, a. a. O., S. 13

18) nach Sack, a. a. 0., S. 13 ff.

19) nach Fahlbusch, a. a. 0., S. 96 ff.

20) Der Brunnen wurde 1951 aus der Mitte des Marktes wieder versetzt und an der Stelle errichtet, wo er von 1408 bis 1847 gestanden hat.

21) a)  Fahlbusch, a. a. 0., S. 148

b)  In dieser Zeit wurde die Pfund-Währung und die Mark-Währung gleichzeitig benutzt. Ein Pfund (Silber) unterteilte sich in 20 Schillinge oder Solidi; ein Schilling, auch Groschen genannt, in 12 Pfennige. Eine Mark unterteilte sich in 4 Ferding = 16 Lot = 64 Quentin. Bei Umrechnungen galt ein Pfund = 240 Pfennige, eine Mark = 360 Pfennige. Die Pfund-Währung wurde ausgewogen, die Mark-Währung ausgezählt. Der Einfachheit halber wurden die Beträge auf Pfennige umgerechnet, wenn Unterteilungen des Pfundes oder der Mark in den Quellen angegeben wurden.

c)  Ein Zentner hatte nach Dürre 114 Pfund oder 53,271 kg. (Fahlbusch a. a. 0., S. 149, Anm. 1)

22)  Fahlbusch, a. a. 0., S. 148, Anm. 2

23)  Der heutige Brunnen wiegt etwa 11 t. Bei den 25O Zentnern wurde die Abfallmenge mitgerechnet, die beim Guß und Nacharbeiten der vielen Einzelteile größer ist als bei den drei Becken.

24)  nach Fahlbusch a. a. 0., S. 96 und Ebeling, a. a. 0., S. 239

25)  nach Sack, a. a. O. Die Gödebrunnen und Wasserleitung zu Braunschweig

26)  Westermann-Plan von Braunschweig, Braunschweig, 1963

27)  Schiller, a. a. 0., S. 172

28)  Sack, a. a. O., S. 25

29)  Kump, a. a. O., S. 13 f

30)  Kump, Professor Werner, geb. 1896 in Köln.
Humanist, Ingenieur, seit 1930 Metallbildhauer. Arbeitsgebiet: freie und angewandte profane und sakrale Kunst, Industrieberatung und industrielle Formgebung.

1930 bis 1941 freischaffender Künstler in Chemnitz und Sachsen. 1941 zur Durchführung künstlerischer Aufgaben der Stadt nach Braunschweig berufen. 1945 Reservator des Landes Braunschweig, Restaurierung des Braunschweiger Löwen. 1945 Restaurator der Stadt Braunschweig, Restaurierung des Brunnens. 1949 als künstlerischer Leiter einer Klasse für Metallgestaltung nach Wiesbaden berufen, seit 1961 wieder freischaffend in Wiesbaden. 1986 im Alter von 93 Jahren gestorben.

31) Kump a. a. O., S. 22

32) Kump, a. a. O., S. 30

33) Kump, a. a. O., S. 30

34)  Göderitz bei Kump, a. a. 0., S. 53. Vergl. Abb. 4

35) zitiert bei Volkmann, a. a. 0., S. 65

36)  Hoffmann, 10., a. a. O., S. 8 f

37) Kump, a. a. 0., S. 12 f

38)  Eine Zusammenstellung der Kapitelüberschriften und Verse, aus denen die Sprüche entnommen wurden, befindet sich im Anhang.

39)  Vergl. Abb. 7-14 im Anhang

40) g = geistlich, Erzbistum

41) w = weltlich, Königreich, Herzogtum

42)  Hoffmann, 10. a. a. 0., S. 263 f

43)  Woermann, 22, a. a. 0., S. 523

44)  Karlinger, a. a. O., S. 57
45)  Karlinger, a. a. O., S. 100

46) Schmitt, a. a. 0., S. 1278 ff

47) Hofmann, 10 a. a. O., S. 237

48) Hofmann, S.89

49) desgl. S. 85

50)  Von diesem Brunnen gibt es keine Abbildung. Nach Sack (a. a. 0. S. 25 f) stand der Brunnen dort, wo heute der Steinbrunnen steht. Er bestand aus zwei Becken, von denen das untere aus Stein, das zweite aus Bronze war. An dem Metallbecken befanden sich sechs Wappen und zwei Bilder. Die Wappen der Stadt und der Fürsten von Braunschweig und Lüneburg waren noch zu erkennen. Außer den drei weiteren Wappen war ein Bild unkenntlich. Auf dem zweiten Bild war die heilige Katharina mit der ihr geweihten Kirche am Hagenmarkt dargestellt. Außerdem befand sich ihr Abbild noch einmal in einer Laterne an der Spitze des Brunnens. An der Brunnenspitze war ebenfalls eine Windfahne mit dem Stadtwappen befestigt. Einer Inschrift nach wurde der Brunnen 1570 vergoldet. Im März 1814 wurde das 70 Zentner schwere Becken eingeschmolzen. Das Material wurde zur Herstellung von Kanonen verbraucht.

51)  Wimperge sind diejenigen Giebel gotischer Bauwerke, welche über Tür- oder Fensteröffnungen angebracht, von zwei Fialen (Spitztürmchen) flankiert, an den Giebelseiten mit Krabben (Kriechblätter) besetzt, in den Giebelfeldern glatt oder mit Maßwerk versehen und an der Spitze mit einer Kreuzblume oder Statue geschmückt sind.

52) Abb. 2. Die Zeichnung zeigt beim Vergleichen mit Fotografien, die nach dem ersten Weltkrieg aufgenommen wurden, keine Unterschiede.

53)  Drach, a. a. 0. S. 6

54) Drach, a. a. O. S. 6

55) Kump, a. a. 0. 25

57) nach Kump a. a. 0. S. 26

58) Rèe, a. a. 0. S. 55

59) Kump, a. a. O. S. 15

60) nach Kump, a. a. 0. S. 12

61) Die Wasserkunst entstand im 16. Jahrhundert und ist ein Pumpwerk, das nach dem Prinzip einer Druckpumpe arbeitet. Die Flüssigkeit wird über ein Saugventil durch den Kolben angesaugt und tritt bei dessen Rückgang durch ein Druckventil in die Druckleitung. Die Wasserkunst wurde durch ein Wasserrad getrieben und drückte das Wasser in hoch liegende Bottiche, von wo es mit natürlichem Gefalle durch die Leitungen zu den einzelnen Zapfstellen floss.


Verzeichnis der Fußnoten

1) Der Hanse waren 1370 schon 64 Städte beigetreten. 44 Städte waren der Hanse zugewandt, jedoch noch nicht förmlich in den Bund aufgenommen. Eine dritte Gruppe trieb zwar Handel mit den Kaufleuten der Hanse, hatte jedoch nicht die Absicht, dem Bund beizutreten. Hierzu gehörten die Städte Frankreichs, Englands und Skandinaviens.

Geografisch gliederte sich die Hanse in vier Quartiere mit je einer Hauptstadt. Lübeck war Hauptstadt der ganzen Hanse.

Erstes Quartier: Wendisches Quartier mit den Städten Lübeck als Quartierstadt, Kiel, Golnow, Wismar, Rostock, Stralsund, Hamburg, Bremen, Lüneburg, Stettin, Neustagard, Wisby.

Zweites Quartier: Städte in Niederlande, Westfalen und am Rhein. Dazu gehörten u. a. Köln, Daventer, Venlo Amsterdam, Utrecht, Emden, Dortmund, Duisburg, Münster, Bielefeld, Hamm.

Drittes Quartier: sächsische und märkische Städte, u. a. gehörten dazu: Braunschweig, Magdeburg, Halle, Goslar, Göttingen, Hannover, Erfurt, Breslau, Stendal, Brandenburg, Berlin, Frankfurt a. 0.

Viertes Quartier: preußische, livländische und einige russische Städte, u. a.: Danzig, Thorn, Eibingen, Königsberg, Riga, Reval. (Vergleiche Fischer, a. a. 0., S. 122 ff)

2) Gewisse Städte besaßen schon früh das Privileg, dass Handelswaren, die durch die Stadt gefahren wurden, in der betreffenden Stadt angeboten und verkauft werden mussten. Später wandelte sich das Recht, so dass die fremden Waren erst den Bürgern der Stadt zum Kauf angeboten werden mussten, bevor sie an andere Händler weiterverkauft werden konnten. Oft kam für den Fremden noch hinzu, dass er seine Waren nur unter Aufsicht eines Einheimischen verkaufen konnte. Die Stadt Braunschweig hatte damals auch ein Recht, dass keine Straßen um die Stadt herum führen durften. Für den Kaufmann bedeutete dies praktisch ein Straßenzwang.

3) In älterer Literatur wurde von Braunschweig als "Stadt der fünf Städte" gesprochen. Um 1250 bestand Braunschweig aus fünf Stadtteilen: Altstadt, Hagen, Neustadt, Altewyk und Sack. Jedes "Weichbild" hatte seinen eigenen Rat mit Verwaltung und Kasse. 1269 konnten sich die ältesten Stadtteile Altstadt, Hagen und Neustadt zusammenschließen und einen Gemeinen Rat bilden. Seit 1345 hatten auch die Stadtteile Altewyk und Sack ihre Vertreter im Gemeinen Rat. Trotz der gemeinsamen Verwaltung und Kasse blieben in den Stadtteilen noch lange der Rat und die Sonderfinanzverwaltung bestehen.

4) Die Münzrechte seiner Brüder Ernst und Ott blieben noch im Besitz der Fürsten. Erst 1400 wurden die restlichen Münzrechte von den Fürsten an den Gemeinen Rat der Stadt verpfändet, die vertraglich im Jahre 1412 in das Eigentum der Stadt übergingen. (Nach Bode, a. a. O., S. 54 ff)

5) Heinrich Mack, Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig vor 1374. Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte von Gierke, XXXII, 1889, S. 111 zitiert bei Fahlbusch a. a. 0., S. 2

6) Haenselmann, Chronik der Stadt Braunschweig, Bd 1, S zitiert bei Fahlbusch, a. a. 0., S. 40611.

7) vergl. Anmerkung 3, Seite 8.

8) Venturini, a. a. 0, Bd. 2, S. 379

9) Heinz Gries, in Kump, a. a. 0., S. 48

10) Die "faule Mette" oder "Metze" war das größte Geschütz, das die Artillerie Braunschweigs je besessen hat. Es wog etwa 170 Zentner, zum Abfeuern der 7 bis 8 Zentner schweren Kugel wurden 28 kg Pulver benötigt. Die Kugel, meistens aus Stein, flog etwa 2 bis 3 km weit. Da das Geschütz jedoch auf Bohlen und nicht auf Rädern montiert war, konnte es nur schwer transportiert werden. Es wurde nur sehr selten abgeschossen und fast jeder Schuss ist von den Chronisten ausführlich notiert worden. 1786 wurde das Geschütz zersägt und das Metall zu kleineren Kanonen verarbeitet.

11) Kump, a. a. 0., S. 31 f., ohne Quellenangabe

12) Kump, a. a. 0., S. 32

13) Kump, a. a. O., S. 32

14)  Sack, a. a. 0., S. 22

15) Gries, in Kump, a. a. O., S. 50

16) nach Sack, a. a. 0., S. 12

17) nach Sack, a. a. O., S. 13

18) nach Sack, a. a. 0., S. 13 ff.

19) nach Fahlbusch, a. a. 0., S. 96 ff.

20) Der Brunnen wurde 1951 aus der Mitte des Marktes wieder versetzt und an der Stelle errichtet, wo er von 1408 bis 1847 gestanden hat.

21) a)  Fahlbusch, a. a. 0., S. 148

b)  In dieser Zeit wurde die Pfund-Währung und die Mark-Währung gleichzeitig benutzt. Ein Pfund (Silber) unterteilte sich in 20 Schillinge oder Solidi; ein Schilling, auch Groschen genannt, in 12 Pfennige. Eine Mark unterteilte sich in 4 Ferding = 16 Lot = 64 Quentin. Bei Umrechnungen galt ein Pfund = 240 Pfennige, eine Mark = 360 Pfennige. Die Pfund-Währung wurde ausgewogen, die Mark-Währung ausgezählt. Der Einfachheit halber wurden die Beträge auf Pfennige umgerechnet, wenn Unterteilungen des Pfundes oder der Mark in den Quellen angegeben wurden.

c)  Ein Zentner hatte nach Dürre 114 Pfund oder 53,271 kg. (Fahlbusch a. a. 0., S. 149, Anm. 1)

22)  Fahlbusch, a. a. 0., S. 148, Anm. 2

23)  Der heutige Brunnen wiegt etwa 11 t. Bei den 25O Zentnern wurde die Abfallmenge mitgerechnet, die beim Guß und Nacharbeiten der vielen Einzelteile größer ist als bei den drei Becken.

24)  nach Fahlbusch a. a. 0., S. 96 und Ebeling, a. a. 0., S. 239

25)  nach Sack, a. a. O. Die Gödebrunnen und Wasserleitung zu Braunschweig

26)  Westermann-Plan von Braunschweig, Braunschweig, 1963

27)  Schiller, a. a. 0., S. 172

28)  Sack, a. a. O., S. 25

29)  Kump, a. a. O., S. 13 f

30)  Kump, Professor Werner, geb. 1896 in Köln.
Humanist, Ingenieur, seit 1930 Metallbildhauer. Arbeitsgebiet: freie und angewandte profane und sakrale Kunst, Industrieberatung und industrielle Formgebung.

1930 bis 1941 freischaffender Künstler in Chemnitz und Sachsen. 1941 zur Durchführung künstlerischer Aufgaben der Stadt nach Braunschweig berufen. 1945 Reservator des Landes Braunschweig, Restaurierung des Braunschweiger Löwen. 1945 Restaurator der Stadt Braunschweig, Restaurierung des Brunnens. 1949 als künstlerischer Leiter einer Klasse für Metallgestaltung nach Wiesbaden berufen, seit 1961 wieder freischaffend in Wiesbaden. 1986 im Alter von 93 Jahren gestorben.

31) Kump a. a. O., S. 22

32) Kump, a. a. O., S. 30

33) Kump, a. a. O., S. 30

34)  Göderitz bei Kump, a. a. 0., S. 53. Vergl. Abb. 4

35) zitiert bei Volkmann, a. a. 0., S. 65

36)  Hoffmann, 10., a. a. O., S. 8 f

37) Kump, a. a. 0., S. 12 f

38)  Eine Zusammenstellung der Kapitelüberschriften und Verse, aus denen die Sprüche entnommen wurden, befindet sich im Anhang.

39)  Vergl. Abb. 7-14 im Anhang

40) g = geistlich, Erzbistum

41) w = weltlich, Königreich, Herzogtum

42)  Hoffmann, 10. a. a. 0., S. 263 f

43)  Woermann, 22, a. a. 0., S. 523

44)  Karlinger, a. a. O., S. 57
45)  Karlinger, a. a. O., S. 100

46) Schmitt, a. a. 0., S. 1278 ff

47) Hofmann, 10 a. a. O., S. 237

48) Hofmann, S.89

49) desgl. S. 85

50)  Von diesem Brunnen gibt es keine Abbildung. Nach Sack (a. a. 0. S. 25 f) stand der Brunnen dort, wo heute der Steinbrunnen steht. Er bestand aus zwei Becken, von denen das untere aus Stein, das zweite aus Bronze war. An dem Metallbecken befanden sich sechs Wappen und zwei Bilder. Die Wappen der Stadt und der Fürsten von Braunschweig und Lüneburg waren noch zu erkennen. Außer den drei weiteren Wappen war ein Bild unkenntlich. Auf dem zweiten Bild war die heilige Katharina mit der ihr geweihten Kirche am Hagenmarkt dargestellt. Außerdem befand sich ihr Abbild noch einmal in einer Laterne an der Spitze des Brunnens. An der Brunnenspitze war ebenfalls eine Windfahne mit dem Stadtwappen befestigt. Einer Inschrift nach wurde der Brunnen 1570 vergoldet. Im März 1814 wurde das 70 Zentner schwere Becken eingeschmolzen. Das Material wurde zur Herstellung von Kanonen verbraucht.

51)  Wimperge sind diejenigen Giebel gotischer Bauwerke, welche über Tür- oder Fensteröffnungen angebracht, von zwei Fialen (Spitztürmchen) flankiert, an den Giebelseiten mit Krabben (Kriechblätter) besetzt, in den Giebelfeldern glatt oder mit Maßwerk versehen und an der Spitze mit einer Kreuzblume oder Statue geschmückt sind.

52) Abb. 2. Die Zeichnung zeigt beim Vergleichen mit Fotografien, die nach dem ersten Weltkrieg aufgenommen wurden, keine Unterschiede.

53)  Drach, a. a. 0. S. 6

54) Drach, a. a. O. S. 6

55) Kump, a. a. 0. 25

57) nach Kump a. a. 0. S. 26

58) Rèe, a. a. 0. S. 55

59) Kump, a. a. O. S. 15

60) nach Kump, a. a. 0. S. 12

61) Die Wasserkunst entstand im 16. Jahrhundert und ist ein Pumpwerk, das nach dem Prinzip einer Druckpumpe arbeitet. Die Flüssigkeit wird über ein Saugventil durch den Kolben angesaugt und tritt bei dessen Rückgang durch ein Druckventil in die Druckleitung. Die Wasserkunst wurde durch ein Wasserrad getrieben und drückte das Wasser in hoch liegende Bottiche, von wo es mit natürlichem Gefalle durch die Leitungen zu den einzelnen Zapfstellen floss.


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desgl., Band 4, Die Kunst der älteren Neuzeit von 1400 bis 155O, Leipzig, 1924

 

 

Abbildungsnachweis

Abb. 1

Aus Sack, a.a.o., Tafel II

Abb. 2

Aus Heubach, a.a.o., Tafel I

Abb. 3

Aus Kump, a.a.o., Seite 27

Abb. 4 bis 14

Originale des Verfassers

Abb. 15 bis 20

Nach Fotografien von Kump, unveröffentlicht, aus der Akte „Brunnen“ des Hochbauamtes der Stadt Braunschweig

Abb. 21 bis 25

Originale des Verfassers

Abb. 26 bis 50

Nach Zeichnungen von Kump, unveröffentlicht, Hochbauamt der Stadt Braunschweig

Abb. 51 bis 54

Nach Drach, a.a.o., Tafel I bis III

Abb. 55 bis 56

Nach Kump, a.a.o., Seiten 23 und 25

Zeichnungen 1 bis 4 im Text der Arbeit

Nach Kump, a.a.o., Seite 26ff.

 


Anhang

Kapitelüberschriften der Heiligen Schrift und Verse, aus denen die Sprüche auf den Bändern der Figuren 1 bis 19 entnommen sind: 1)

1) Isaias,   Jesaja 35, 6

(Kap. 35) Zeitliche und ewige Freuden der Kirche Christi.

(V. 6) Alsdann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch und der Stummen Zunge wird Lob sagen. Denn es werden Wasser hin und wieder fließen, und Ströme in den Gefilden.

(V. 7) Und wo es zuvor trocken ist gewesen, werden Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnenquellen sein. Da zuvor die Schlangen gelegen haben, soll Heu, und Rohr und Schilf stehen:

2) Obdias. Joel 3, 23

(Kap. 3) Weissagung von der wunderbaren Ausgießung des heiligen Geistes; von der Beschützung der Kirche Gottes wider ihre Feinde, von dem jüngsten Tage, und von der ewigen Freude und Herrlichkeit der Auserwählten.

(V. 23) Zur selben Zeit werden die Berge mit süßem Wein triefen, und die Hügel mit Milch fließen, und alle Bäche in Juda werden voll Wasser gehen; und es wird eine Quelle vom Hause des Herrn heraus gehen, die wird den Strom Sittim wässern.

3) Samuel 1. Samuel 7, 12.

(Kap. 7) Die Lade des Herrn wird nach Kiriath-Jearim gebracht. Samuel richtet Israel, die Philister werden gedämpft.

(V 12) Da nahm Samuel einen Stein und setzte ihn zwischen Mizpa und Sen, und hieß ihn Eben-Ezer und sprach: Bis hierher hat uns der Herr geholfen.

4) Ezechiel. Hesekiel 47, 1

(Kap. 47) Der Ursprung und die Nutzbarkeit des Wassers, so aus dem Tempel geflossen, wird beschrieben; die Grenzen des heiligen Landes festgesetzt und eine gleiche Austheilung geboten.

(V. 1) Und er führte mich wieder zu der Thür des Tempels. Und siehe, da floß ein Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels gegen Morgen; denn die Thür des Tempels war auch gegen Morgen. Und das Wasser lief an der rechten Seite des Tempels neben dem Altar hin gegen Mittag.

(V. 9) Ja Alles, was darinnen lebt und webt, dahin diese Ströme kommen, das soll leben und soll sehr viele Fische haben; und soll Alles gesund werden und leben wo dieser Strom hinkommt.

5) Unbestimmbar

6) Elrzeus. Elyseus 2. Könige 2, 21

(Kap. 2) Ella wird im Wetter gen Himmel genommen; Elisa zerteilt den Jordan, macht böse Wasser gesund und flucht den spottenden Knaben zu Beth-El.

(V. 21) So spricht der Herr: Ich habe die Wasser gesund gemacht; es soll hinfort kein Tod noch Unfruchtbarkeit daherkommen.

7) Johel. Joel l, 20

(Kap. 1) Der Prophet stellt dem Volke Gottes den jämmerlichen Zustand des Landes unter Augen, er ermahnt die Priester, die Gemeinde zu versammeln, ein Fasten zu heiligen und mit bußfertigem Herzen den Herrn um Hülfe (sie) anzurufen.

(V. 20) Es schreien auch die wilden Tiere zu dir, denn die Wasserbäche sind ausgetrocknet, und das Feuer hat die Auen in der Wüste verbrannt.

8) Jeremias. Jeremia 9, 1

(Kap. 9) Jeremias schmerzliche Klage über die Sünde des Volkes nebst Drohung eines schrecklichen Unterganges desselben.

(V. 1) Ach, daß ich genug Wasser hätte in meinem Haupte, und meine Augen Tränenquellen wären, daß ich Tag und Nacht beweinen möchte die Erschlagenen in meinem Volke.

9) bis 13) Die Figuren waren zerstört; unbestimmbar.

14) Osea.  Hosea 13, 15

(Kap. 13) Klage Gottes über die anhaltende Abgötterei der Israeliten, nebst Ankündigung der göttlichen Strafgerichte, und verheißenem Trost, daß Christus sie aus der Hölle erlösen und sie vom Tode erretten wolle.

(V. 15) Denn er (der Trost) wird zwischen Brüdern Frucht bringen. Es wird ein Ostwind kommen; der Herr wird aus der Wüste herauf fahren und ihren (Israeliten) Brunnen austrockenen und ihre Quellen versiegen; und wird rauben den Schatz alles köstlichen Geräthes.

15) rex Salomon. Prediger 1, 7.

(Kap. 1) Salomo lehrt: Es ist Alles ganz eitel, selbst Weisheit dieser Welt.

(V. 7) Alle Wasser laufen in das Meer, doch wird das Meer nicht voller; an den Ort, da sie herfließen, fließen sie wieder hin.

16) Naum. Nahuin 1, 4.

(Kap. 1) Beschreibung der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Allmacht Gottes, nebst Drohung harter Strafe wider die Niniveter, zum Trost des Volkes Gottes.

(V. 4) (Es ist der Herr...) Der das Meer schilt und trocken macht und alle Wasser vertrocknet. Basan und Karmel verschmachten, und was auf dem Berge Libanon blüht, verschmachtet.

17) Moses. 2. Moses 15, 27.

(Kap. 15) Moses Lobgesang; Israels Reise in die Wüste Sur (bitteres Wasser), Ankunft in Elim.

(V. 27) Und die kamen in Elim (an), da waren 12 Wasserbrunnen und siebenzig Palmenbäume, und lagerten sich daselbst an's Wasser.

18) Abacuc. Habakuk 4, 15.

(Kap. 4) Habakuk bittet Gott, er wolle sein gefangenes Volk durch seine Barmherzigkeit erlösen; gleich wie er solches durch seine Allmacht schon vielfältig erwiesen habe; er fügt eine besondere Bitte an den König zu Babel bei, und tröstet sich der mächtigen Hülfe Gottes.

(V. 15) Deine Pferde gehen im Meer, im Schlamm großer Wasser.

19) David. Psalm 46, 5.

(Kap. 46) Die Kirche trotzt auf den mächtigen Schutz Gottes, welche der Herr zur geduldigen Erwartung seiner Hülfe ermahnt.

(V. 5) Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihrem Brünnlein, da sie heilige Wohnungen des Höchsten sind.

1) Quelle: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers, Hamburg, o. J.


Lexikon der am Brunnen erscheinenden Personen (nach Brockhaus)

Abacuc (Habakuk), einer der zwölf kleinen Propheten im A. T. Das Buch Habakuk wird entweder vor 612 v. Chr. oder in der Zeit Alexander d. Gr. angesetzt. Älteste Auslegung von Kapitel l f findet sich bereits unter den Handschriften von Ain Fekskha. Auch das Auftauchen des Habakuk in der Geschichte vom Drachen zu Babel spricht für seine Bedeutung im Judentum der Makkabäerzeit.

Alexander der Große, Sohn Philipps von Mazedonien, geb. 356, gest. 323 v. Chr. Er kam 336 auf den Thron, vernichtete 334 - 330 das persische Großreich, eroberte 332 Ägypten, wo er Alexandria gründete, drang 327 - 325 nach Indien vor. Alexander versuchte ein einheitliches abendländisch-morgenländisches Weltreich zu gründen. Da er keinen erwachsenen Nachfolger hinterließ, zerfiel sein Reich in die Reiche der Diadochen.

Artus, brit. Heerführer und König um 500, n. Chr., schützte sein Volk gegen vordringende Sachsen. Heldenhafter, aber unterlegener Verteidiger seiner Heimat, wurde zum glänzenden Vorbild tapferen Rittertums. Der Sage nach in einer Schlacht gegen seinen Neffen verwundet, von Feen im Wunderreich Avalon gepflegt, nicht gestorben sondern entrückt, er werde wiederkommen und sein Volk und Reich zu neuem Ruhm und Macht bringen. Zur Tafelrunde Arturs gehören nach Golfreds Darstellung tapfere Ritter aus verschiedenen Jahrhunderten, deren Taten die Sage mit Artus in Verbindung bringt.

Cäsar, Gajus Julius, 100 - 44 v. Chr., römischer Feldherr, gebildeter Redner und Schriftsteller, bildete 60 v. Chr. das 1. und 56 v. Chr. das 2. Triumvirat. Eroberte Gallien und Italien, folgte 48 v. Chr. dem fliehenden Pompejus nach Ägypten, war bis 47 v. Chr. Geliebter der Kleopatra. Unumschränkter Herrscher in Rom, konnte Mitkonsul und Senat ausschalten. 46 v. Chr. Neuordnung der Rechtsstellung der Gemeinden Italiens und Kalenderreform (Julianischer Kalender). Am 15.3.44 v. Chr. im Senat von Brutus und anderen erstochen. Cicero, politischer Gegner Cäsars, schrieb an einen Freund, das sei das gerechte Ende eines Tyrannen gewesen. Deshalb bezeichnet man diesen Mord auch als Tyrannenmord.

David, zweiter König von Israel, 1011 - 972 v. Chr., bewährte sich in den Philisterkämpfen. Verfolgt vom eifersüchtigen König Saul, musste er zu den Philistern gehen. Nach Sauls und Jonathans Tod salbte ihn der Stamm Juda zum König in Hebron, während die ostjordanischen Stämme dem jüngeren Sohn Sauls treu blieben. Nach dessen Ermordung vereinigte David die beiden Reiche Israel und Juda in Personalunion. Überführte die Bundeslade (die Gottesgegenwart darstellt) nach Jerusalem. Bei Lebzeiten an ihn knüpfende Hoffnungen haben die Israelische Religion bis in das Neue Testament stark beeinflusst. Schwäche gegenüber seinen Kindern brachte Unglück über ihn. Früh gealtert, ließ er Sohn Salomo unter Umgehung des älteren Sohnes Adonia zum König ausrufen. Auf Grund seiner Leichenlieder auf Saul und Abnea schreibt man ihm die Mehrzahl der Psalmen zu. Trotz Fehler Davids stellte seine Herrschaft ein goldenes Zeitalter Israels dar.

Elias, Prophet, Führer gegen Ahab, Isebel und Tybischen Baal für das alte und soziale Recht und die Alleinverehrung des Jahwe (Gott). Man übertrug auf ihn allerlei Legendenmotive (z. B. ihn speisende Raben), erzählte von seiner Entrückung im Feuerwagen und erwartete seine Wiederkehr als Vorläufer des Messias.

Elisias (Elisa), Israelit. Bauernsohn, den Elias vom Acker weg zum Prophetenamt rief. Legenden berichten von ihm Wunder und politisches Wirken, vor allem die Anzettelung der Revolution des Rehu.

Ezechiel (in der Vulgata und bei Luther Hesekiel). Der letzte der so genannten Großen Propheten, Sohn des Priesters Busi, wurde 597 v. Chr. mit König Jojachin nach Babylon deportiert, wahrscheinlich erst dort zum Propheten berufen. Wirkte in Babylon von 593 - 571 v. Chr. Um der religiösen Verworfenheit Jerusalems willen betont er die Notwendigkeit des Zusammenbruchs des Staates. Erst dann wäre die Bahn frei für Gericht über Nachbarvölker und Wiederherstellung Israels mit Neuordnung seines Tempelkults.

Gottfried von Bouillon, geb. 1060 n. Chr., gest. am 18.7.1100 in Jerusalem. Seit 1076 Herzog von Niederlothringen, nahm führend am 1. Kreuzzug teil. In Konstantinopel verhandelte er mit Kaiser Alexios I. Bei Erstürmung Jerusalems griff er entscheidend mit ein. Die Krone von Jerusalem lehnte er demütig ab und nannte sich "Herzog des Heiligen Grabes". 1099 schlug er den Sultan von Ägypten bei Askalon.

Hektor, Hauptheld der Trojaner, Sohn des Königs Priamos, Lieblingsheld der "Ilias", vielleicht in Theben heimisch gewesen, wo sich ein Grab von ihm befand. Gegenspieler des Achill, der ihn aus Rache für seinen getöteten Patraklos (Drache) im Zweikampf tötete. Hektors Leichnam wurde von Achill in die Stadt geschleift und gegen Lösegeld dem Priamos überlassen, der ihn feierlich bestattete.

Jeremias, um 65O v. Chr., innerlichster der alttestamentarischen Propheten, Sohn eines Priesters. Jeremias trat schon als Jüngling als Prophet in Anadoth und Jerusalem auf (um 627). Hatte er in seiner Jugend noch zur Buße aufgerufen, so verkündete er, nach schwersten inneren Kämpfen, unter Jorachin die Unmöglichkeit der Belehrung des Volkes und die Nutzlosigkeit der von ihm geübten Fürbitte. Jeremias war vom unabwendbaren Untergang des Staates und von der Notwendigkeit der Unterwerfung unter Babel überzeugt. Steht damit im Gegensatz zu den anderen Heil verkündenden Propheten. Jeremias wurde gefangen gesetzt und von einem königlichen Eunuchen befreit. Bekämpfte in Ägypten vergeblich die Abgötterei der geflüchteten Judäer; verschollen.

Jesaja, (in der Vulgata Isaias), einer der vier so genannten Großen Propheten des Alten Testaments. 738 berufen, wirkte etwa 701 v. Chr. in Jerusalem. Vor Israelisch-syrischem Angriff auf Jeda verhieß er Rettung für den Fall des unbedingten, auf menschlicher Hilfe und Bündnisse verzichtenden Vertrauens auf Jahwe. Warnte vor Politik der Bündnisse. Da aber auch Assyrien sich der Rolle des göttlichen Strafwerkzeuges unwert gemacht hatte, erwartete er 701 das Scheitern des Angriffs des Sanheribs auf Jerusalem, der auch abgeschlagen wurde.

Joel, einer der so genannten Kleinen Propheten des A. T. Jüngster unter den Propheten. In einer großen Dürre und schweren Heuschreckenplage sah er die Vorzeichen der letzten Zeit des "Jahwetages" mit allgemeiner Ausgießung des Geistes.

Johannes, Evangelist, Sohn des Zebedäus, galiläischer Fischer, Bruder Apostel Jakobus und Vetter Jesu. Mit Bruder Petrus war er Glied eines Kreises von Vertrauten innerhalb der Jüngerschar, nach dem Tode Jesu einer der drei "Säulenapostel" der Urgemeinde. Nach der schon im 2. Jahrhundert nachweisbaren altchristlichen Tradition hat Johannes später in Ephesus eine führende Stellung eingenommen und Schülerkreise um sich gesammelt. Im höchsten Alter unter Trajan gestorben. Gleiche Tradition schreibt ihm die unter dem Namen Johannes stehenden Schriften des Neuen Testaments zu. Nach katholischer Auffassung ist aus inneren und äußeren Kriterien zu schließen, dass Apostel Johannes der Verfasser des Evangeliums ist und dieses als historischen Bericht geschrieben hat. Die Forschung erkennt an, dass Johannes sein theologisches Gepräge dem Evangelium selbst verdankt, und dass dieser in der Schilderung der Taten und Reden Jesu dessen Göttlichkeit nachdrücklich herausheben will. Ob ältere Aufzeichnungen Grundlage des Johannes-Evangeliums bilden, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Durch einen Handschriftenfund mit Bruchstücken des Evangeliums ist festgestellt, dass das Evangelium gegen Ende des 1. Jahrhunderts vorlag.

Josua, Nachfolger des Moses. Das biblische Buch Josua schildert die Landnahme der Israeliten im Westjordanland. Es folgt dabei wahrscheinlich den Quellschriften des Pentateuch, (der jüdischen Thora). Das buch hat aber die endgültige Gestalt erst nach dessen Abschluss erhalten und ist nicht in den Kanon der Samaritaner gekommen. Das arabisch-samaritanische Buch Josua schildert die Ereignisse vom Tode Moses bis zur Zeit des römischen Kaisers Alexander Severus.

Judas von Makkabäus. Jüdischer Heerführer aus dem Geschlecht der Hasmonäer, leitete nach dem Tode seines Vaters den Befreiungskampf der Juden gegen den syrischen König Antiochus IV. und dessen Nachfolger. Er schlug die syrischen Feldherren in mehreren Schlachten und soll im Begriff gewesen sein, mit den Römern ein Bündnis abzuschließen, als ihn ein übermächtiges Heer zu einem neuen Kampf nötigte, in dem er 161 v. Chr. fiel. Bericht über seine Kriegstaten im ersten Makkabäerbuch ist geschichtlich treu, im zweiten Buche ist Sagenhaftes eingemischt.

Katharina von Alexandria, Märtyrerin im Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr., Patronin der Philosophen; gehört zu den 14 Nothelfern. Name und Verehrung sind erst durch die viel später entstandene Legende verbreitet worden. Vielleicht hat man fälschlich Katharina mit der von Eusebius ohne Namen erwähnten Bekennerin gleichgesetzt. Katharina besiegte und bekehrte angeblich in öffentlicher, vom Kaiser Maxentius berufener Disputation 50 heidnische Philosophen; sie wurde gerädert und enthauptet, ihr Leib von Engeln zum Berg Sinai gebracht. Gedenktag ist jeweils der  25. November. Sie gehört im Mittelalter zu den am häufigsten dargestellten weiblichen Heiligen.

Lukas, der Evangelist, heidnischer Herkunft, wohl aus Antiochien, hat Paulus auf seinen letzten Reisen begleitet. Weitere Lebensschicksale sind unbekannt. Die vielen medizinischen Ausdrücke weisen auf ärztlichen Beruf. Die spätere Legende hat ihn zum ungenannten Emmausjünger gemacht und als Märtyrer sterben lassen. Gedenktag ist der 18. Oktober.10. Weil Lukas als Wappen den Stier als Symbol bei sich hatte, konnte er zum Patron der Metzger werden; insbesondere ist er der Patron der Ärzte. Lukas stellt in seinem Evangelium die öffentliche Tätigkeit Jesu dar; er schrieb für Heidenchristen, dazu löst er die evangelische Geschichte von den mannigfaltigen Verflechtungen mit dem Judentum. Neue Forschung datiert Lukas-Evangelium um 80 n. Chr.

Markus, der Evangelist, stammt aus einer Jerusalemer Priesterfamilie und trat der Urgemeinde bei. Begleitete Barnabas und Paulus auf der ersten Missionsreise. Paulus weigerte sich später, ihn wieder mitzunehmen, was zur Trennung von Barnabas und Paulus führte. Später tauchte Markus im petrinischen und auch wieder in paulinischen Kreis auf. Die zuverlässige Papiasüberlieferung bezeichnet ihn als Dolmetscher des Petrus und Verfasser des Markus-Evangeliums. Nach der Legende soll er in Alexandria die Kirche gegründet haben und dort als Märtyrer gestorben sein. Seine Leiche soll im Mittelalter gewaltsam nach Venedig gebracht worden sein, dessen Schutzheiliger Markus ist. Gedenktag ist der 25. April. Das Evangelium ist das älteste und kürzeste. Es spannt das Leben Jesu in einen Jahreszyklus ein. Das Evangelium zeichnet sich aus durch zuverlässige historische Angaben und Präzision des Stils. Es ist vor 70 n. Chr. entstanden. Nach altchristlicher Überlieferung geht es auf die Lehrvorträge des Petrus zurück.

Matthäus, Apostel und Evangelist aus Galiläa, wo er am See Genezareth Zolleinnehmer war. Matthäus, der eigentlich Levi hieß, nahm als Jünger den Namen Matthäus an. Er verließ Palästina, um Heidenmission zu treiben. In späterer Zeit sind ihm verschiedene Martyrien angedichtet worden. Heiliger, Gedenktag ist der 21. September. Die erste Hälfte des Matthäus-Evangeliums ist nach einem klaren systematischen Plan gegliedert. Von Kapitel 14 folgt es genau der Ordnung Markus. Dieser bildete seine Hauptvorlage, in deren Rahmen der übrige Stoff eingebaut ist.

Moses, nach der Überlieferung der Stifter der Jahwe-Religion als Bund zwischen Gott und Israel, und Befreier der Israeliten (um 1225 v. Chr.) aus dem Stamme Levi. Moses wurde als neugeborenes Kind ausgesetzt, von einer Tochter des Pharao gerettet und von Jahwe mit der Herausführung seines Volkes aus Ägypten beauftragt, die er mit göttlicher Hilfe vollbrachte. Nach der Gesetzgebung am Sinai und einem 40-jährigen Wüstenzug eroberte er das Land östlich des Jordan. Er starb auf dem Berg Nebo. Auf die ihm zuteil gewordene Offenbarung wurden allmählich fast alle israelitischen Gesetze zurückgeführt und im Pentateuch zusammengestellt. Die Geschichte Israels lässt an der Geschichtlichkeit Moses keinen Zweifel. Er hat den aus Gosen ausbrechenden israelitischen Stämmen den Kult des eifersüchtigen, keinen anderen Gott neben sich duldenden Gottes von Sinai (Jahwe) als Volkskult übertragen und ist ihr prophetischer Führer gewesen.

Nahum, einer der 12 kleinen Propheten, dichtete 612 v. Ch. eine Dankliturgie auf den Fall von Ninive.

Obadja, (Obdias), ein nur durch das Buch Obadja bekannter kleiner Prophet im Alten Testaments. Die sehr kurze Schrift ist eine Spruch-Sammlung und wohl nach der Zerstörung Jerusalems (587 v. Chr.) entstanden. Sie verkündete das Heil Judas' und bedroht die Edomiter.

Hosea, (Osea), Israelitischer Prophet unter Jerobeam II und seinem Sohn (etwa 745 – 735 v. Chr.), wahrscheinlich Nordisraelit. Sein Buch steht an der Spitze der 12 Kleinen Propheten. Nach Hosea hat Israel zwei Hauptsünden begangen. Anstelle des Jahwe verehrte es in ausschweifender Weise die Baale und es hatte wider seines Gottes Willen ein Königtum geschaffen. Hosea wurde zum Propheten durch seine selbstverleugnende Liebe zu seinem Weibe, das er nach ihrer Untreue zurückkaufte: genau so liebte Jahve das abgefallene Volk. ER wird es durch Vertreibung aus dem Kultland vom Baaldienst lösen und sich mit ihm in der Wüste neu vermählen.

Salomo, König des Israel und Juda umfassenden Reiches (etwa 965 -926 v. Chr.). Salomo wurde von seinem Vater David noch zu seinen Lebzeiten eingesetzt. Nachrichten über seine Regierung sind teilweise durch Anekdoten erweitert. Durch den Ausbau von Grenzfesten, durch ausgedehnte diplomatische Beziehungen und Heiraten sicherte er den Bestand des Reiches. In der Überlieferung gilt Salomo als das Idealbild eines weisen und mächtigen Herrschers. Allmählich verlieh ihm die Vorstellung auch die Macht über das Dämonenreich, das er mit einem zauberischen Siegelring beherrscht.

Samuel, Prophet und Richter in Israel. Er stammt aus Rama und wurde von seiner Mutter dem Heiligtum in Silo geweiht. Seine Mitwirkung bei der Stiftung des Königtums Sauls wird verschieden dargestellt. Die beiden Bücher Samuels reichen von der Zeit Elis bis in die letzten Jahre Davids und enthalten wertvolle Reste vorexilischer Geschichtsschreibung.