Der Brunnen auf dem Altstadtmarkt
Foto: W.Grevecke
in Braunschweig
Erstellt als Examensarbeit zur ersten Prüfung für das
Lehramt an Volksschulen im Oktober 1963
Werner Grevecke
Gliederung
A. Die
Bedeutung der Brunnen im Mittelalter
B. Der Brunnen auf dem Altstadtmarkt in Braunschweig
I. Die
Geschichte des Brunnens von 1408 bis zur Gegenwart
1. Die Herstellung des Brunnens im Jahre 14O8
a) Braunschweig um 1400
b) Die Herstellung des Brunnens
2. Die weitere Geschichte des Brunnens
3. Die Vernichtung des Brunnens im 2. Weltkrieg und
die Wiederherstellung durch Werner Kump
II. Der
geistige Gehalt des Brunnens
1. Gesamtbeschreibung
2. Der Brunnen als Ausdruck seiner Zeit
3. Figuren und Darstellungen
a) Die Inschrift am Unterbecken
b) Die Prophetenreihe
c) Die Wappen am Mittelbecken
d) Ornamente und Einzelfiguren
III. Die Form
des Brunnens
1. Die bildende Kunst am Ende des 14. Jahrhunderts
2. Die Entwicklung der Brunnen bis etwa 150O
3. Die Form des Brunnens
a) Die Stilelemente
b) Der Wasserverlauf
c) Die mathematischen Grundlagen
4. Die neuen Figuren von Werner Kump
5. Ein Vergleich mit dem "Schönen Brunnen" in Nürnberg
C. Der Brunnen in der heutigen Zeit
A. Die Bedeutung der
Brunnen im Mittelalter
In allen Kulturen hing das Bestehen von Siedlungen
von der Wasserversorgung ab. Mit dem Anwachsen der Städte wurde auch die Sorge um frisches und sauberes Trinkwasser
immer größer, denn man hatte im Laufe der Zeit gelernt, daß sich nicht jedes Wasser als Trinkwasser für den Menschen eignete. Aus diesem Grunde begannen die Bewohner
nach Quellen zu suchen, die ihnen das benötigte Wasser in
ausreichenden Mengen lieferten. Reichten die vorhandenen Brunnen für die Bevölkerung einer Stadt nicht aus, baute man
Wasserleitungen, die das Wasser von entfernteren Brunnen an den wasserarmen Ort
beförderten. Als Beispiel für die Wasserversorgung in einer mittelalterlichen Stadt mag in
diesem Rahmen die Stadt Braunschweig gelten.
In Braunschweig gab es um die Wende des 14. zum 15.
Jahrhundert zwei Wasserleitungen. Wann diese Leitungen gebaut wurden, kann
heute nicht mehr genau ermittelt werden. Die älteste Leitung führte von Westen nach Osten. Die Quelle war der Jödebrunnen auf dem Gelände der ehemaligen
Jugendherberge an der alten Broitzemer Straße, heute Münchenstraße
vor der Autobahnbrücke. Die Leitung endete in den Brunnen auf dem Altstadt- und
Kohlmarkt. Die zweite Wasserleitung führte von Osten nach
Westen. Die Quelle, in alten Urkunden auch der "neue Brunnen"
genannt, lag ebenfalls außerhalb der damaligen Stadt, etwa auf dem heutigen
Gelände zwischen Wiesenstraße, Steinbrecherstraße und Jasperallee. Diese
Leitung endete in den Brunnen des Hagenmarktes und im Kirchhof der St.
Katharinenkirche. Die Brunnen lieferten Trinkwasser und standen allen Bürgern der Stadt zur Verfügung. Weitere öffentliche Ziehbrunnen, etwa 20, waren in den verschiedenen
Stadtteilen vorhanden, aus denen auch die Brauereien der Stadt versorgt wurden.
Außer den öffentlichen Brunnen waren
in der Stadt noch eine ganze Reihe privater Brunnen vorhanden, die meistens nur
von drei oder vier Familien benutzt und unterhalten wurden.
Für die Bewohner, die weit von Brunnenanlagen entfernt
wohnten, setzte der Rat der Stadt vereidigte Wasserfahrer und -träger ein, von denen die Bürger das Wasser kaufen
konnten. Die Benutzung der öffentlichen Brunnen war für alle unentgeltlich. Um den Wasserfahrern, die meistens
Nutzwasser transportierten, die langen Wege zu ersparen, erbaute man an der
Oker mehrere Füllhäuser, in denen sie ihre Fässer nachfüllen konnten.
Die Stadträte achteten sehr scharf
auf die Reinhaltung des fließenden Wassers. Wer Unrat und Abfälle in die Oker warf, wurde hart bestraft. Das Wasser aus den
Rinnsteinen der Straßen leitete man erst in so genannte
"Schlammkisten", wo das Wasser sich in natürlicher Weise filterte, bevor es in die Oker gelangte. Auch der
Schmutz, der sich mit der Zeit auf den Straßen und Plätzen der Stadt ansammelte, wurde an besondere Plätze gebracht.
Für die Frauen waren entlang der Oker mehrere
Waschstege gebaut, an denen sie ihre Wäsche bequem und mit
ausreichendem Wasser waschen konnten. Damit sollte vor allem verhindert werden,
dass die Wäsche in den öffentlichen Brunnen der Stadt gewaschen wurde.
Für die körperliche Reinigung der
etwa 14.000 Bewohner der Stadt Braunschweig gab es mehrere öffentliche Badestuben. Die Handwerker, die im Dienste des Rates
arbeiteten, erhielten wöchentlich zusätzlich zu ihrem Lohn
einen Badepfennig, damit sie die Badestuben besuchen konnten. Auch andere
Handwerksmeister zahlten ihren Gesellen diesen Badepfennig, so dass die Bademöglichkeit von vielen Bewohnern der Stadt ausgenutzt
werden konnte.
In kriegerischen Zeiten waren die Wasserleitungen
der Stadt durch ihre Lage außerhalb der Stadtmauern besonders stark bewacht.
Herzog Heinrich der Jüngere belagerte z. B. im Jahre 1550 die Stadt. Dabei
kam es zu einer Schlacht am Jödebrunnen im Westen der Stadt. Die Braunschweiger
wurden geschlagen. Da sich die Stadt aber nicht ergeben wollte, ließ der Herzog die Wasserleitungen zerschlagen. Etwas später ließ er auch die Oker hinter Eisenbüttel aufstauen, um den Braunschweigern das Wasser zu entziehen.
Der Plan misslang jedoch, der Damm hielt den riesigen Wasserdruck
nicht aus und brach, so dass es in der Stadt zu einer Überschwemmung kam. Wenn in der Stadt während der Belagerung auch kein ausgesprochener Wassermangel
herrschte, das Fehlen einer Leitung und das Versiegen des Okerwassers machten
sich in der Stadt doch stark bemerkbar.
Wie in vielen Städten, so bildeten sich
auch in Braunschweig unter den Benutzern Brunnengemeinschaften. An der Spitze
einer solchen Gemeinschaft stand der Brunnenmeister, der für Ordnung und Sauberkeit am Brunnen zu sorgen hatte und die Wasserfahrer
und Röhrenleger ("Piepenkerle") bei der Arbeit
zu überwachen hatte.
Der Tag der Brunnenreinigung, meistens an Johannis
oder Peter und Paul, war ein allgemeiner Festtag der Brunnengemeinschaften. An
diesen Tagen wurden oft große Gelage gefeiert, an denen sich auch der Rat der
Stadt mit großen Summen beteiligte. Außer diesen allgemeinen Festtagen, die mehr den öffentlichen Brunnen galten, wurden von den einzelnen
Brunnengemeinschaften noch mehrere kleinere Brunnenfeste innerhalb der
Nachbarschaft gefeiert.
Die verschiedenen Feste, die sich um den Brunnen der
mittelalterlichen Stadt gruppierten, die Sondereinrichtungen wie Schutzgitter
gegen Verunreinigung, Waschtröge und -stege, besondere Fischkästen und die harten Strafen für Verfehlungen an Brunnen
und fließenden Wassern machen deutlich, mit welcher Sorgfalt
die Brunnen als wichtigstes Lebensgut gehütet und verehrt wurden.
War es doch der gepflegte Brunnen, der den Bürgern das saubere und
gesunde Trinkwasser lieferte und damit vor Krankheiten schützte. Nicht selten wurde durch verunreinigtes Brunnenwasser eine
Epidemie über eine ganze Stadt verbreitet.
Bei Ausbruch eines Feuers hatten sich alle Bewohner
mit Eimern am Brunnen zu versammeln. Schnell wurde dann eine Kette gebildet und
das Wasser des Brunnens zum Brandherd befördert. Auch zur gründlichen Straßenreinigung wurde nicht selten das Wasser des
Brunnens verwendet.
So hat der Brunnen auf dem Marktplatz einer Stadt
alle die Verlangen erfüllen müssen, die heute an das
zentrale Netz der Wasserleitungen gestellt werden. Vom gesunden und reichlichen
Wasser eines Brunnens hing oft das Wohl einer ganzen Stadt ab.
B. Der Brunnen auf dem
Altstadtmarkt in Braunschweig
I. Die Geschichte des Brunnens von 1408 bis zur
Gegenwart
1. Die
Herstellung des Brunnens im Jahre 1408
a) Braunschweig um 1400
Am Ende des 14. Jahrhunderts war die Stadt
Braunschweig eine der bedeutenden Städte des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation". Nach der Matrikel des
Hanseatischen Bundes aus dem Jahre 1370 stand die Stadt nach Lübeck, Köln und Danzig an vierter Stelle der
Beitragszahlenden. Die Höhe der Abgaben an den Hanseatischen Bund richtete
sich nicht nach der Anzahl der Einwohner, sondern nach der Menge, die im Jahre
in der betreffenden Stadt verkauft wurde. Braunschweig war in dieser Zeit die
Hauptstadt des dritten Quartiers. 1)
Es war ein bedeutender Punkt des Warenaustausches.
Entscheidend für des Emporkommen der Stadt waren das schon im Jahre
1198 von Kaiser Otto IV., Sohn Heinrichs des Löwen, verliehene Privileg der
Zollfreiheit für das gesamte Römische Reich und das
Stapelrecht, das schon vor der Aufnahme in den Hanseatischen Bund ausgeübt wurde 2).
Die anfangs noch mächtigen Fürsten verloren durch die vielen Kriege und Erbfehden allmählich immer mehr Rechte an die Stadt. Oft konnten die Kriegszüge oder Lösegelder nicht aus den Kassen der Fürsten bezahlt werden. So borgten sich die Fürsten hohe Beträge beim Gemeinen Rat der Stadt und überließen diesem dafür bestimmte Rechte. Die
Herzöge Ernst und Magnus I. z. B. verpfändeten im Jahre 1345 ihren Anteil an der Vogtei in der Stadt,
ferner die Ansprüche auf die Stadtteile Sack und Alte Wyk für 690 Mark reinen Silbers an den Gemeinen Rat der Stadt
Braunschweig 3).
Im gleichen Jahr überließ Herzog Magnus dem Rat und der Bürgerschaft seinen Anteil
an der Münze für drei Jahre 4).
Fast alle an die Stadt Braunschweig verpfändeten Rechte gingen allmählich ganz in den Besitz
der Stadt über, weil die Fürsten die erforderlichen
Geldsummen nicht aufbringen konnten, die verpfändeten Rechte zurückzukaufen.
Im Jahre 1374 kam es in der Stadt zu einem Aufstand,
der furchtbare Folgen nach sich zog. Die Gelegenheiten, Rechte der Fürsten zu pfänden, mehrten sich. Das Geld für den Erwerb der Rechte versuchte der Rat der Stadt durch Erhöhung und Neueinführung verschiedener Abgaben von den Bürgern zu erhalten. Die Mehrzahl der den Gilden und Zünften angehörenden Bürger sahen sich durch die
übergroßen Abgaben belästigt, beschwerten sich vor den Herren des Rates über die Belastung und forderten eine Änderung dieses Zahlungssystems. Der Rat, der sich aus dreizehn
Patriziern zusammensetzte und den eigenen Vorteil oft vor die Interessen der
gesamten Bürgerschaft setzte, lehnte die geforderte Änderung des Abgabewesens ab und sann heimlich auf Rache. Während einer Ratsversammlung am 17. April 1374, zu der auch die
Leiter der Gilden und Zünfte eingeladen waren, wurden die Vertreter der Bürgerschaft als Aufwiegler gefangen genommen. Den Meistern gelang
es, die Bürgerschaft zu Hilfe zu rufen. Es kam zu einem
blutigen Tumult, der sich allmählich über die ganze Stadt
verbreitete, und in dem sich der seit langem aufgestaute Zorn über das ungerechte Abgabewesen entlud. Dabei wurden acht Bürgermeister enthauptet und ein Ratsherr, der das Volk beruhigen
wollte, auf dem Papenstieg erschlagen. Der übrige Adel wurde aus der
Stadt vertrieben.
Die Landesfürsten waren zu schwach,
um das Volk zu beruhigen und die Nachbarn der Stadt waren zu neidisch auf die
Vormachtstellung Braunschweigs, um dem Aufruhr entgegenzutreten. So wurden neue
Bürgermeister aus den Gilden und Zünften gewählt. Da der Aufstand sich auch gegen reiche
Kaufleute der Stadt richtete und bei den Kämpfen auch große Lagerhäuser von auswärtigen Kaufleuten zerstört worden waren, wurde Braunschweig noch 1374 aus der Hanse
ausgestoßen.
Durch das Ausbleiben des ausländischen Handels versiegten dem Rat der Stadt und den Bürgern die wichtigsten Einnahmequellen. Um die Stadt vor dem
Untergang zu bewahren, bemühten sich die Bürgermeister schon bald um
die Wiederaufnahme in den Bund. Erst 1380 konnte Braunschweig unter schweren
Bedingungen wieder in den Bund eintreten.
Nach der Wiederaufnahme in den Bund kehrte jedoch
der Handel nicht in dem Umfang nach Braunschweig zurück, wie er vor 1374 bestanden hatte. Von den Zuständen, wie sie sich nach dem Zusammenbruch von 1374 entwickelten,
sagte Heinrich Mack: "Nur ein Gutes hatten sie: die Reform von Grund aus
machten sie zur unabweislichen Notwendigkeit, und mit der Reform begann eine
neue und zwar die glänzendste Epoche in der Finanzverwaltung der Stadt
Braunschweig" 5).
Mit der Wiederaufnahme in den Bund kehrten auch die
Patrizier in die Stadt zurück. Sie übernahmen wieder die
Verwaltung der Stadt, doch die Schulden, die sich in den letzten Jahren stark
vermehrt hatten, lasteten schwer auf der Stadtkasse. Unternommene Versuche zur
Verminderung der Schulden führten nicht zum gewünschten Erfolg.
1386 wurde vom Rat eine Ordnung vorgeschlagen, die
auch den Gilden und der Bürgerschaft die volle Teilnahme an der Ratsgewalt
verbürgte. Zu den tüchtigsten Männern des alten Rates kamen nun die Vertreter der Gilden und Bürgerschaft. "Kein Zufall war es, dass erst diesem neuen Rat das Werk gelang, dessen Beginn, Fortgang und
Ende die "Heimliche Rechenschaft“ schildert. Und eben dieses Werk war erst
die vollkommene Sühne für das Unrecht von 1374
wie für alle früheren6). Missstände innerhalb der Stadt wurden aufgedeckt und
abgestellt, Kriege und Streit mit den Nachbarn vermieden, Unrentable
Besitzungen wurden verkauft und der Erlös für die Schuldendeckung verwendet.
Am Ende des Jahrhunderts hatte der Rat der Stadt
wieder genügend Mittel, fürstliche Rechte und
Besitzungen durch angenommene Verpfändungen zu bekommen. Es
machte sich unter den Patriziern der Stadt ein starkes Streben nach
Reichsunmittelbarkeit bemerkbar, weil sie die Abhängigkeit vom Landesfürsten als eine Ungerechtigkeit betrachteten. Herzog Friedrich, der
Erbherr der Stadt Braunschweig, hatte seinen Vormund Herzog Otto von Göttingen aus Wolfenbüttel vertrieben und seine
Residenz dort aufgenommen. Friedrich strebte nach der deutschen Kaiserkrone,
wurde jedoch von Friedrich von Hartinghausen am 5. Juni 1400 in Klein-Englis
bei Fritzlar ermordet. Gegen den Urheber der Tat, Erzbischof Johann von Mainz,
der den Pfalzgrafen Ruprecht auf den deutschen Thron erheben wollte, begannen
Friedrichs Brüder Heinrich und Bernhard eine blutige Fehde.
Heinrich wurde gefangen und gegen ein Lösegeld von 37.000
Goldgulden entlassen. Diese Summe konnte Bernhard nur durch neue Verpfändungen an die Stadt Braunschweig aufbringen. So kam die Stadt in
den vollen Besitz der Zoll- und Münzrechte7), in
die restlichen Eigentumsrechte des Weichbildes Sack und an den Gerichten Eich,
Wendhausen, Asseburg, Vechelde und Schöningen. Der Streit im Fürstenhause hörte jedoch nicht auf. Im Jahre 1409 kam es zu einer
neuen Landesteilung, wonach Heinrich das Lüneburgische und Bernhard
das Wolfenbüttelsche und Kalenbergische Land erhielten. Die Städte Braunschweig und Lüneburg gehörten ihnen gemeinsam. Dieser Vertrag war schon 1416 wieder ein
Streitobjekt, so dass er in diesem und in folgenden Jahren zu neuen
Landesteilungen führte.
Die Reichsunmittelbarkeit der Stadt war im Jahre
1402 fast erreicht. Der Rat der Stadt, der bei allen Gelegenheiten mit dem
kaiserlichen Hof in Verbindung zu kommen suchte, erhielt von Kaiser Rudolph II.
in diesem Jahr das Privileg, "daß zwei Personen aus dem
Rathe die Stelle der Stadt bei allen Gerichten vertreten durften, und im Jahre
1415 ward jenes Privilegium dahin ausgedehnt, daß Braunschweigische Bürger in peinlichen und Civilsachen bloß vor den Stadtgerichten belangt werden könnten"8).
In diese vorteilhafte Periode fällt nicht nur die Herstellung des Brunnens auf dem Altstadtmarkt. Die
Verbesserung des Gewandhauses, die Erweiterung und Verschönerung des Rathauses der Altstadt und vieler anderer städtischer Gebäude, die Verbesserung der Mühlen und der Befestigungen der Stadt lassen darauf schließen, dass der Gemeine Rat der Stadt nicht nur bemüht war, die Stadt von Schulden zu befreien. Die Bauwerke bezeugen,
dass der Rat sich ebenfalls bemühte, die Stadt zu verbessern und zu verschönern.
b) Die Herstellung des Brunnens
Über die Herstellung des
Brunnens sind keine Dokumente erhalten geblieben. Die Stadt war im 13. und 14.
Jahrhundert als Stapel- und Handelsplatz für Grubenerde und Metalle bekannt, die aus den Bergwerken des
Harzes herangefahren wurden. Kohlenmagazine befanden sich auf dem Kohlemarkte,
dem heutigen Kohlmarkt. Zur gleichen Zeit befanden sich "auf dem Bruche an
der Drallen Riede" 9), an einem Okerarm in der Umgebung des
heutigen Stadtbades, mehrere Treib- oder Gießhütten, die der Stadt gehörten. In diesen Hütten wurde das Metall gewonnen, das die Handwerker der Stadt für ihre Arbeiten benötigten. Am Anfang des 15.
Jahrhunderts stand die Braunschweiger Gießkunst in großer Blüte. 1407 wurde ein Brunnen für den Hagenmarkt gegossen, 1408 der Brunnen auf dem
Altstadtmarkt, 1411 die "faule Mette" 10) und einige
andere große
Geschütze bis
zum Jahre 1416. Aus der Zusammenstellung dieser großen Gießwerke lässt sich schließen, dass ein oder zwei Meister
die Hersteller der Werkstücke waren. In der Kanonengießerei der Stadt arbeiteten zu der fraglichen Zeit die beiden
geschickten Metallarbeiter Henning Bussenschutte und Bertold von Melverode, die
die "faule Mette" gossen. Von 1414 bis 1416 wurden mehrere große Geschütze von Hinrik Heysterbom
aus Göttingen
gegossen. Sack berichtet (a. a. 0. S. 75),
dass
Heysterbom das Geschütz gegossen habe, führt jedoch das Fehlen genauer "archivalischer
Nachrichten" an.
"Zu gleicher Zeit wurden von den Glockengießern Ludelof,
Vater und Sohn, in Braunschweig Bronzeglocken gegossen" 11).
Die Brunnen aus den Jahren 1407 und 1408 können von einem Meister hergestellt
worden sein, dessen Name wahrscheinlich unbekannt bleiben wird.
Urkundlich sind aus der Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts nur
die Treibhütten der Stadt bekannt, die vor den Toren der damaligen Stadt lagen.
Sacks Vermutung, dass in diesen Gießereien die Erze der Harzbergwerke
verarbeitet wurden, bestätigten die auf Kumps Veranlassung durchgeführten
Materialanalysen an den Resten des zerstörten Brunnens. Die Blei-Kupfer-Hütte
in Oker, wo die Untersuchungen gemacht wurden, teilte am 9.11.1946 mit: "Das
Brunnenblei ist so genanntes "historisches Blei". Typisch ist sein
Gehalt an Antimon, Silber und Kupfer" 12). Am 7.7.1947 wurde
mitgeteilt: "Was das Herkommen des Bleis betrifft, so kann man aus dem
(höheren) Wismutgehalt mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen, dass das
verwendete Blei aus Rammelsberger Erzen stammt" 13). Insgesamt
wurden sieben Analysen durchgeführt, vier in der Blei-Kupfer-Hütte in Oker,
zwei in den Braunschweiger Hüttenwerken und eine in der Gießerei der MIAG
Braunschweig. Die Analysen geben nicht nur Auskunft über die Herkunft des
Materials, die Ergebnisse ließen auch Rückschlüsse auf die Herstellungstechnik
des Brunnens zu. Dass die Inschriften und Figuren nicht nachträglich
eingeschnitten oder mit den Becken zugleich geformt und gegossen waren, hatte
Sack 1841 schon festgestellt. Er schreibt: "Das Merkwürdigste sind nun die
zwei Reihen Inschriften und die dazwischen stehenden Rosetten der beiden
unteren Becken. Eine genaue Untersuchung ergibt, dass jeder Buchstabe einzeln
aus Blei gefertigt, nebst den Rosetten auf eine Bleileiste genietet, diese um
die Becken geschlagen und durch Niete an denselben befestigt ist 14)“.
Die Ergebnisse der Analysen zeigten, dass Sack nur teilweise
recht hatte. Die genaue Untersuchung ergab, dass alle Wappen, Ornamente und Verzierungen in einfacher
Klempnerarbeit nachträglich auf die Becken aufgelötet waren. Die Buchstaben wurden einzeln geschnitten, auf Bleibänder gelötet und die fertigen Bänder in die vorgesehenen
Profilierungen eingelötet. Ohne Vorverzinnung des Grundes war die Schrift bis in
kleinste Zwischenräume mit dem Bleiband verbunden. Wie diese Technik möglich war, klärte das Schreiben der
Blei-Kupfer-Hütte
Oker vom 7.7.1947. Die Bänder waren aus Blei, die Buchstaben dagegen massiv aus Lötzinn. Da Lötzinn bei Erwärmung etwas früher flüssig wird als Blei,
haftet das Material bei sorgfältiger Erwärmung leicht und zuverlässig auf dem Bleigrund.
Noch eine weitere Schwierigkeit löste der Meister bei der Herstellung der Brunnenteile. Bisher war
man im Blei- und Zinnguss nicht über Gegenstände hinausgekommen, die mehr als drei Zentner wogen. Das dünne und weiche Steigrohr
des Brunnens allein konnte das große Gewicht der Schalen und des Helmwerkes nicht tragen. Der Gießmeister legte deshalb in
die Mitte der Brunnenteile schmiedeeiserne Armierungen von unterschiedlichen Längen und Querschnitten,
die völlig von
Blei umgossen
wurden. Bei der Restaurierung um Jahre 1847 wurden diese eisernen Stützen bereits
festgestellt. Die eiserne Armierung gab dem Werk die nötige Festigkeit und
verhinderte das Durchsacken der übereinander angebrachten Becken. Das vollständige Stützwerk kam bei der
Einschmelzung der Brunnenteile im Jahre 1947 so erhalten zum Vorschein, wie es
1408 vom Gießmeister
eingearbeitet war.
Über die Beschaffenheit
der eisernen Stützen schrieb Gries, der die Analyse der Eisenteile durchführte: "Wie die
Reinheit des schmiedeeisernen Materials mit seinem äußerst geringen
Kohlenstoff- und Schwefelgehalt beweist, ist das Material nach dem Rennverfahren
erschmolzen und das vorbereitete Eisenerz mit Holzkohle niedergeschmolzen. Dies
geschah in Gruben- oder Schachtöfen aus Lehm, Bruchsteinen oder Findlingen, die Rennöfen oder Rennfeuer
genannt wurden." Über die mögliche Herkunft des Materials gibt Gries keine Auskunft.
Schon vor der Aufstellung des Bleibrunnens im Jahre 1408 befand
sich ein hölzerner
Brunnenstock auf dem Altstadtmarkt. Dieser Brunnen hatte den gleichen Namen wie
die Quelle, die ihn speiste. Sein Wasser erhielt der Brunnen aus dem
"Joghetborne", einer Quelle, die heute noch tätig ist und auf dem Gelände der ehemaligen
Jugendherberge in Braunschweig an der damaligen Broitzemer Straße, heute Münchenstraße
liegt. Das Wasser wurde etwa 2.000 m weit "...durch sechs Fuß tief unter der Erde
liegende hölzerne
Röhren den
so genannten Pipenstieg herunter, neben dem Ant- oder Altfelde vorbei, durch
das hohe Thor, unter den über die Oker führenden Brücken hindurch, über die Sonnenstraße, dem Altenstadt- oder Kohlen-Markte zugeführt, und ... durch künstlich angelegte Brunnen
in die daran befindlichen Wasserbecken..." geleitet. Zum erstenmal wird
der Brunnen auf dem Markt in einem Kaufvertrag von 1345 erwähnt, in welchem der Zins
von Marktständen
gegenüber dem
"borne" verkauft wird. Die Wasserleitung wird erstmalig in einer
Kämmereirechnung der Altstadt aus dem Jahre 1354 erwähnt, wonach "3 1/2
Pfund Pfennige für Graben im Altefelde bei dem Joghetborne, 14 Schilling für 2 Wasserleitungen und
zwei Schillinge für Reparaturen der Wasserbehälter am Brunnen auf dem Altstadtmarkte ...“ angegeben wurden.
Aus einer Kämmereirechnung der Altstadt von 1388 geht die Beschaffenheit des
Brunnens deutlich hervor. Der Zimmermeister der Altstadt bekam damals für die Erneuerung einer
großen und
zwei kleinen Brunnensäulen 1 1/2 Schilling und dem Schmied, der die Säulen beschmiedete, wurden
4 gute Groschen ausgezahlt 18).
In den vorhandenen Kämmereirechnungen der Altstadt tauchen nun bis 1406 jährlich höhere Ausgaben für Reparaturen der
Wasserleitung und des Brunnens auf. Der Rat der Stadt scheint im Jahre 1401
eine gründliche
Ausbesserung des Brunnens beschlossen zu haben, denn 1402 beginnt man, für 40 Mark 10 Pfennig die
Quelle mit einer Mauer zu umgeben. 1403 werden die Holzröhren außerhalb der Stadt gegen
neue Bleirohre ausgewechselt. Innerhalb der Stadt werden die Rohre 1404
stellenweise ausgewechselt. Dafür wurden insgesamt 22 1/2 Mark ausgegeben, und 1405 wurden vom
Rat der Altstadt 91 1/2 Mark für Arbeiten am Brunnen ausgegeben19).
Der neue Bleibrunnen wurde an der Stelle aufgebaut, wo die hölzernen Brunnensäulen standen20).
Da die Abrechnungen der Altstadt aus den Jahren 1407 bis 1409
nicht erhalten sind, lassen sich die dem Rat entstandenen Kosten nicht mehr
genau ermitteln. Eine Vergleichsmöglichkeit jedoch ergeben die Kosten für die "faule
Mette" von 1411.
Das Geschütz kostete den Gemeinen Rat mit allen Unkosten, ohne Geschosse
und Pulver, 167 Mark 93 Pfennig und wog insgesamt 160 Zentner 21). Für einen Zentner Zinn mussten damals 2 1/2 Mark
gezahlt werden 22), für Blei ist wahrscheinlich der gleiche Preis gezahlt worden. Für 250 Zentner (je 114
Pfund) Material mussten 625 Mark bezahlt werden 23). Da dem Meister 90
Pfennige für
einen Zentner gegossenes Metall gezahlt wurden, erhielt er etwa 60 Mark für den Guss. Die Herstellung und
Montage der vielen Einzelteile des Brunnens erhöhten wahrscheinlich die Lohnkosten, so dass etwa 150 Mark Lohn für Meister und Gehilfen
gerechnet werden können. Dazu kommen noch die Unkosten für den Steinsockel und die
Transportkosten, so dass der Rat etwa 900 Mark für diesen Brunnen aufbringen musste. Ob dieser für die damaligen Verhältnisse besonders hohe Betrag allein von den Verwaltungen der
Stadt aufgebracht oder durch Spenden der Gilden, Zünfte und der Geistlichkeit
der Stadt bezahlt wurde, ist leider nicht bekannt.
Zum Vergleich: Von den Ausgaben für die Unterhaltung des Brunnens aus dem Jahre 1405 entfielen
etwa 64 % auf Löhne. Die meisten Arbeiter standen im Tagelohn. Ein Zimmermann
bekam pro Tag 11 Pfennig, wenn er in Kost bei der Stadt lebte, nur 7 Pfennig.
Ein Stein- oder Ziegeldecker mit einem Knecht erhielt 18 Pfennig, ohne Knecht
12 Pfennig; Handlangern und ungelernten Arbeitern zahlte die Stadt 5 Pfennig
pro Tag.
Ein Kleiderstoff für einen Herrenanzug aus farbigem Aachener Tuch kostete 30
Pfennig, der Machelohn für den Anzug 7 bis 10 Pfennig; ein Paar Schuhe kosteten 20 bis 24
Pfennig, eine Tonne Bier 135 Pfennig, ein Pfund Fleisch 1 bis 2 Pfennig, 100
Eier 20 Pfennig.
Die meisten Familien legten sich größere Vorräte an und stellten sich
ihre Nahrungsmittel teilweise selbst her, z. B. Brot und Fleischwaren 24).
Ursprünglich hatten alle Brunnen der Stadt den gemeinschaftlichen
Namen "joghetborne". Dabei war es gleichgültig, ob von den Quellen
oder von den Brunnensäulen gesprochen wurde. Allmählich bürgerte sich jedoch der Name "joghetborne" für Quelle und Brunnen auf
dem Altstadtmarkt ein. In den Büchern des Rates werden beide bis in die Mitte des 16.
Jahrhunderts mit diesem Namen bezeichnet. Dann taucht allmählich der Name
"Jugendborn" auf, der im Protokoll des Injurien-Prozesses von 1603 zu
finden ist. In einer Rechnung des "Hospitale Beatae Mariae Virginis",
aus dem das jetzige Waisenhaus hervorgegangen ist, aus dem Jahre 1661 findet man
die Bezeichnung "Jörtbrunnen". In dieser Zeit trennen sich die Benennungen. Während mit
"Jugendborn" der Brunnen auf dem Markt gemeint wird, bezieht sich der
Name "Jörtbrunnen"
auf die Quelle. Aus dem "Jörtbrunnen" wird am Ende des 17. Jahrhunderts der Name
"Gödebrunnen",
der sich bis in das 19. Jahrhundert
erhalten hat 25).
Aus der Bezeichnung
"Jugendborn" wurde der Name "Jugendbrunnen". Mit dem Namen
wurden um 1900 wieder Quelle und Brunnen gemeinschaftlich benannt. Die heutige
Stadtverwaltung bezeichnet in ihrem Schriftverkehr den Brunnen auf dem
Altstadtmarkt mit dem Namen "Marienbrunnen", die Quelle an der
Broitzemer Straße jedoch als "Jödebrunnen". Der Graben, der das
Quellwasser in die Schölke abführt, wird als "Jödebrunnen-Graben"
bezeichnet 26). Der Volksmund nennt den Brunnen auf dem Markt
entweder "Jugendbrunnen", "Marienbrunnen" oder ganz
schlicht "Brunnen auf dem Altstadtmarkt".
2. Die weitere Geschichte des Brunnens
Welche Restaurationen und
Veränderungen in den Jahrhunderten nach der Aufstellung des Brunnens im
Einzelnen vorgenommen wurden, ist nicht bekannt. Es ist wahrscheinlich, dass
die Laterne des Brunnens vom 16. bis 18. Jahrhundert mehrere Male ausgebessert
und verändert wurde. C. G. W. Schiller berichtet in seinem Buch 27) von
einer Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert, die anstelle des Maßwerkes am Helmdach
massive, mit Goldornamenten versehene Eisenplatten angibt.
Zu mehreren
Huldigungsfeiern wurde das Rathaus auf dem Altstadtmarkt gründlich aufgeputzt
und ausgebessert. Figuren bekamen Farbanstriche und Zepter, Kronen und Wappen
wurden vergoldet. Derartige Arbeiten wurden zu den Huldigungsfeiern 1616, 1731
und 1830 vorgenommen. Auch 1671 und 1784 wurden am Rathaus
Verschönerungsarbeiten gemacht, bei
denen auch Vergoldungen vorgenommen wurden. Wahrscheinlich wurde bei diesen
Arbeiten auch der Brunnen ausgebessert.
Dass der Brunnen im Laufe der Zeit viel von seinem
einstigen Aussehen verloren hatte, beschreibt Sack in seinem Buch von 1841 sehr
deutlich. Er schrieb damals u. a.: "Auf diesem (oberen) Becken ruhet in
einer ghothischen durchbrochenen Laterne eine kleine Schale, aus welcher noch
vor nicht langen Jahren das Wasser durch vier daran in die Höhe kriechende, eidechsenartige Thiere ausgespieen wurde. ... Die
Kuppel des Brunnens zierte noch im Jahre 1746 ein Muttergottesbild, wie aus dem
großen Beckschen Kupferstiche der St. Martini Kirche zu
sehen ist, so wie an der Spitze eine Fahne mit dem Stadtlöwen versehen, angebracht war. Beides ist bei irgendeiner
Gelegenheit abgenommen und nicht wieder ergänzt.
Nach seiner ersten Vorrichtung muss der Brunnen mit den schönen Bildwerken, den daran
befindlichen Eidechsen und Löwenköpfen, aus welchen nicht über-, sondern zwischen einander das klare Wasser herabfiel, um
sich im Becken zu sammeln, eine wahre Zierde des Altenstadtmarktes gewesen
sein. Die Länge der Zeit hat das oberste Becken unbrauchbar und
manche Verzierung daran schadhaft gemacht; eine baldige Restauration, wie
solche bereits dem steinernen Unterbau zu Theil geworden ist, und eine
Versetzung in die Mitte des Marktes, möchte den Nachbarn dieses
Brunnens, in dessen Umgebung sich die schönsten Gebäude aus dem Alterthume der Stadt befinden, sehr wünschenswerth sein" 28).
Die von Sack geforderte Restauration wurde 1847
ausgeführt. Bei dieser Gelegenheit wurde der Metallbrunnen
von seiner ursprünglichen Stelle auf die Mitte des Marktplatzes
versetzt. Die einfache Steinsäule aus Elmquadern wurde durch einen Sandsteinsockel
ersetzt und das ganze Bauwerk noch einmal mit einem achteckigen Steinbecken
umgeben. Mit den Steinarbeiten war der Architekt F. Uhlmann beauftragt. Die
Ausbesserungsarbeiten am Metallbrunnen führte der Braunschweiger
Bildhauer Howaldt aus. Howaldt fügte die verloren
gegangene Windfahne mit dem Stadtwappen wieder hinzu. Welche Teile er jedoch
getreu nach dem Original ausbesserte, ist unbekannt. Bekannt ist jedoch, dass er die Laterne, die Helmstreben und das Helmmaßwerk, die vier Evangelisten und die Muttergottes frei ergänzte. Howaldt hat lediglich nach seinem Gefühl, ohne Kenntnis der strengen Gesetzlichkeit des Brunnens
gearbeitet. Er ergänzte den Baldachin in der Laterne 11cm niedriger als
der Originalbaldachin gewesen ist. Die Folge war, dass die Madonna von dem Maßwerk der Wimperge erdrückt wurde.
"Die von Howaldt geschaffene Madonna war eine
so genannte 'schöne Sitzmadonna1, eine saubere, gekonnte
Arbeit seiner Zeit, aber ohne auch nur den Versuch eines Antastens an den
Brunnencharakter. Von den vier Evangelisten Howaldts ist keine Abbildung
bekannt" 29).
In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg hat sich der
Stadtbaurat Winter sehr viel mit dem Brunnen beschäftigt. Nach seinen Zeichnungen versuchte Kump 1946 den zerstörten Brunnen wiederherzustellen. Es stellte sich doch beim Vergleichen der Originalmaße mit den Zeichnungsmaßen Winters heraus, dass diese Zeichnung nicht zuverlässig war. Im Laufe der
Restaurierung wurde deutlich: Winter hatte die Absicht, den alten, vielleicht
wieder brüchig gewordenen Brunnen durch einen Brunnen aus
einem härteren Metall zu ersetzen. Die Zeichnungen waren bis
in Details fertig. Der Brunnen sollte bedeutend höher und der Wasserverlauf
sollte geändert werden. Der ganze Brunnen sollte in der Mitte
des Marktes auf vier oder acht etwa 30 cm hohen Löwenrücken ruhen, Auch sollte der Brunnen in sich gestreckt werden, was
den Gesamtcharakter völlig verändert hätte.
3. Die Vernichtung des
Brunnens im 2. Weltkrieg und die Wiederherstellung durch Werner Kump
Im Jahre 1943 wurde der
Brunnen mit Sandsäcken und einer Holzverschalung gegen die Sprengwirkung
der Bomben geschützt. Die Schutzhülle riss jedoch durch Witterungseinflüsse auf, und der Sand
konnte allmählich
abrieseln. In der schweren Bombennacht vom 14. zum 15. Oktober 1944, in der fast
die ganze Innenstadt Braunschweigs in Flammen aufging, entzündete sich auch die
Holzverschalung durch mehrere Stabbrandbomben und vernichtete den Brunnen bis
auf wenige Großteile.
Das Unterbecken blieb etwa zu zwei Dritteln erhalten, alle anderen Teile vom
Mittelbecken bis zur Laterne waren verschmolzen und für eine Restauration nicht
mehr zu verwenden. Die Laterne auf dem Oberbecken war völlig zerstört.
Nach dem Brand wurden die
Brunnenreste vom Steinsockel heruntergenommen und lagerten ungeschützt auf dem Marktplatz.
Erst im Winter 1944/45 wurden die Reste auf Veranlassung des Landeskonservators
Dr. Seelecke in das Innere der Andreaskirche auf dem Wollmarkt transportiert,
wo sie Ende Mai 1945 zwischen vielem Unrat aufgefunden wurden. Nach einer Bestandsaufnahme
und mehreren Gutachten über die Möglichkeit einer Wiederherstellung wurde
bereits am 26. Juli 1945, fast drei Monate nach Kriegsende, der Auftrag zur
Wiederherstellung des Brunnens an den Metallbildhauer Werner Kump vergeben 30).
Mit Hilfe eines kleinen Mitarbeiterstabes und einer
großen Anzahl freiwilliger Helfer gelang es Kump nach fünfjähriger, mühvoller Kleinarbeit, den
Brunnen am 4. Dezember 1951 den Bürgern der Stadt
Braunschweig zurückzugeben.
Die Zustände in der zerstörten Stadt machten es dem Restaurator in den ersten Wochen und
Monaten nach dem Kriege besonders schwer. Es fehlte an geeigneten Unterkünften, Werkzeugen und Materialien. Als im Oktober 1945 die
Brunnenreste aus der Andreaskirche in die ständig gegen Diebstahl
gesicherte Arbeitsbaracke gebracht werden sollten, musste festgestellt werden, dass mehrere
Zentner Brunnenblei gestohlen und wahrscheinlich als Altmaterial verkauft
worden waren.
Die einzigen Unterlagen, die bei der Erstellung der
Gutachten im Juni 1945 vorlagen, waren die großen Brunnenzeichnungen
Winters von 1913. Auf Grund dieser Zeichnungen fiel das Gutachten über die Möglichkeit einer getreuen Wiederherstellung des
Brunnens positiv aus. Beim Vermessen der Brunnenreste und Vergleichen mit
Winters Zeichnungen stellte sich heraus, dass die
Zeichnung nicht mit den wirklichen Brunnenmaßen übereinstimmte. Weitere Untersuchungen ergaben, dass Winter die bereits erwähnte Erneuerung vorgehabt
haben musste. Endgültige Klarheit brachte
eine später aufgefundene Wassermontagezeichnung Winters, in
der die eiserne Armierung anders eingezeichnet war. Diese Armierung wäre technisch in dem Bleibrunnen nicht möglich gewesen.
Nachdem die Winterschen Zeichnungen für die Restaurierungsarbeiten unbrauchbar waren, wurde jedes
erreichbare Foto gesammelt und mit Hilfe einer, von einem englischen Offizier
zur Verfügung gestellten, Fotoausrüstung eine fotografische Abwicklung des Brunnens hergestellt.
Rechnerisch und zeichnerisch tastete man sich an die Originalmaße heran und suchte dann nach einer neuen Lösung der Laterne, die 1847 von Howaldt frei ergänzt worden war.
"Anfang Januar 1947 wurden die für die Restaurierung errechneten Maße und die vorgeschlagenen
Brunnenergänzungen von Sachverständigen geprüft und als die wahrscheinlich bestmöglich befriedigende Lösung genehmigt. Diese zwar zustimmende, aber immerhin sehr
vorsichtige Formulierung veranlasste den mit
der Restaurierung Beauftragten zu Versuchen, die fachlich unbedingt zulässigen Zweifel an der Zuverlässigkeit der bisherigen
rechnerischen Bestimmungsmethode möglichst durch eine
bessere, kunstwissenschaftlich exakte Gewissheit zu
beseitigen" 31).
Im Januar 1947 gelang es Kump, die geometrische
Gesetzmäßigkeit am Brunnen nach der Methode von Drach
festzustellen. Ein halbes Jahr später waren alle
wesentlichen Punkte nach dieser Methode rechnerisch und zeichnerisch
"bestimmt und damit eine exakte Grundlage für eine
kunstwissenschaftlich maßgetreue Rekonstruktion des Altstadtmarkt-Brunnens
gewonnen" 32).
Als die zeichnerischen Arbeiten abgeschlossen waren,
taten sich dem Restaurator neue Schwierigkeiten auf. Die Beschaffung der vielen
notwendigen Materialien für Modellierung und
Guss musste gemacht werden. Dazu schreibt Kump: "In
jenen rauhen Tagen bewertete man im Volksmund die relative Sauberkeit getätigter Geschäfte schlicht nach der Oswaldtschen Weiß-grau-schwarz-Farbskala. Historische Zuverlässigkeit verpflichtet den Chronisten zu der Angabe, dass ausnahmslos alle für die Restaurierung des
Altstadtmarkt-Brunnens getätigten Beschaffungen - getreu der natürlichen Bleifarbe des Brunnenmaterials - vom prachtvollsten
Hellgrau bis zum tiefsten Dunkelgrau eingestuft werden müssen“ 33).
Nach der Währungsreform, als die
Industrie ihre Materialien verkaufen wollte, fehlte es der Stadt an Geld. Die
Gussarbeiten wurden notdürftig abgeschlossen, neue
Arbeiten wurden nicht vergeben. Vom 31. März 1949 bis 1. Mai 1950
ruhte die Restaurierungsarbeit völlig. Die restlichen
Arbeiten, Nacharbeit und Zusammensetzen der Einzelteile konnten im darauf
folgenden Jahr ausgeführt werden. Am 31. Mai 1951 konnten die Teile
montagefertig abgeliefert werden.
Noch im September wurde mit dem Zusammenbau des
Brunnens auf dem neu gesetzten Fundament begonnen. Damit kehrte der Brunnen aus
der Mitte des Marktes auf seinen ursprünglichen Standort zurück.
II. Der geistige Gehalt des Brunnens
1.
Gesamtbeschreibung
Nicht nur aus historischen, sondern vor allem aus
verkehrstechnischen Gründen versuchten die Stadtplaner, den Brunnen aus der
Mitte des Marktes wieder zu entfernen und ihn auf dem günstigsten Platz an einer Seite des Marktes zu errichten. Mit Hilfe
eines fahrbaren Gerüstes wurde dann der endgültige Platz in der Südost-Ecke des
Marktplatzes gefunden. Während der Brunnen bei einer Versetzung auf die
westliche Hälfte des Platzes durch die stark gegliederten
Elemente der Rathauses und der Martinikirche "in seiner Wirkung beeinträchtigt worden wäre, ... schien die Ostseite des Platzes einer
Bereicherung zu bedürfen, zumal hier durch eine optische Bindung an das
Gewandhaus auch diesem eine besondere Bedeutung gegeben werden konnte" 34)..
Der Brunnen hat die Form einer steilen Pyramide. Aus
der Mitte eines flachen, achteckigen Fußbeckens erhebt sich eine
runde und wenig profilierte Sandsteinsäule, auf der der
metallene Brunnen ruht. Die untere Metallschale liegt fast vollständig auf dem Sockel. Aus dieser Schale erwächst ein starker Stock, an dem zwei weitere, kleinere Schalen
lasten. Den Abschluss des Steigrohres bildet ein Zinnenkranz. Auf einem
Stützring unterhalb des Zinnenkranzes ruhen vier
Fialenpfeiler, die das Helmdach über dem Zinnenkranz
tragen. Die Spitze des Helmes wird von einer Kreuzblume abgeschlossen. Aus der
Mitte der Kreuzblume erhebt sich eine Windfahne mit dem Wappen der Stadt
Braunschweig.
Die vier Streben des Helmdaches sind mit Krabben
verziert und das Dach wird von gotischem Maßwerk gebildet. Unter dem
Helmmaßwerk befindet sich ein Baldachin, unter welchem die
Muttergottes mit dem Kind thront. Sie blickt nach Westen und sitzt in der Mitte
des Zinnenkranzes auf einem Podest (Abb. 5).
An den vier Fialenpfeilern, die den Strebepfeilern
von gotischen Kirchen gleichen, sind auf einem Podest und unter einem Baldachin
die vier Evangelisten in Vollplastiken dargestellt. Zwischen den Fialenpfeilern
kriechen vier drachenähnliche Tiere zum Zinnenkranz empor, die aus den
Rachen das Wasser in das obere Becken speien.
Die Becken sind im Vergleich zu anderen
Brunnenschalen bedeutend steilwandiger und tiefer. Das Wasser fließt durch vier Wasserdurchlässe in das darunter
liegende Becken. Die Schalen sind an den Außenwänden profiliert und an jedem Becken befinden sich zwei
verschiedene Verzierungen. Das obere Becken ist unter dem Rand mit einem
schmalen Blumenornament und einem breiten Rankenornament verziert. Das
Mittelbecken (Abb. 6) wird von 20 verschiedenen Wappen und den dazu gehörenden Namen geschmückt. Unter dem Rand am
Unterbecken befindet sich eine niederdeutsche Inschrift aus gotischen
Buchstaben, die biblischen Versen entnommen ist. Darunter sind in fein
geschnittenen Reliefbildern 19 Propheten, die Spruchbänder tragen, und die heilige Katharina mit ihren Attributen
dargestellt. Das Fußbecken aus Stein steht auf einer Stufe, und hat außer Profilen keine weiteren Verzierungen.
2. Der Brunnen als Ausdruck seiner Zeit
Das Wort Ulrichs von Hutten, "Die Natur ist
erwacht, es blühen die Studien" 35) galt für die Brunnenkunst des 14. und 15. Jahrhunderts uneingeschränkt. Versteht man unter "Natur" das Ausbilden der Zweckmäßigkeit in der Form, und unter "Studien" die Gestaltung
der Schmuckelemente, so sind dies die beiden wichtigsten Gesichtspunkte, unter
denen in dieser Zeit die Brunnen in Deutschland geschaffen wurden.
Während in Italien die künstlerisch gestalteten
Brunnen aufgrund des größeren Wasserreichtums auf Repräsentationsplätzen errichtet wurden, entstanden in Deutschland die
meisten auf Verkaufsmärkten. Bei den Schmuckbrunnen Italiens brauchten die
praktischen Anforderungen nur nebenher berücksichtigt zu werden. Bei
den deutschen Brunnen dagegen war die Zweckforderung dominierend, die auch
durch die Schmuckformen nicht verwischt werden konnte. Dies gilt auch für den Brunnen auf dem Altstadtmarkt in Braunschweig.
Der Markt als Treffpunkt vieler auswärtiger Kaufleute und Handwerker war in seinen Fluchtlinien schon
kunstmäßig festgelegt. Deshalb wurde auch für die Erstellung des Brunnens die dekorative Absicht treibend. Der
Reichtum an Schmuck auf dem Markt war das Zeichen eines starken städtischen Selbstbewusstseins und der Brunnen
hatte den Gesamteindruck des Marktes zu bereichern. Schon mehrere Schalen waren
das Zeichen für eine künstlerische Bereicherung.
Der Aufbau des Brunnens ist streng architektonisch und bezeichnet den Hochstand
des städtischen Gewerbes. In der ganzen Brunnenauffassung
spiegelt sich das gemeinschaftliche Schaffen von Architekt, Metallgießer, Bildhauer, Kirche und Stadtrat wider. Bildnerisch vollendet,
bringen die Schöpfer eine Fülle von Gedanken zur
Geltung, ohne dass der Brunnen einer Überladenheit zum Opfer fällt.
Der Schmuck des Brunnens hat einen sinnbildlichen
Auftrag. Man begnügt sich nicht mit der Darstellung "der vordergründigen, materiellen Tatsächlichkeit der Welt. Im
Abbild kommunizieren alle Dinge untereinander, im Sinnbild sind sie
'unmittelbar zu Gott1.
Alles ist nur Hinweis auf
den göttlichen Grund, der die
gesamte Gegenstandswelt - die Natur, den Menschen und seine Schöpfungen - trägt". Alle
dargestellten Dinge haben den Auftrag, "Zeichen 'für etwas’ zu
sein" 36). Das Streben der Bevölkerung nach der Unabhängigkeit von den
Landesherren, verwurzelt in einer tiefen religiösen Auffassung, wird in der ganzen
Zusammenstellung des Programms deutlich. Durch das Wappen der Stadt an der Spitze
wird der Brunnen Monument, der das Wahrbild eines stolzen Bürgertums bezeichnet.
3. Figuren und Darstellungen
Zur Bereicherung des
optischen Eindruckes ist der Brunnen mit vielen verschollenen Schmuckelementen
versehen. Der Künstler rechnet mit dem Betrachter und verhüllt den massiven Baukörper in einer dekorativen
Schmuckschicht, die den Anschein der Kostbarkeit erweckt. Durch die auf
optische Wirkung berechnete Oberfläche tritt eine besondere Spannung auf;
die Spannung zwischen Struktur und Oberfläche, die den Blick des Betrachters, je
nach Wahl des Standortes, auf einen bestimmten Sektor lenkt.
Der gesamte Baukörper tritt bei der
Betonung der einzelnen Schmuckzonen zurück und lässt jede Zone für sich wirken. Der Brunnen
ist in vier gleichstarke Schmuckzonen aufgeteilt. Die erste bildet das
Unterbecken mit der Inschrift und den Reliefbildern. In der zweiten Zone
befinden sich die Wappen des Mittelbeckens. Die Ornamente am Oberbecken bilden
die dritte und ruhigste Zone und unterstreichen die Wirkung des
Fialenabschlusses auf der Spitze des Brunnens, die als vierte Schmuckzone
betrachtet werden kann. Bei der Betrachtung des Brunnens wird das Ganze einem
flächenhaften Ausschnitt
geopfert.
Die Schmuckelemente sind hier selbständiger entwickelt als an vielen süddeutschen Brunnen, die
nicht selten noch größer sind als der Brunnen in Braunschweig. Wie bei
allen älteren Metallbrunnen ist das Schmuckwerk klein im
Verhältnis zum Ausmaß des Gesamtbrunnens.
Im Gegensatz zu späteren Kunstepochen
befindet sich kein figürlicher Schmuck am Mittelpfosten des Brunnens.
Dadurch wird seine Aufgabe, die Brunnenteile zu tragen, stark betont. Die
glatte Steinsäule und der gleichmäßig
profilierte Mittelpfosten lenken jedoch die Aufmerksamkeit des Betrachters ab
auf das Schmuckwerk des Fialenaufbaues und der Beckenränder. Die Bildwerke an Brunnen allgemein sind heiter und fröhlich, hier sind sie fast nüchtern und sachlich
gestaltet. Jede einzelne Figur wurde zum selbständigen Bedeutungsträger geformt und bringt eine begreifbare Körperlichkeit zur Geltung. Dabei liegt die Wirklichkeit in dem
bezeichneten Gegenstand, nicht in der Formgebung des Gegenstandes.
Bei der Ausschmückung des Brunnens hat
der Künstler seine Vorliebe für Reliefs stark entfaltet. Jede Figur wurde von dem an Hausrat gewöhnten Metallgießer bis in Kleinigkeiten sauber ausmodelliert. Die
Darstellungen lassen sich, obwohl sie nicht sehr groß sind, doch gut betrachten.
a) Die Inschrift am Unterbecken
Unter dem Rand des größten der drei
Becken befindet sich eine plattdeutsche Inschrift aus gotischen Buchstaben. Die
Inschrift besteht aus sieben Sätzen. Vor sechs Sätzen steht jeweils ein
Name aus dem Alten Testament, der letzte Satz nennt das Herstellungsjahr und
die Heilige, der dieser Brunnen geweiht wurde.
Die Namen: |
Die Sätze im einzelnen |
Die Namen deuten
jeweils an, wer das Zitat in der Bibel gesprochen hat. Die entsprechenden
Stellen in der Bibel lauten |
| david | |
des
waters i flot |
Dennoch
soll die Stadt Gottes fein lustig sein mit ihrem Brünnlein, (da die heiligen
Wohnungen des Höchsten sind) „Fließende Brunnen machen die Stadt Gottes
fröhlich.“ |
| elrzeus | |
sut hebbe yk se maket gar / |
(So spricht
der Herr:) Ich habe dies Wasser gesund gemacht; es soll hinfort kein (Tod
noch) Unfruchtbarkeit daher kommen. |
| salomon | |
alle wat i dat mer ga |
Alle Wasser
laufen in das Meer; (doch es wird das Meer nicht voller; an den Ort, da sie
herfließen, fließen sie wieder hin.) Prediger
1,7 |
| jesaja | |
we dorste de körne hir an |
Wohlan
alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser, (und die ihr nicht Geld habt,
kommet her und kaufet und esset, kommet her und kaufet ohne Geld und umsonst
beides, Wein und Milch). „Wer durstig ist, der komme hier heran.“ |
| elias | |
he
scloch de watere un entwe |
(Da nahm Elia
seinen Mantel und wickelte ihn zusammen, und) schlug in das Wasser, das
teilte sich auf beiden Seiten, (dass sie beide trocken hindurchgingen.) „Er schlug die Wasser und sie teilten sich auf
beiden Seiten.“ |
| samuel | |
hete wete i dosse dach / a. |
(Sie tun
dir, wie sie immer getan haben,) von dem Tage an (da ich sie aus Ägypten führte,) bis auf diesen Tag,
(und haben mich verlassen und haben anderen Göttern gedient.) „Von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Amen.“ |
"In souveräner - vielleicht auch
erstmaliger - Unbekümmertheit sind die lateinischen Sprüche des Vulgata-Textes in die niederdeutsche Sprache übertragen" 37). Im Jahre 1408 gab es noch keine
deutsche Bibelübersetzung. Die Verse der Bibel in niederdeutscher Sprache drücken die Zusammenarbeit von Kirchenherren und Brunnenbauern aus.
Hier lag das Bestreben vor, Gottes Wort nicht nur den Menschen, die die
lateinische Sprache beherrschten, darzustellen. Alle, die lesen konnten,
sollten die biblischen Sprüche am Brunnen verstehen.
Zugleich liegt aber auch eine Mahnung in dieser
Inschrift. Eine Stadt ohne Wasser ist zum Tode verurteilt. Deshalb wurde das
Wasser unter Gottes Schutz gestellt. Wer diesen Schutz missachtete und das Wasser verunreinigte, musste mit der Strafe Gottes rechnen. Zu diesen Strafen wurden besonders
Krankheiten und Wasserarmut gezählt, worunter dann die ganze Stadt zu leiden hatte.
Es ist noch zu bemerken, dass Kump an einer unauffälligen Stelle am
Mittelpfosten, direkt unter dem mittleren Becken, den Hinweis auf den Neuguss
anbringen ließ. Mit den gleichen gotischen Buchstaben heißt es dort in Plattdeutsch:
“In den groten Kriege am 15. Oktober 1944 dorch Brand esmolten. Niet egoten
1948.“
b) Die
Prophetenreihe
Auf den Reliefbildern am Unterbecken werden 19 männliche und eine weibliche Person dargestellt. Die weibliche Figur
ist die heilige Katharina mit ihren Attributen, Rad und Schwert, der der
Brunnen geweiht wurde.
Die männlichen Figuren stellen
die markantesten Männer des Alten Testamentes dar. Zur Darstellung der
Personen wurden vom Erbauer sieben verschiedene Figuren benutzt. Mit Ausnahme
der weiblichen Figur wurden jeweils mehrere Personen mit der gleichen Abbildung
dargestellt. Die männlichen Figuren tragen Schriftbänder mit lateinischen Sprüchen aus der Vulgata in
hochgravierter, gotischer Schrift. Die Worte sind oft abgekürzt und erschwerten deshalb Sack und anderen Publizisten das
Entziffern sehr. Bei der Restauration gelang es zwei Angehörigen der Benediktiner-Abtei Maria Laach, die biblischen Gestalten
zu bestimmen und den Text der Schriftbänder zu entziffern 38).
Die Personen sind in vier Gruppen zu je fünf Reliefs zusammengestellt. Die Gruppen werden durch die vier Löwenkopfausgüsse voneinander getrennt (Abb. 14). In jeder Gruppe
sitzt ein König, flankiert von zwei Propheten. Nur in der
Gruppe, in der die heilige Katharina dargestellt ist, sitzt der König nicht in der Mitte, sondern rechts neben der Katharina.
Von den 20 Darstellungen konnten 14 namentlich
bestimmt werden. 6 Figuren, die durch die Glut des Brandes zerstört wurden, werden wahrscheinlich unbekannt bleiben.
Die Figuren wurden zur Darstellung folgender
Personen verwendet: 39)
Figur
I: |
viermal, für Obdias,
Elrzeus, Osea, einmal zerstört. |
Figur
II: |
zweimal, für König Salomon, König David (Abb. 8) |
Figur
III: |
viermal, für Isaias,
Samuel, Jeremias, Moses (Abb. 9) |
Figur
IV: |
zweimal, für zwei
unbekannte Könige (Abb. 10) |
Figur
V: |
einmal, für die
heilige Katharina (Abb. 11) |
Figur VI: |
viermal, für Ezechiel,
Naum, Abacuc, einmal zerstört. |
Figur
VII: |
dreimal, für Joel,
zweimal zerstört |
Auf allen entzifferten Spruchbändern ist im Kern die Rede vom Wert des Wassers. Fast könnte man glauben, der Künstler wollte die niederdeutsche
Inschrift mit einer Geschichte des Volkes Israel, zusammengesetzt aus den Sprüchen der einzelnen Gestalten, erweitern und begründen.
Dem Sinn nach könnte die Zusammenstellung
der Sprüche folgende Geschichte ergeben:
Dem Volke Israel wurde von Gott durch den Mund der Propheten das fehlende
Wasser in ausreichender Menge versprochen. Als das Volk in Israel Ordnung
geschaffen hatte, wurde von Gott der Ursprung des Wassers und die gleiche
Aufteilung geboten. Es wurde von ihm gesund gemacht und stand unter seinem
Schutz. Nach längerer Zeit wendete sich das Volk von seinem Gott
Jahwe ab und betete einen anderen an. Die Strafe Gottes wurde von den Propheten
vorausgesagt.
Weil das Volk jedoch nicht zurückkehrte, ließ Jahwe alle Quellen versiegen. Daraufhin kehrten die
Abtrünnigen zurück, Gott war versöhnlich und ließ die Quellen wieder hervortreten und genügend Wasser spenden.
Diese Deutung ist für die Zeit des 14.
Jahrhunderts durchaus möglich, weil das Christentum zu dieser Zeit in Europa
als einzige Religion gültig war und nicht im Sinne der Dämonen und überirdischer Mächte verstanden wurde,
sondern als Religion der göttlichen Liebe und Gnade.
c) Die Wappen
am Mittelbecken
Im Gegensatz zur tiefen Frömmigkeit, die aus den Darstellungen des Unterbeckens spricht,
macht sich am Mittelbecken das erstarkende Selbstbewusstsein der Stadt deutlich bemerkbar.
Hier sind 20 verschiedene Wappen angebracht. Genau
wie am Unterbecken sind die Wappen in vier Gruppen aufgeteilt, die durch die Löwenköpfe voneinander getrennt werden. Über den Wappen befinden sich die Namen der dargestellten Wappen.
Sie gruppieren sich nicht um eine besondere Person der Gruppe, wie die
Propheten um einen König am Unterbecken. Die Reihenfolge der Wappen ist
fortlaufend nach einer strengen Hierarchie geordnet.
Der Reihe nach erscheinen:
Als erstes das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" (links), es folgen die sieben
Kurfürstentümer Mainz (g) 40),
Böhmen (w) 41), Köln (g), Sachsen (w) (rechts vor dem Löwenkopf),
Bayern (w), Trier (g) und Brandenburg (w). Es folgen
danach die Wappen von Braunschweig-Land und Lüneburg als ein Herzogtum,
das von zwei Landesherren in Braunschweig und Lüneburg regiert wurde.
An 11. Stelle ist die Stadt Braunschweig
dargestellt, gefolgt von den neun guten Helden; dem heidnischen Hektor,
Alexander dem Große und Julius Cäsar; dem jüdischen David,
Judas von Maccabäus und Josua und den
christlichen Helden Karl der Große, König Artus und Gottfried von Bouillon.
Sack glaubte, dass die
Reihenfolge der Wappen teilweise willkürlich vom Künstler zusammengesetzt worden ist. Dagegen sprechen jedoch einige
Tatsachen. Nach dem Wappen des Deutschen Reiches folgen die sieben Kurfürsten, die bei der Wahl eines deutschen Königs entscheidend mitzusprechen hatten. Die Reihenfolge der Kurwürden wurde nicht in geistliche und weltliche getrennt, sondern
diese wurde wechselweise genannt. In der Reihenfolge war wahrscheinlich nur das
Alter entscheidend. Dem ältesten Erzbistum folgt das älteste Königreich usw.
Aus der Reihenfolge der Wappen ist ein feines
politisches Gefühl des Künstlers ersichtlich. Auch
setzt er das Stadtwappen nicht an den Anfang der Reihe, sondern geht von Stufe
zu Stufe abwärts, in der offiziellen Reihe der Obrigkeiten. Erst
danach wird die Stadt genannt, die 1408 die Reichsunmittelbarkeit fast erreicht
hatte und für die das Handeln der neun guten Helden zum Vorbild
genommen werden sollte.
d) Ornamente
und Einzelfiguren
Außer den glatten Profilringen, die die Schmuckelemente
trennen, sind die beiden größten Metallbecken auch mit ornamentalem Schmuck
versehen. Die Buchstaben der Inschriften sind mit feinen Einschnitten verziert.
Die trennenden Zeichen der Inschrift (in Abschnitt 3a mit | bezeichnet)
sind zur Blütenform modelliert. Dieses Schmuckwerk hat die
Aufgabe, die kunstvolle Wirkung der Darstellung zu erhöhen.
Am Oberbecken sind keine Gegenstände und Figuren abgebildet. An die Stelle der Inschriften tritt
ein kleines Blumenornament (Abb. 47), das den Beckenrand ununterbrochen
umspannt. Das anstelle der Wappen gewählte große Ornament (Abb. 46) wird durch Löwenköpfe unterbrochen. Dieses Rankenornament setzt sich aus vier Teilen
zusammen. Die einzelnen Teile sind untereinander gleich. Das zweite Teilstück ist ein Spiegelbild des ersten (in der Längsseite gespiegelt); das dritte Teilstück ist dem ersten gleich, das vierte wieder ein Spiegelbild.
Dadurch entsteht innerhalb des Ornaments eine ausgeglichene Wellenbewegung.
Weil aber die Löwenköpfe in diese Bewegung einbezogen werden, entsteht
keine auffällig störende Unterbrechung.
Mit den Ornamenten ist der Brunnenkünstler der Gefahr des Überladens entgangen. Figürlichen Schmuck hätte auch der Betrachter in dieser Höhe kaum deutlich erkennen können. Diese in sich
ruhige Schmuckzone unterstreicht gleichzeitig die abgeschlossene Wirkung des
Fialenaufbaus.
Die fünf Rundplastiken des
Brunnens sind in der Fiale zu finden. Wie den übrigen Darstellungen
kommt auch ihnen eine symbolische Funktion zu. "Die Gültigkeit eines Symbols hängt von einer
Vereinbarung ab. Erlischt diese, so verdunkelt sich die Sinnsphäre des Symbols und dieses sinkt letztlich in die reine vordergründige Gegenständlichkeit ab. ...Als Träger eines verschlüsselten Sinngehaltes besitzt das Symbol für den Wissenden die Macht der Offenbarung. Seine bevorzugte
Verwendung im Bereich der sakralen Kunst wird daraus verständlich.
Man kann zwischen spekulativen und anschaulichen
Symbolen unterscheiden. .... Für das spekulative Symbol gibt es in der Regel nur
eine richtige Interpretation, für das anschauliche mehrere. … Am stärksten ist die Symbol zeugende und -bewahrende Kraft in Epochen,
deren Weltbild im Jenseits wurzelt. Alles Irdische - die Natur und die vom
Menschen geschaffene Wirklichkeit - ist dann nur Hinweis auf eine höhere, geistige Wirklichkeit. Darum ereignet sich die Blütezeit' der abendländischen Symbolkunst im Mittelalter. Alles führt zu Gott, alles hängt von Gott ab. In
diesem Doppelbezug ist der Reichtum der symbolischen Verknüpfungen und Entsprechungen begründet" 42).
Die Anwesenheit der vier Evangelisten, die ihre Bücher aufgeschlagen in den Händen halten (Abb. 17 bis
20), veranschaulicht die Verbundenheit des Volkes mit dem Neuen Testament. Als
Verkünder der Worte und Taten Christi stehen die
Evangelisten stellvertretend für ihn. Auch die Madonna mit dem Kind (Abb. 15 bis
16) wählte man anstelle einer Christusfigur. War schon die
Darstellung des Christus schwierig, so ließ sich die menschliche Gefühlsbindung zwischen Mutter und Kind leichter abbilden. Durch die
Darstellung der Mutter mit dem Kind wurde eine persönliche Beziehung zwischen Betrachter und Abbild hergestellt, die
dem Betrachter von Natur her vertrauter war als eine Beziehung zu Jesus. Auch
war die Blütezeit der Madonnenverehrung noch nicht vorüber. An vielen profanen Bauwerken befanden sich Madonnenfiguren,
welche die gleiche symbolische Funktion übernahmen, die den
Christusfiguren in Kirchen zukam.
III. Die Form des Brunnens
1) Die bildende
Kunst am Ende des 14. Jahrhunderts
Im späten Mittelalter
entwickelte sich in den Residenzen der Landesfürsten und in den freien
Städten des Reiches ein reiches künstlerisches Leben, das sich zunächst auf dem Gebiet der Baukunst
entfaltete. In der Zeit von 1250 bis 1400 löste sich die Kunst allmählich von der Vormundschaft der Kirche. Neben den kirchlichen Bauhütten entwickelten sich die bürgerlichen Zünfte. "Kirchlich aber blieb die Kunst der christlichen Völker während dieses ganzen Zeitraumes in allen seinen Hauptäußerungen ihrem innersten Wesen und Wollen nach, und
gerade dem mystischen Aufschwunge der Gott suchenden Seelen verdankte sie ihre
herrlichsten Schöpfungen. 43).
Zu dieser Zeit hatte das Christentum das Vertrauen
der ganzen Bevölkerung erobert. Bis weit in die romanische Zeit war
das Christentum von der Bevölkerung noch nicht als eine Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden worden. Dem Volke, ausgenommen
einer Anzahl von Geistlichen und geistig Gebildeten, war es noch nicht die
Religion, von der man einen Schutz im Diesseits erhoffen konnte. Das Bewusstsein, dass Gott den liebt, der ihn liebt, dass in jedem Lebewesen etwas von ihm ist, jeder an seiner Gnade
teilhaben kann und dass der Mensch sich ihm ohne Scheu und Furcht nähern kann, war nicht vorhanden. Die christliche Religion wurde
weithin noch in dem alten Sinne verstanden, der ihm schon bei der Übernahme des Christentums zukam. Gott wurde als etwas Fernes, dem
Menschen und allem Irdischen Entrücktes empfunden, das große Macht über die transzendenten Kräfte hatte, von denen man die Welt beherrscht glaubte.
Keine Brücke des Gefühls verband die Gläubigen mit den Gestalten des Christentums. Diese
waren unnahbar und nur aus der Ferne ehrfürchtig mit Scheu
anzubeten. Ihrer Hilfe schien man sich nur durch das Opfer, durch Schenkung von
Land und Geld an die Kirche versichern zu können.
Die Mönche des
Zisterzienserordens haben wesentlich zum Wandel dieser magischen Auslegung
beigetragen. Sie haben als erste die Marienverehrung in das Volk getragen. Die
Gottesmutter wird zur Fürbitterin der Gläubigen beim letzten
Gericht, das mütterliche Erbarmen schlägt die ersten Brücken des Gefühls zu Gott.
Diese und andere Verehrungen haben dazu beigetragen,
dass das Christentum seine magische Auslegung verlor.
Gott und die Heiligen gewannen allmählich eine bis jetzt
unbekannte Menschlichkeit, Vertrautheit und Verstehbarkeit. Breite Schichten
des Volkes erkannten, dass die Liebe und Gnade Gottes allen teilhaftig ist,
und dass er ansprechbar und für jeden erreichbar ist.
Das Christentum wurde allmählich als Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden.
Im Verlaufe des 14. Jahrhunderts ging der Vorrang
der Kirche in dem Maße zurück, wie das städtische Bürgertum an Ansehen und Bedeutung gewann. Die sich im
Bürgertum entwickelnden Lebensideale waren völlig anders als die der Geistlichkeit und des Adels. Diese Ideale
standen auf dem Boden des realen Lebens. Man suchte Erfüllung in den Tugenden des handwerklichen Könnens und Fleißes, in der Sparsamkeit und auch in der
Gemeinschaftlichkeit. Die Bürger dachten in Realitäten, was die Ursache für den tief greifenden geistigen Wandel der Zeit wurde. Das
Hervortreten der Einzelpersönlichkeit aus der bisherigen Anonymität betont diesen Wandel besonders.
Zur wichtigsten Forderung dieser Zeit wurde die
freie Entfaltung der Persönlichkeit im geistigen und politischen Leben.
Breiteste Schichten des Volkes machten sich diese Forderung zu eigen. Die
ausgesprochen demokratische Gesinnung und das wirklichkeitsnahe Denken verstärkten den Rückgang des kirchlichen Einflusses. Aus dieser
Entwicklung, aus der die lutherische Reformation in Deutschland seine letzten
Konsequenzen zog, ist auch die Veränderung der Kunst zu
sehen.
Die wenigen Nachrichten über die Künstler der damaligen Zeit sind meistens rein zufällig erhalten geblieben. In der Zeit der kirchlichen Bauhütten wurde im Kollektiv geschaffen, jeder Handwerker an seinem
Platz und seinen Leistungen entsprechend. Jeder einzelne Handwerker war Glied
eines Ganzen und galt gleich viel. So würdigte auch die
Geschichtsschreibung oft nur die Leistung des Kollektivs, Einzelleistungen
wurden nur selten besonders hervorgehoben.
Das Verewigen durch Namenszeichen an einer Schöpfung, das in Italien schon seit längerer Zeit üblich war, kam in Deutschland erst um die Mitte des 14.
Jahrhunderts auf und bürgerte sich nur ganz allmählich ein. Deshalb gewinnen die alten Kämmereirechnungen der Städte eine erhebliche Bedeutung
als Namensquelle. Die Baumeister und Handwerker, die in diesen Rechnungen
genannt sind, bauten im Auftrage des Rates Markthallen, Rathäuser, Wehranlagen usw. Viele von diesen Handwerkern gingen oft auf
Wanderschaft. So ist es wahrscheinlich, dass sie nicht
nur an Profanbauten, sondern auch an sakralen Bauwerken gearbeitet haben. Mit
dem Ansteigen der schriftlichen Überlieferungen sinkt
jedoch das Bauen von großen Kathedralen und wendet sich mehr den profanen
Bauwerken zu. Am Ende des 14. Jahrhunderts kannte die Gesellschaft noch keine Künstler, wie sie in unserem Sinne bekannt sind. Fast jeder
Handwerker hat es mit seinen geringen Hilfsmitteln zu künstlerischen Leistungen gebracht.
Die aus Frankreich kommende Gotik begann ihren Lauf
um die Mitte des 13. Jahrhunderts durch ganz Europa. Auch in Deutschland ging
die Gotik als tonangebender Stil aus den Auseinandersetzungen mit den überlieferten Formen hervor. In den verschiedenen Ländern passte sie sich den verschiedenen Aufgaben,
Baumaterialien und Volkstümlichkeiten an und stand noch unter der
Vormundschaft der Kirche. Die mittelalterliche Baukunst sah ihre wichtigste
Aufgabe in der Schaffung von Kirchen, und es war in bevorzugtem Maße der Sakralbau, an dem sich der Verlauf des gotischen Stiles mit
allen seinen Wandlungen vollzog. In ihm haben sich das strukturelle System und
der Formreichtum gebildet. Was an Profanbauten in dieser Zeit entstand, übernahm weitgehend die am Sakralbau entwickelten Formen.
Das gotische Schaffen ist grundsätzlich verschieden von dem Gestalten der schweren romanischen
Baukunst. Nicht nur in den jeweiligen formalen Ausdrucksmitteln unterscheiden
sich diese Zeitstile, sondern grundsätzlich durch den
unendlich erweiterten Horizont der Betrachtungsweisen. Ein scharfer Verstand und
ein rastloses Vorwärtsstreben kennzeichnen die gotische Kunst. In ihrer
Gestaltung wird das Sinnvolle vor das Sinnhafte gestellt.
Welche Bereicherung der Stil allein in der
Ornamentik geschaffen hat, macht schon der vielseitige Schmuck der Kapitelle in
den Kirchen deutlich. Das Streben der Bevölkerung nach einer Lösung von den kollektiven Bindungen, Lebensgenuss, Prachtliebe und hier und da auch Glaubenszweifel werden mit der
fortschreitenden Entwicklung der Kunst immer deutlicher.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war in
Norddeutschland allgemein der spätgotische Stil
vorherrschend. Das strenge, gesetzmäßige Gestalten
der Hochgotik wurde abgelöst von einer freieren und individuelleren Gestaltung
der einzelnen Künstler. Eine starke Strömung zum Realistischen machte sich bemerkbar. Man versuchte, der
Natur in allen Kunstrichtungen näher zu kommen. Die
richtige Wiedergabe der landschaftlichen Hintergründe in der Malerei und
Bildnerei machte große Fortschritte. Die Stein- und Metallplastiken
verloren ihre starre Haltung und gewannen mehr und mehr an Ausdruck und Leben.
In Norddeutschland, wo der Haustein nicht zu finden
war, trat die Steinplastik erst im beginnenden 15. Jahrhundert auf. Die Steine
wurden von den hansischen Kaufleuten aus Westfalen nach Sachsen transportiert.
Umso stärker entwickelten sich in diesem Gebiet die
Holzschnitzerei und der Metallguss. Der
Einfluss des romanischen Stils blieb jedoch in Norddeutschland länger bestehen als in anderen Teilen des Reiches.
Im gotischen Profanbau wurde auf künstlerischem Gebiet anfangs nach den Gesetzen des Sakralbaues
gebaut. Die Formgestaltung nahm jedoch bald bürgerliche Züge mit eigener Formentwicklung an und wurde unabhängig vom Sakralbau. Ein großer Nachdruck lag beim Profanbau
in der Zweckbestimmtheit. Die Bauwerke waren in der Gestaltung der Form
meistens bewusst geistig und nicht willkürlich geschaffen. "Die Wandlung des künstlerischen Ausdrucks, die eine Burg des 13. Jahrhunderts und ein
Schloss des 15. Jahrhunderts unterscheidet, ist unmittelbar Ausdruck der
Zeitgesinnung. ... Sie zeigen die Kultur des Gotischen innerhalb all ihrer
Wandlungen bereit und begabt, dem Leben der Zeit die bestimmte Würde und das Ansehen großer Form zu geben" 44).
Die Schöpfungen sind nicht mehr
vom Dämonischen behaftet, sondern es spricht aus ihnen die
natürliche Kraft, die Lebensweisheit und Daseinsfreude.
Inhaltlich wachsen Einzelheit und Umfang der Sachschilderungen. "Inhalt
und Umfang der geistigen Vorstellungen und Interessen des Mittelalters, ... sie
sind nirgendwo anschaulicher ausgebreitet als im Motivschatz der gotischen
Kleinkünste. ... Arbeitsantrieb und technische
Voraussetzungen stammen aus den alten Lehrstätten der
mittelalterlichen Handwerkskunst, den Klöstern" 45).
Zu diesen Künsten gehören die Glas- und
Buchmalerei, die Schnitz-, Gieß-, und Goldschmiedekunst.
2)
Entwicklungsgeschichte der Brunnen bis etwa 150O
a) Die
allgemeine Entwicklung
Im Gegensatz zu den jagenden Völkern entwickelten die Hirten- und Bauernvölker schon sehr früh die künstliche Fassung einer
Quelle, um ihr Vieh besser tränken zu können. In der Bronzezeit
wurden Zisternen gegraben und mit Holzbohlen eingefasst. Kurze Wasserleitungen
baute man aus gehöhlten Baumstämmen. Die
weiterentwickelte Form der Zisterne ist der zylindrische Schacht- oder
Kesselbrunnen, der tief ausgeschachtet und teilweise gemauert oder in den Fels
gesprengt wurde. Die Schöpfeinrichtung des Brunnens richtete sich stets nach
der Höhe des Wasserspiegels. Das Wasser wurde mit Seil und
Roller, mit einer Stange oder durch ein Tretrad dem Brunnen entnommen. Aus dem
Pumpbrunnen, aus dem das Wasser mit Stangen entnommen wurde, entwickelten sich
die Hauptglieder:
der Kasten, als Behälter für Fische oder zum Waschen,
der Trog, zur Viehtränke und
der Stock, zur Aufnahme der Wasserleitung.
Die Stadtkultur stellte hohe Ansprüche an die weitreichenden Wasserleitungen, so dass sich hier die
laufenden Röhrenbrunnen und Wasserwerke entwickelten.
Die griechischen Stadtstaaten und später auch die Römer übernahmen die Vorbedingungen zu ihren großen Brunnenhäusern und Marktbrunnen von den alten Kulturen des
Orients. Die meisten Brunnen waren bei allen Völkern in erster Linie
Nutzbrunnen. Die Römer begannen mit der Zunahme ihrer Macht und als
Ausdruck ihrer Wohlhabenheit auch Zierbrunnen aufzustellen. Doch mit dem allmählichen Zerfall der großen Wasserleitungen ging
auch die Brunnenkunst verloren.
Die Tradition der Zierbrunnen fand seine Fortsetzung
in der altchristlichen Kirche, im oströmischen Reich und in den
arabischen Städten. Auch die entstehenden Klöster bauten sich ihre eigenen Wasserleitungen.
Aus den frühen mittelalterlichen Städten und Siedlungen ist nur die primitive Anlage des hölzernen Einbaumes oder des Galgenbrunnens bekannt. Die allgemeine
Wende im Brunnenbau trat erst im Spätmittelalter ein, als
sich um 1200 die selbständigen Stadtkulturen entwickelten. Die bessere
Wasserversorgung wurde nicht nur ein hygienisches Bedürfnis der Stadt, gleichzeitig wurden Brunnen auch an besonderen
Verkehrsmittelpunkten der Stadt, im Schloss und im
Kloster künstlerisch und symbolisch geschmückt. Damit trat ein Wandel im Material ein. Anstelle der einfachen
Holzbrunnen wurden Prachtbrunnen aus Stein und Metall errichtet. Große und kleine Brunnen mit Ornamenten, Inschriften und figürlichem Schmuck kamen auf.
Waren die Brunnen bis jetzt fast ausschließlich Nutzbrunnen, so entwickelten sich in der folgenden Zeit die
reinen Zierbrunnen und Wasserwerke. Im beginnenden 16. Jahrhundert kam der
Monumentalbrunnen mit großen rundplastischen Figuren auf. Diese Brunnen wurden
meistens an den zentralen Blickpunkten der Städte errichtet und gehörten ausschließlich zur Ausschmückung der Stadt.
b) Der romanische Klosterbrunnen
In den Klöstern hatten die Brunnen
hygienische und kultische Bedeutung. Zu den einfachsten dieser Art gehört der laufende Brunnen in Prüfening bei Regensburg. Zu
ihm gehört als Brunnen ein liegender Löwe, aus dessen Sockel das Wasser in die Schale läuft. Die erhaltenen romanischen Brunnen sind steinerne
Schalenbrunnen. Der Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen in Maulbronn, der dreiteilige Brunnen mit Löwenköpfen in Külsheim und der
Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen auf dem Marktplatz in Goslar, alle gehören dem 12. und 13. Jahrhundert an.
Alle romanischen Brunnen zeigen im Grundtyp:
mehrere sich verjüngende Schalen,
Löwenkopfausgüsse und
einen säulenartigen Mittelpfosten.
Der romanische Brunnen ist verwandt mit den Röhrenbrunnen der Antike. Auch diese Brunnen kennen mehrere übereinander liegende Schalen. Ob er sich jedoch aus diesem Typ
entwickelt hat, wird sich wohl nicht ganz erforschen lassen. Der romanische
Brunnen kann ebenso eine frei gefundene Weiterentwicklung der klösterlichen Taufschalen sein. Auch die Löwenköpfe, die eindeutig römisch sind, lassen keine
eindeutige Antwort zu. Da der Löwenkopf eine Zierde vieler mittelalterlicher
Wassergefäße und Schmuckgegenstände war, kann die Form
auch über diesen Umweg wieder an die mittelalterlichen
Brunnen gelangt sein, ohne dass die Brunnenbauer eine Kenntnis von antik-römischen Brunnen gehabt haben.
c) Der gotische Brunnen
Eine nordische Neubildung ist der gotische Brunnen,
der sich seit dem 14. Jahrhundert in den Städten aus den bodenständigen Gegebenheiten durch die bürgerlichen Steinmetze
herausbildete. Durch kriegerische Auseinandersetzungen, Epidemien und durch das
Anwachsen der handwerklichen Gewerbe sahen sich die Stadträte veranlasst, den Bewohnern der Stadt durch Brunnen und Öffentliche Wasserleitungen reichlich gutes und frisches Wasser
zuzuführen. Gewöhnlich speiste jede
Wasserleitung einen Brunnen, der aber oft eine Abzweigung für gewerbliche oder private Zwecke hatte. Die Leitungen waren aus
Holz und mussten von der Quelle zum Brunnen ein Gefälle haben,
weil Pumpwerke noch nicht bekannt waren.
Die Einordnung der Brunnen in das Gesamtbild der
Stadt "geschah in einem vegetativen Rhythmus, nicht nach
axial-symmetrischer Anordnung" 46). Wegen ihrer besonders
reichlichen und sorgfältigen Gestaltung und Formung wurden diese Brunnen häufig "Schöne" und "Hübsche Brunnen"
genannt. Die Formung der Brunnen geschah durch die Bauhütten der großen Stadtpfarrkirchen oder durch Zünfte der Stadt.
Die vielen verschiedenen gotischen Brunnen
entstanden aus vier Grundtypen:
1) und 2). Diese beiden Grundformen entstanden am Ziehbrunnen. Die
erste Form ist der zweischenklige, die zweite Form der dreischenklige Aufbau über dem Brunnenschacht, an dem sich die Ziehvorrichtung befand.
3) Die einfachere Form des Laufbrunnens ist der Fialen-Pfeiler,
aus dem das Wasser in ein meist längliches Becken fällt. Die Brunnensäule ist meist mit einer Einzelfigur geschmückt. Die Form lässt sich auf den "Löwen-Brunnen" in Nürnberg zurückführen.
4) Die letzte und am stärksten ausgearbeitete Grundform
ist das vieleckige Brunnenbecken, in dessen Mitte der Brunnenstock steht. Der
Stock ist zu einem fialenartigen Turm ausgestaltet, der nach spätgotischen Gesetzen konstruiert ist. Die Einzelheiten des Stockes
in seinen Geschossen, Absetzungen, Baldachinen und Figuren sich die gleichen
wie an den Strebepfeilern der Kirchen. Die Wirkung dieser Darstellungsform wird
durch eine farbige Fassung noch gesteigert. Der älteste und bedeutendste
Brunnen dieser Art ist der "Schöne Brunnen" in Nürnberg.
III. Die Form des Brunnens
1) Die
bildende Kunst am Ende des 14. Jahrhunderts
Im späten Mittelalter
entwickelte sich in den Residenzen der Landesfürsten und in den freien
Städten des Reiches ein reiches künstlerisches Leben, das sich zunächst auf dem Gebiet der
Baukunst entfaltete. In der Zeit von 1250 bis 1400 löste sich die Kunst allmählich von der
Vormundschaft der Kirche. Neben den kirchlichen Bauhütten entwickelten sich die bürgerlichen Zünfte. "Kirchlich aber blieb die Kunst der christlichen Völker während dieses ganzen Zeitraumes in allen seinen Hauptäußerungen ihrem innersten Wesen und Wollen nach, und
gerade dem mystischen Aufschwunge der Gott suchenden Seelen verdankte sie ihre
herrlichsten Schöpfungen. 43).
Zu dieser Zeit hatte das Christentum das Vertrauen
der ganzen Bevölkerung erobert. Bis weit in die romanische Zeit war
das Christentum von der Bevölkerung noch nicht als eine Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden worden. Dem Volke, ausgenommen
einer Anzahl von Geistlichen und geistig Gebildeten, war es noch nicht die
Religion, von der man einen Schutz im Diesseits erhoffen konnte. Das Bewusstsein, dass Gott den liebt, der ihn liebt, dass in jedem Lebewesen etwas von ihm ist, jeder an seiner Gnade
teilhaben kann und dass der Mensch sich ihm ohne Scheu und Furcht nähern kann, war nicht vorhanden. Die christliche Religion wurde
weithin noch in dem alten Sinne verstanden, der ihm schon bei der Übernahme des Christentums zukam. Gott wurde als etwas Fernes, dem
Menschen und allem Irdischen Entrücktes empfunden, das große Macht über die transzendenten Kräfte hatte, von denen man die Welt beherrscht glaubte.
Keine Brücke des Gefühls verband die Gläubigen mit den Gestalten des Christentums. Diese
waren unnahbar und nur aus der Ferne ehrfürchtig mit Scheu
anzubeten. Ihrer Hilfe schien man sich nur durch das Opfer, durch Schenkung von
Land und Geld an die Kirche versichern zu können.
Die Mönche des
Zisterzienserordens haben wesentlich zum Wandel dieser magischen Auslegung
beigetragen. Sie haben als erste die Marienverehrung in das Volk getragen. Die
Gottesmutter wird zur Fürbitterin der Gläubigen beim letzten
Gericht, das mütterliche Erbarmen schlägt die ersten Brücken des Gefühls zu Gott.
Diese und andere Verehrungen haben dazu beigetragen,
dass das Christentum seine magische Auslegung verlor.
Gott und die Heiligen gewannen allmählich eine bis jetzt
unbekannte Menschlichkeit, Vertrautheit und Verstehbarkeit. Breite Schichten
des Volkes erkannten, dass die Liebe und Gnade Gottes allen teilhaftig ist,
und dass er ansprechbar und für jeden erreichbar ist.
Das Christentum wurde allmählich als Religion der göttlichen Liebe und Gnade verstanden.
Im Verlaufe des 14. Jahrhunderts ging der Vorrang
der Kirche in dem Maße zurück, wie das städtische Bürgertum an Ansehen und Bedeutung gewann. Die sich im
Bürgertum entwickelnden Lebensideale waren völlig anders als die der Geistlichkeit und des Adels. Diese Ideale
standen auf dem Boden des realen Lebens. Man suchte Erfüllung in den Tugenden des handwerklichen Könnens und Fleißes, in der Sparsamkeit und auch in der
Gemeinschaftlichkeit. Die Bürger dachten in Realitäten, was die Ursache für den tief greifenden geistigen Wandel der Zeit wurde. Das
Hervortreten der Einzelpersönlichkeit aus der bisherigen Anonymität betont diesen Wandel besonders.
Zur wichtigsten Forderung dieser Zeit wurde die
freie Entfaltung der Persönlichkeit im geistigen und politischen Leben.
Breiteste Schichten des Volkes machten sich diese Forderung zu eigen. Die
ausgesprochen demokratische Gesinnung und das wirklichkeitsnahe Denken verstärkten den Rückgang des kirchlichen Einflusses. Aus dieser
Entwicklung, aus der die lutherische Reformation in Deutschland seine letzten
Konsequenzen zog, ist auch die Veränderung der Kunst zu
sehen.
Die wenigen Nachrichten über die Künstler der damaligen Zeit sind meistens rein zufällig erhalten geblieben. In der Zeit der kirchlichen Bauhütten wurde im Kollektiv geschaffen, jeder Handwerker an seinem
Platz und seinen Leistungen entsprechend. Jeder einzelne Handwerker war Glied
eines Ganzen und galt gleich viel. So würdigte auch die
Geschichtsschreibung oft nur die Leistung des Kollektivs, Einzelleistungen
wurden nur selten besonders hervorgehoben.
Das Verewigen durch Namenszeichen an einer Schöpfung, das in Italien schon seit längerer Zeit üblich war, kam in Deutschland erst um die Mitte des 14.
Jahrhunderts auf und bürgerte sich nur ganz allmählich ein. Deshalb gewinnen die alten Kämmereirechnungen der Städte eine erhebliche
Bedeutung als Namensquelle. Die Baumeister und Handwerker, die in diesen
Rechnungen genannt sind, bauten im Auftrage des Rates Markthallen, Rathäuser, Wehranlagen usw. Viele von diesen Handwerkern gingen oft auf
Wanderschaft. So ist es wahrscheinlich, dass sie nicht
nur an Profanbauten, sondern auch an sakralen Bauwerken gearbeitet haben. Mit
dem Ansteigen der schriftlichen Überlieferungen sinkt
jedoch das Bauen von großen Kathedralen und wendet sich mehr den profanen
Bauwerken zu. Am Ende des 14. Jahrhunderts kannte die Gesellschaft noch keine Künstler, wie sie in unserem Sinne bekannt sind. Fast jeder
Handwerker hat es mit seinen geringen Hilfsmitteln zu künstlerischen Leistungen gebracht.
Die aus Frankreich kommende Gotik begann ihren Lauf um
die Mitte des 13. Jahrhunderts durch ganz Europa. Auch in Deutschland ging die
Gotik als tonangebender Stil aus den Auseinandersetzungen mit den überlieferten Formen hervor. In den verschiedenen Ländern passte sie sich den verschiedenen Aufgaben, Baumaterialien
und Volkstümlichkeiten an und stand noch unter der
Vormundschaft der Kirche. Die mittelalterliche Baukunst sah ihre wichtigste
Aufgabe in der Schaffung von Kirchen, und es war in bevorzugtem Maße der Sakralbau, an dem sich der Verlauf des gotischen Stiles mit
allen seinen Wandlungen vollzog. In ihm haben sich das strukturelle System und
der Formreichtum gebildet. Was an Profanbauten in dieser Zeit entstand, übernahm weitgehend die am Sakralbau entwickelten Formen.
Das gotische Schaffen ist grundsätzlich verschieden von dem Gestalten der schweren romanischen
Baukunst. Nicht nur in den jeweiligen formalen Ausdrucksmitteln unterscheiden
sich diese Zeitstile, sondern grundsätzlich durch den
unendlich erweiterten Horizont der Betrachtungsweisen. Ein scharfer Verstand
und ein rastloses Vorwärtsstreben kennzeichnen die gotische Kunst. In ihrer
Gestaltung wird das Sinnvolle vor das Sinnhafte gestellt.
Welche Bereicherung der Stil allein in der
Ornamentik geschaffen hat, macht schon der vielseitige Schmuck der Kapitelle in
den Kirchen deutlich. Das Streben der Bevölkerung nach einer Lösung von den kollektiven Bindungen, Lebensgenuss, Prachtliebe und hier und da auch Glaubenszweifel werden mit der
fortschreitenden Entwicklung der Kunst immer deutlicher.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war in
Norddeutschland allgemein der spätgotische Stil
vorherrschend. Das strenge, gesetzmäßige Gestalten
der Hochgotik wurde abgelöst von einer freieren und individuelleren Gestaltung
der einzelnen Künstler. Eine starke Strömung zum Realistischen machte sich bemerkbar. Man versuchte, der
Natur in allen Kunstrichtungen näher zu kommen. Die
richtige Wiedergabe der landschaftlichen Hintergründe in der Malerei und
Bildnerei machte große Fortschritte. Die Stein- und Metallplastiken verloren
ihre starre Haltung und gewannen mehr und mehr an Ausdruck und Leben.
In Norddeutschland, wo der Haustein nicht zu finden
war, trat die Steinplastik erst im beginnenden 15. Jahrhundert auf. Die Steine
wurden von den hansischen Kaufleuten aus Westfalen nach Sachsen transportiert.
Umso stärker entwickelten sich in diesem Gebiet die
Holzschnitzerei und der Metallguss. Der
Einfluss des romanischen Stils blieb jedoch in Norddeutschland länger bestehen als in anderen Teilen des Reiches.
Im gotischen Profanbau wurde auf künstlerischem Gebiet anfangs nach den Gesetzen des Sakralbaues
gebaut. Die Formgestaltung nahm jedoch bald bürgerliche Züge mit eigener Formentwicklung an und wurde unabhängig vom Sakralbau. Ein großer Nachdruck lag beim
Profanbau in der Zweckbestimmtheit. Die Bauwerke waren in der Gestaltung der
Form meistens bewusst geistig und nicht willkürlich geschaffen. "Die Wandlung des künstlerischen Ausdrucks, die eine Burg des 13. Jahrhunderts und ein
Schloss des 15. Jahrhunderts unterscheidet, ist unmittelbar Ausdruck der
Zeitgesinnung. ... Sie zeigen die Kultur des Gotischen innerhalb all ihrer
Wandlungen bereit und begabt, dem Leben der Zeit die bestimmte Würde und das Ansehen großer Form zu geben" 44).
Die Schöpfungen sind nicht mehr
vom Dämonischen behaftet, sondern es spricht aus ihnen die
natürliche Kraft, die Lebensweisheit und Daseinsfreude.
Inhaltlich wachsen Einzelheit und Umfang der Sachschilderungen. "Inhalt
und Umfang der geistigen Vorstellungen und Interessen des Mittelalters, ... sie
sind nirgendwo anschaulicher ausgebreitet als im Motivschatz der gotischen
Kleinkünste. ... Arbeitsantrieb und technische
Voraussetzungen stammen aus den alten Lehrstätten der
mittelalterlichen Handwerkskunst, den Klöstern" 45).
Zu diesen Künsten gehören die Glas- und Buchmalerei, die Schnitz-, Gieß-, und Goldschmiedekunst.
2)
Entwicklungsgeschichte der Brunnen bis etwa 150O
a) Die
allgemeine Entwicklung
Im Gegensatz zu den jagenden Völkern entwickelten die Hirten- und Bauernvölker schon sehr früh die künstliche Fassung einer
Quelle, um ihr Vieh besser tränken zu können. In der Bronzezeit
wurden Zisternen gegraben und mit Holzbohlen eingefasst. Kurze Wasserleitungen
baute man aus gehöhlten Baumstämmen. Die
weiterentwickelte Form der Zisterne ist der zylindrische Schacht- oder
Kesselbrunnen, der tief ausgeschachtet und teilweise gemauert oder in den Fels
gesprengt wurde. Die Schöpfeinrichtung des Brunnens richtete sich stets nach
der Höhe des Wasserspiegels. Das Wasser wurde mit Seil und
Roller, mit einer Stange oder durch ein Tretrad dem Brunnen entnommen. Aus dem
Pumpbrunnen, aus dem das Wasser mit Stangen entnommen wurde, entwickelten sich
die Hauptglieder:
der Kasten, als Behälter für Fische oder zum Waschen,
der Trog, zur Viehtränke und
der Stock, zur Aufnahme der Wasserleitung.
Die Stadtkultur stellte hohe Ansprüche an die weitreichenden Wasserleitungen, so dass sich hier die
laufenden Röhrenbrunnen und Wasserwerke entwickelten.
Die griechischen Stadtstaaten und später auch die Römer übernahmen die Vorbedingungen zu ihren großen Brunnenhäusern und Marktbrunnen von den alten Kulturen des
Orients. Die meisten Brunnen waren bei allen Völkern in erster Linie
Nutzbrunnen. Die Römer begannen mit der Zunahme ihrer Macht und als
Ausdruck ihrer Wohlhabenheit auch Zierbrunnen aufzustellen. Doch mit dem allmählichen Zerfall der großen Wasserleitungen ging
auch die Brunnenkunst verloren.
Die Tradition der Zierbrunnen fand seine Fortsetzung
in der altchristlichen Kirche, im oströmischen Reich und in den
arabischen Städten. Auch die entstehenden Klöster bauten sich ihre eigenen Wasserleitungen.
Aus den frühen mittelalterlichen Städten und Siedlungen ist nur die primitive Anlage des hölzernen Einbaumes oder des Galgenbrunnens bekannt. Die allgemeine
Wende im Brunnenbau trat erst im Spätmittelalter ein, als
sich um 1200 die selbständigen Stadtkulturen entwickelten. Die bessere
Wasserversorgung wurde nicht nur ein hygienisches Bedürfnis der Stadt, gleichzeitig wurden Brunnen auch an besonderen
Verkehrsmittelpunkten der Stadt, im Schloss und im
Kloster künstlerisch und symbolisch geschmückt. Damit trat ein Wandel im Material ein. Anstelle der einfachen
Holzbrunnen wurden Prachtbrunnen aus Stein und Metall errichtet. Große und kleine Brunnen mit Ornamenten, Inschriften und figürlichem Schmuck kamen auf.
Waren die Brunnen bis jetzt fast ausschließlich Nutzbrunnen, so entwickelten sich in der folgenden Zeit die
reinen Zierbrunnen und Wasserwerke. Im beginnenden 16. Jahrhundert kam der
Monumentalbrunnen mit großen rundplastischen Figuren auf. Diese Brunnen wurden
meistens an den zentralen Blickpunkten der Städte errichtet und gehörten ausschließlich zur Ausschmückung der Stadt.
b) Der romanische Klosterbrunnen
In den Klöstern hatten die Brunnen
hygienische und kultische Bedeutung. Zu den einfachsten dieser Art gehört der laufende Brunnen in Prüfening bei Regensburg. Zu
ihm gehört als Brunnen ein liegender Löwe, aus dessen Sockel das Wasser in die Schale läuft. Die erhaltenen romanischen Brunnen sind steinerne
Schalenbrunnen. Der Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen in Maulbronn, der dreiteilige Brunnen mit Löwenköpfen in Külsheim und der
Zweischalenbrunnen mit Löwenköpfen auf dem Marktplatz in Goslar, alle gehören dem 12. und 13. Jahrhundert an.
Alle romanischen Brunnen zeigen im Grundtyp:
mehrere sich verjüngende Schalen,
Löwenkopfausgüsse und
einen säulenartigen Mittelpfosten.
Der romanische Brunnen ist verwandt mit den Röhrenbrunnen der Antike. Auch diese Brunnen kennen mehrere übereinander liegende Schalen. Ob er sich jedoch aus diesem Typ
entwickelt hat, wird sich wohl nicht ganz erforschen lassen. Der romanische
Brunnen kann ebenso eine frei gefundene Weiterentwicklung der klösterlichen Taufschalen sein. Auch die Löwenköpfe, die eindeutig römisch sind, lassen keine
eindeutige Antwort zu. Da der Löwenkopf eine Zierde vieler mittelalterlicher
Wassergefäße und Schmuckgegenstände war, kann die Form
auch über diesen Umweg wieder an die mittelalterlichen
Brunnen gelangt sein, ohne dass die Brunnenbauer eine Kenntnis von antik-römischen Brunnen gehabt haben.
c) Der gotische Brunnen
Eine nordische Neubildung ist der gotische Brunnen,
der sich seit dem 14. Jahrhundert in den Städten aus den bodenständigen Gegebenheiten durch die bürgerlichen Steinmetze
herausbildete. Durch kriegerische Auseinandersetzungen, Epidemien und durch das
Anwachsen der handwerklichen Gewerbe sahen sich die Stadträte veranlasst, den Bewohnern der Stadt durch Brunnen und Öffentliche Wasserleitungen reichlich gutes und frisches Wasser
zuzuführen. Gewöhnlich speiste jede
Wasserleitung einen Brunnen, der aber oft eine Abzweigung für gewerbliche oder private Zwecke hatte. Die Leitungen waren aus
Holz und mussten von der Quelle zum Brunnen ein Gefälle haben,
weil Pumpwerke noch nicht bekannt waren.
Die Einordnung der Brunnen in das Gesamtbild der
Stadt "geschah in einem vegetativen Rhythmus, nicht nach
axial-symmetrischer Anordnung" 46). Wegen ihrer besonders
reichlichen und sorgfältigen Gestaltung und Formung wurden diese Brunnen häufig "Schöne" und "Hübsche Brunnen"
genannt. Die Formung der Brunnen geschah durch die Bauhütten der großen Stadtpfarrkirchen oder durch Zünfte der Stadt.
Die vielen verschiedenen gotischen Brunnen
entstanden aus vier Grundtypen:
1) und 2). Diese beiden Grundformen entstanden am Ziehbrunnen. Die
erste Form ist der zweischenklige, die zweite Form der dreischenklige Aufbau über dem Brunnenschacht, an dem sich die Ziehvorrichtung befand.
3) Die einfachere Form des Laufbrunnens ist der Fialen-Pfeiler,
aus dem das Wasser in ein meist längliches Becken fällt. Die Brunnensäule ist meist mit einer Einzelfigur geschmückt. Die Form lässt sich auf den "Löwen-Brunnen" in Nürnberg zurückführen.
4) Die letzte und am stärksten ausgearbeitete
Grundform ist das vieleckige Brunnenbecken, in dessen Mitte der Brunnenstock
steht. Der Stock ist zu einem fialenartigen Turm ausgestaltet, der nach spätgotischen Gesetzen konstruiert ist. Die Einzelheiten des Stockes
in seinen Geschossen, Absetzungen, Baldachinen und Figuren sich die gleichen
wie an den Strebepfeilern der Kirchen. Die Wirkung dieser Darstellungsform wird
durch eine farbige Fassung noch gesteigert. Der älteste und bedeutendste
Brunnen dieser Art ist der "Schöne Brunnen" in Nürnberg. (Abb. 15).
3.) Die Form des Brunnens
"Die innerliche Folgerichtigkeit eines
Kunstwerkes beruht auf den Beziehungen zwischen den Teilen und dem Ganzen. ...
Die organische Geschlossenheit auf ein Maß, eine Verhältniszahl, kurz: auf einen rationalen Kanon zu bringen, ist seit
dem Altertum das Ziel der Proportionslehren" 47). Auch der
Formwille dieses Brunnenkünstlers strebte nach Symmetrie und Gleichgewicht,
das sich auf ein geometrisches Schema bezieht .Der Künstler, der "die wohl gefügte, unverrückbare Ordnung des Universums veranschaulichen will", greift
"... zu geometrischen, messbaren Endformen, ... wenn er den subjektiven Rausch
eines noch unartikulierten Weltbefindens zu seinem Gestaltungsanlass nimmt“ 48).
Durch die Ausstattung mit Schmuckwerk werden die Schärfen und Grenzlinien des massiven Baukörpers abgeschwächt und es kommt so zu einer organischen Körperbildung. Als Grenzfall zwischen Bauwerk und Plastik kommt der
Brunnen "der klaren, in sich ruhenden und nirgends über sich selbst hinausweisenden Formgestalt" 49)
der Plastik am nächsten.
Der Schöpfer rechnete mit der
Nah- und Fernwirkung des Werkes. Durch die stark übereinander liegenden
Schalen tritt in der Fernwirkung eine starke Gliederung in tragende und
lastende Zonen auf. Die gotisch geformten Beckenstützen lösen die scharfe Trennung auf und schaffen ruhige Übergänge. Die starke Vertikalitat des Brunnens geht
jedoch dabei nicht verloren. Für die Nahwirkung sind die Profile und der
Figurenschmuck der Beckenränder bestimmt. Dabei entstand ein Rundkörper, der umgangen werden will.
a) Die
Stilelemente
Seiner gesamten Form nach gehört der Brunnen auf dem Altstadtmarkt nicht zu den gotischen
Brunnen. In der Grundform übernimmt er den Typus des antiken Brunnens mit übereinander liegenden, nach oben kleiner werdenden Schalen. Es ist
jedoch nicht der einzige Brunnen aus dieser Zeit, der die Form des
Schalenbrunnens wieder aufgreift. Auch der Schalenbrunnen auf dem Hagenmarkt
von 1407 50), der Schalenbrunnen von Wernigerode und einige andere
zeigen, dass der Schalenbrunnen in Norddeutschland sehr beliebt
war und ein reiches Nachleben hatte.
Im Gegensatz zu den mittelalterlichen Brunnen greift
jedoch dieser die antike Form der Schalen nicht auf. Der Rand ist bedeutend
steiler und höher, wodurch die ganze Schale tiefer wird. Durch den
hohen Rand wurde es möglich, die Schalen reichlich mit Schmuck zu
versehen. Die Schalenform kann durch den Einfluss von
Glockengießern entstanden sein, die in dieser Zeit viele
steilwandige Taufbecken gegossen haben. Noch ein weiterer Unterschied besteht
zwischen den antiken und diesen Brunnenschalen. Die antiken Schalen waren oft
auf Überlauf gearbeitet. Der Überlauf, der den ganzen Brunnen mit einem glänzenden Wasservorhang verdeckte, ist künstlerisch reizvoller. Er stellte aber auch höhere Anforderungen an die Anlage. Ein starker Zu- und Abfluss musste vorhanden sein, wenn der Wasservorhang nicht dürftig wirken sollte. Auch musste die Anlage
genau winklig ausgerichtet werden, damit das Wasser nicht nur an einer Seite
ablaufen konnte. Diese Brunnen hatten in den südlichen Ländern meistens nur die Aufgabe, die Luft zu befeuchten und Kühle zu spenden.
Die Schalen des Braunschweiger Brunnens sind dagegen
mit einzelnen Wasserdurchlässen versehen. Das Wasser läuft in Strahlen ab. Der Wasservorrat war für einen Überlauf nicht ausreichend, auch eignete sich der
Strahl besser zum Füllen von Gefäßen. Die
kesselartige Form der Schalen lassen sie als metallen erkennen.
Die Wasserdurchlässe, die zu Löwenköpfen geformt sind, sind ohne Zweifel römisch. Aber auch hier kann nicht behauptet werden, dass der Baumeister die Form einem römischen Brunnen abgesehen
hat. An Ziergefäßen war der Ausguss nicht selten
zu einem Löwenkopf geformt. Deshalb ist es auch möglich, dass der Löwenkopf auf dem Umweg über die Gefäße wieder an den Brunnen gelangen konnte.
Bei einer Aufgliederung des Brunnens in einzelne
Stilelemente ist es jedoch nicht möglich, das Gesamtwerk in
Einzelteile zu zerlegen und den verschiedenen Kunstepochen zuzuordnen. Er ist
vielmehr in seiner Gesamtheit zu betrachten. Gehört der Brunnen auch nicht
einem reinen gotischen Typus an, so ist er doch in seiner Gesamtheit vom
gotischen Geist erfüllt. Der schlanke Aufbau eines Fialenbrunnens ist
beibehalten und in sorgfältiger Umbildung zu einem Schalenbrunnen mit
mehrfacher Wasserabgabe gestaltet.
Jede Schale ist nur um das notwendigste Maß gegenüber der oberen verbreitert worden und wahrt den
Gesamtcharakter des schlanken Umrisses.
Der gotische Stil spiegelt sich am deutlichsten in
dem Fialenabschluss über dem Oberbecken wieder. Bei einem Vergleich der
heutigen Laterne mit der von Howaldt, die 1847 geschaffen wurde (Abb. 2 und 3),
treten mehrere Unterschiede auf. Die Fialenpfeiler von Howaldt waren kürzer als heute. Dadurch wurde der Helm steiler und länger, denn die Kreuzblume an der Spitze sollte in der ursprünglichen Höhe bleiben. Der Ziergiebel zwischen den
Fialenpfeilern war flacher; der Winkel an der Spitze des Helmdaches war größer als heute. Dadurch wurde die Höhe des Helmdaches betont.
Auf den Helmstreben waren bedeutend mehr und kleinere Krabben angebracht. Das
Helmmaßwerk war in drei Abschnitte gegliedert, in jedem
Abschnitt befand sich ein Dreipass.
Kump fand eine neue Lösung für den Fialenabschluss. Die Pfeiler
sind heute länger. Sie enden in einem Turm, der mit Wimperge 51)
und Krabben verziert ist und an der Spitze mit einer Kreuzblume abschließt. Der Ziergiebel zwischen den Pfeilern ist mit einem Vierpaß an der Spitze und unter einem Bogen mit einem Teil eines
Sechspasses geschmückt. Durch die Verlängerung der Pfeiler wird
die Wirkung der Madonna in dieser Laterne verbessert. Der Giebel endet an der
Spitze in einer Kreuzblume. (Abb. 49).
Das Maßwerk des Helmdaches wird
aus einem offenen Dreipass in der Spitze gebildet, darunter ein geschlossener
Dreipass, ein Vierpass und ein Fünfpass. Das Maßwerk hinter dem Giebel ist nur angedeutet. Die
einzelnen Pässe setzen sich aus geschlossenen Innenkreisen und
nicht aus Dreiviertelkreisen zusammen. Deshalb sind im Maßwerk keine Spitzbogen zu finden. Die Helm- und Giebelstreben sind
mit Krabben versehen. Diese Krabben entsprechen der Form nach denen des 14.
Jahrhunderts. Sie sind jedoch nicht in Blattformen ausgearbeitet sondern
stilisiert. Das gleiche gilt für die Kreuzblumen an den Pfeilern, Giebeln und an
der Spitze des Brunnens (Abb. 49 und 50). Insgesamt ist die Fiale mit 68
Krabben und neun Kreuzblumen geschmückt.
Ursprünglich hatte der Brunnen
kein Steinbecken am Fuße der Säule (Abb. 1). Die Aufgabe
des Steinbeckens, den notwendigen Wasservorrat die Senkrechte ist unterbrochen.
Die Zeichnung von Heubach 52) zeigt einen anderen Wasserverlauf.
Danach läuft das Wasser in Strahlen senkrecht untereinander
ab, nur die Löwenköpfe des Mittelbeckens sind versetzt.
Die Senkrechten erscheinen hier gleichlang. Die als
"große Senkrechte" bezeichnete Linie beginnt in der
Kreuzblume des Fialenpfeilers und endet im großen Metallbecken. Sie wird
nur im letzten Teil von einem Wasserstrahl gebildet. Die "kleine
Senkrechte" beginnt am Zinnenkranz und endet im steinernen Becken. Sie
setzt sich aus Wasserstrahlen, unterbrochen von einer Stütze, zusammen. Danach muss bei der
Restauration von 1847 nicht nur die Fialenform, sondern auch die Wasserführung verändert worden sein.
c) Die mathematischen Grundlagen
Durch Triangulieren und Quadrieren von bestimmten Grundmaßen legten die
Dombaumeister des Mittelalters die Proportionsverhältnisse des gesamten Bauwerkes
fest. Das einfachste Verfahren ist das des Triangels, des gleichseitigen
Dreiecks (Abb. 54). Durch Verbinden der Fußpunkte der Höhen entsteht ein kleines gleichseitiges Dreieck, dessen Seitenlänge 1 = ½ s ist, usw. Das Quadrat wurde in ähnlicher Weise behandelt,
doch zeigt sich hier ein Unterschied zum Triangel. Das durch Verbinden der
Seitenhalbierungspunkte entstandene kleinere Quadrat hat weder die halbe
Seitenlänge des
Ausgangsquadrates noch mit ihm gemeinsame Diagonalen, die im Quadrat an die
Stelle der Höhen
im Triangel treten (Abb. 52).
Aufriß / Quadratur und Triangulatur
Erst im zweiten konstruierten Quadrat trifft beides zu. Während die Triangulatur
eine Seihe konzentrischer Figuren liefert, entstehen bei der Quadratur zwei Reihen.
Da das Verfahren jedoch auf einer fortgesetzten Halbierung der Abmessung
beruht, könnten
die gleichen Ergebnisse auch mit einer passend eingerichteten Triangulatur
ermittelt werden.
Die Quadratur gewinnt erst an Bedeutung, wenn eine
"Schwenkung" vorgenommen wird, so dass zwei gleiche Quadrate zum Achteck verbunden sind (Abb. 53). Die
Bedeutung liegt nicht in einer Erweiterung der Reihe der Quadrate, sondern in
den in dieser Figur auftretenden gleichschenkligen Dreiecken (rot) mit einem
Scheitelwinkel von 45°. Aus diesen Dreiecken lässt sich eine Triangulatur begründen, die auf den Grundlagen des gleichseitigen Dreiecks beruht.
Diese so genannte Viertel =
Triangulatur erweist sich als leistungsfähiger und praktischer. Im 13. Jahrhundert kam diese Proportionslehre
in Deutschland zur systematischen Ausbildung und wurde in dem von Frankreich
kommenden gotischen Baustil fast ausschließlich verwendet.
Grundriß /
Quadratur und Triangulatur
Ein Schema für diese Triangulatur gibt Abb. 54. "In einem über der Basis AB
beschriebenen Pi-Viertel= Dreieck ABC werden zunächst die Höhen CF, AB' und BA' construirt (sic), sie schneiden sich
in S' und haben die Fußpunkte F, B', A'. Durch die Verbindungslinie von A' mit B' erhält man ein neues
'Pi-Viertel= Dreieck, mit welchem ebenso verfahren werden kann; dabei entstehen
die Fußpunkte F', A" und S" so wie die Gerade A"B"." 53) Die Konstruktion kann nach oben und unten
weitergeführt
werden. "Daß die Größenverhältnisse der in der Triangulatur auftretenden gleichwertigen
Abschnitte eine geometrische Reihe mit dem Exponenten 1 durch bilden, wie es auch in der Quadratur der Fall ist, zeigen
folgende Überlegungen:
Der Winkel ACB ist ein halber Rechter = Pi-Viertel. Das rechtwinklige Dreieck
AB'C hat bei A ebenfalls einen solchen und bildet über der Diagonale AC = a
ein halbes Quadrat. AB1 = B'C = A'C - a'= a-Halbe". Man findet
die rechtwinkligen Dreiecke A'B"C, A"B" 'C, ... auf gleiche
Weise a" = a' durch
Wurzel aus 2 = a-Halbe, a“ = a" durch Wurzel aus 2 = a'Halbe = a durch 2 mal Wurzel aus 2 und so weiter.
Die Dreiecke bilden demnach eine Reihe von Halbquadraten, wie
sie als ganze Quadratur entstehen würden. Weil nun die Dreiecke ABC, A'B'C',
A"B"C"... alle einander ähnlich sind, homologe Seiten von ihnen als gleiches Verhältnis haben, d. h. wenn
AB = s, A'B'=s'=
All=BII=s1',
die Proportion s : s' :s“:... = a : a' : a : ...
besteht, so hat man auch s' = s durch Wurzel aus 2, s” = s-Halbe, s“ = s durch 2 mal Wurzel aus 2 … und es sind
somit die Grundlinien der bei der Triangulatur auftretenden Pi-Viertel =
Dreiecke den entsprechenden Seiten von Quadraten, welche die Quadratur der
Hauptbasis liefert, gleich." 54)
Am 20. Januar 1947 gelang es Kump, diese Gesetzmäßigkeit am Brunnen auf dem
Altstadtmarkt festzustellen. Nach der Methode von Drach fand er heraus, dass im Aufriss des Brunnens alle
wichtigen Punkte mit Hilfe der Pi-Viertel
= Triangulatur konstruiert waren. Im Grundriss des Brunnens war vom
Erbauer die Quadratur verwendet worden.
Danach bildet die Mittellinie des Brunnens im Aufriss (s. Abb. 56) vom Boden
bis zum Kreuzblumenabschluss die Diagonale KN eines auf der Spitze stehenden Quadrates KLNO.
Der Mittelpunkt M des Quadrates bildet den Mittelpunkt des Brunnens. Der Rand
des mittleren Beckens bildet einen Teil der zweiten Diagonale LO. Das durch
Schwenkung des Quadrates entstehende Achteck bestimmt mit der Sekante K'O' die
Höhe der
Helmstützen und
die obere Fläche
der Kreuzblume auf den Streben zwischen den beiden Stützen. Am Schnittpunkt der
Sekante K'O' mit der Mittellinie KN entsteht der Punkt C. Im folgenden
kleineren Quadrat ABOK befinden sich der Verlauf des Wassers und sämtliche Darstellungen des
Brunnens. Eine im Punkt C konstruierte Triangulatur legt die wichtigsten Punkte
im Aufriss fest.
Entsprechend Abb. 54 bestimmt die Verbindungsstrecke AB den erdnächsten Punkt des unteren
Metallbeckens und FN die Höhe des Steinsockels. S1 bestimmt die Höhe des ersten Beckenrandes,
M(=S''), den Rand des zweiten Beckens und die Verbindungsstrecke
A"'B"' den Rand des oberen Beckens. Der Punkt Sv legt den
Abschluss des
Zinnenkranzes fest. Die Verjüngung und die Tiefe eines Beckens wird im Wesentlichen durch den
jeweiligen Halbmesser des Beckens bestimmt. Auch die Grundlinien der
Darstellungen an den Becken, die Verzierungen der Beckenstützen und die Verzierungen
des Steigrohres können durch die Triangulatur gefunden werden, indem verschiedene
Figuren konstruiert werden, wie es in Abb. 54 farbig angedeutet worden ist.
Die Gesamthöhe des Brunnens vom Boden bis zur Windfahne wird bestimmt durch
eine Parallele TV zu AC, welche die Strecke AK im Punkt Z schneidet. Eine
zweite Triangulatur TUV im Punkt V bestätigt und erweitert die Konstruktion der Triangulatur ABC.
Im Grundriss (vergl. Abb. 55) ist der mittlere Durchmesser des Steigrohres
das Ausgangsmaß
für die
Becken. Wird die Quadratur vom Mittelpunkt ausgehend konstruiert, so entspricht
das Steigrohr dem einbeschriebenen Kreis des Quadrates q (in Abb. 55 rot). Das
Quadrat q' ist notwendig zur Konstruktion des folgenden q“. Der Durchmesser des
umschriebenen Kreises zu q'1 ist gleich dem Durchmesser des oberen
Beckens. Die über
den Seiten von q1' konstruierten gleichschenkligen Dreiecke mit
einem Scheitelwinkel von 45 bestimmen in
Punkt C einen Zwischenkreis (gestrichelt), dessen Halbmesser gleich dem
Durchmesser des Mittelbeckens ist. Der Durchmesser des unteren Beckens ist
gleich dem einbeschriebenen Kreis des Quadrates im Zwischenkreis. Der
theoretische Halbmesser des Steinbeckens (Kreis dünn gezeichnet) ist gleich dem Durchmesser des unteren
Metallbeckens.
Mit Hilfe der noch erhalten gebliebenen Maße des zerstörten Brunnens berechnete
Kump 1947 die durch die Triangulatur gefundenen Maße. Die Differenz zwischen
den berechneten und durch Konstruktion gefundenen Höhenmaßen betrug 3 cm. 55). Welche Abmessungen im Einzelnen die Schlüssel für die Berechnungen waren,
ist unbekannt. Von den Trümmern des Brunnens war das untere Metallbecken am besten
erhalten, so dass diese Maße den Berechnungen zugrunde gelegt sein können.
Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen sind:
Gesamthöhe des Brunnens bis zur Windfahne |
8310 mm |
Brunnenhöhe bis zum Kreuzblumenabschluss |
7523 mm |
Ab Boden bis Rand Mittelbecken = halbe Brunnenhöhe = R = |
3760 mm |
Ab Boden bis zum Rand großes Unterbecken = |
2659 mm |
Ab Boden bis Rand Oberbecken = |
4815 mm |
Ab Boden bis Abschluss Zinnenkranz = Rand
Oberbecken = Ein Achtel mal Wurzel aus 2 mal R |
5482 mm |
|
|
Im Grundriß: |
|
Mittlerer Durchmesser
des Steigrohres = A = |
396 mm |
Durchmesser des
Oberbeckens = B = |
1120 mm (a) |
Der Durchmesser des
Mittelbeckens C verhält sich zum Durchmesser des Unterbeckens D wie 1 zu 2 = C
durch D. Der Durchmesser des Unterbeckens konnte gemessen werden. Er betrug |
1923 mm |
Damit lässt sich C errechnen. C =
D mal 1/2 l . V~2 = 1923 . 0,7071 = |
1360 mm (a) |
Das Maß D wird bestätigt durch die Gegenrechnung |
1923 mm (a) |
Gegenüberstellung
Nach Winter Rechnerisch
belegte
ehemalige
Originalmaße
Auch geometrische Beziehungen der Beckendurchmesser
untereinander stellte Kump fest.
|
a) Konstruiert man mit den Durchmessern des Mittel-
(CA) und Unterbeckens (BC) als Katheten ein rechtwinkliges Dreieck, so ist
die Entfernung der Winkelhalbierenden CD auf die Hypotenuse gleich dem
Durchmesser des Oberbeckens. |
|
b) In einem rechtwinklig-gleichschenkligen
Dreieck ABC mit dem Durchmesser des Mittelbeckens als Katheten BC und CA ist
die Hypotenuse AB gleich dem Durchmesser des Unterbeckens. |
|
c) Im rechtwinklig-gleichschenkligen
Dreieck mit den Kathetenlängen BC und CA = Durchmesser des Unterbeckens ist der
Durchmesser des Mittelbeckens gleich der Mittelsenkrechten CD auf die
Hypotenuse. |
|
d) In einem rechtwinkligen Dreieck, in
dem der Durchmesser des Mittelbeckens = Kathete BC und der Durchmesser des
Unterbeckens = Kathete CA ist, wird der Durchmesser des Oberbeckens bestimmt,
wenn mit CA ein Kreisbogen um A auf die Hypotenuse AB geschlagen wird. Vom
Schnittpunkt D wird ein Lot auf CA gefällt. Die entstandene Strecke DE ist gleich dem Durchmesser des
Oberbeckens. |
Trotz des strengen geometrischen und
rechnerischen Aufbaus, der wie an diesem Brunnen der gesamten Gotik eigen war,
wurden immer neue Formen geschaffen. Unter dem Schema auf mathematischem Grund,
dem Gerüst und Struktursystem unterworfen
waren, entstand etwas Lebendiges. Der künstlerische Einfall triumphiert durch Schönheit über ein strenges System.
4.) Die neuen Figuren von Werner
Kump
Obwohl das Verdienst um
die Errettung des Brunnens unbestritten ist, obwohl der Restaurator nicht nur
mit handwerklichem Können und großem Feingefühl gearbeitet und unwiederbringlich
Verlorenes ergänzt
hat, bedarf es ebenfalls einer Würdigung des figürlichen Schmucks. Die
mittelalterlichen Figuren, Madonna und Evangelisten, waren verloren gegangen und
es stellte sich Kump die Aufgabe, sie zu ersetzen. Er wählte nicht die Möglichkeit des Versuchs
einer genauen Nachbildung der Figuren, die ohnehin unzulänglich gewesen wäre, sondern schuf diese
Plastiken neu. Die Figuren tragen, von unten durch den Abstand vom Betrachter
nicht wahrnehmbar, ein modernes Gesicht (Abb. 15 bis 207), deren Herbheit des
Ausdrucks noch die Erinnerung an den entsetzlichen Krieg widerspiegeln.
Bei aller Schwäche der Einzelplastiken muss man diesen Weg als eine Möglichkeit der Gestaltung
anerkennen, vor allem weil beim Anblick des Brunnens die Wirkung der
Einzelfiguren zurücktritt und sie sich in Größe und Gestik sinngemäß in das Gesamterscheinen
einordnen und so dem Erscheinungsbild treu bleibt.
5.) Ein Vergleich mit dem "Schönen Brunnen" in Nürnberg
Der "Schöne Brunnen" in Nürnberg ist einer der ältesten und
reichhaltigsten gotischen Brunnen in Deutschland. Die fast 19 m hohe
Steinpyramide steht an der Nordseite des Hauptmarktes vor dem Rathaus. Aus
einem achteckigen Wasserkasten steigt der mächtige Brunnenstock empor. "Er führt seinen Namen mit
Recht, denn mit seinem reichen, durch Farbe und Gold gehobenen plastischen
Schmuck, ist er der lebendige Ausdruck einer aus Kraftüberschuss entspringenden Formfreudigkeit." 58) Der Brunnenstock ist nach den
architektonischen Gesetzen des Sakralbaues konstruiert und geformt, und gleicht
in seinen Stockwerken dem Turm einer gotischen Kathedrale. Die Stockwerke sind
mit Maßwerk, Wimpergen, Fialentürmen, Krabben und Kreuzblumen geschmückt. 40 männliche Vollplastiken, von denen 24 unter Baldachinen an
Strebepfeilern stehen, bringen die verschiedensten Themenkreise zum Ausdruck.
Auf dem Rand des Steinbeckens sitzen 16 Figuren in
zwei Reihen. In der ersten Reihe sind die Philosophie und die sieben freien Künste dargestellt. Dahinter sitzen in einer zweiten Reihe die vier
Evangelisten und vier Kirchenväter. In der dritten Figurenreihe in der unteren
Etage des Brunnenstockes stehen 16 Figuren, die Wappenschilde tragen.
Dargestellt sind die sieben Kurfürsten und die guten
Helden. In der vierten Reihe im mittleren Stockwerk stehen Moses und sieben
Propheten des Alten Testamentes. Im letzten Stockwerk befindet sich kein
Figurenschmuck, es leitet über in die Spitze des Brunnens, die mit dem Wappen
der Stadt Nürnberg versehen ist.
Unterscheidet sich der Braunschweiger Brunnen vom
"Schönen Brunnen" in seiner Form, so erscheinen doch
28 der 40 Personen, die in Nürnberg dargestellt sind. Am Braunschweiger Brunnen fehlen
die Philosophie, die sieben freien Künste und die vier
Kirchenväter. Der Personenkreis ist in Braunschweig um das Römische Reich, die Landesherren, die Stadt, die Madonna und die
vier Könige und sieben Propheten des Alten Testamentes
erweitert. Auch eine Heiligenfigur, der der Brunnen geweiht war, ist am
"Schönen Brunnen" nicht vorhanden. Der Ausdruck der
Zeitgesinnung ist an beiden Brunnen gleich. Die Gegebenheiten zeigen, dass sie "...nicht nur in dem klaren, strengen Maßempfinden mittelalterlicher Dombauhütten, sondern auch aus
dem Hochgefühl eines fest fundierten religiösen Lebens heraus geschaffen worden" 59) sind.
Am "Schönen Brunnen" wird
das Wasser nicht zum Schmuckmittel gemacht. Es steigt nicht im Brunnenstock
auf, sondern fällt am Fuße des Fialenturmes durch
löwenkopfartige Speimasken, denen lange Röhren ins Maul gesteckt sind, in das steinerne Becken. Auch vom
Beckenrand speien froschähnliche Tiere das Wasser in das Becken. Dadurch war
dem Meister Heinrich Beheim d. Ä. der den Brunnen von 1386 bis 1396 erbaute, 60) die Möglichkeit gegeben, den
Stock ohne Rücksicht auf die Wasserführung nach streng architektonischen Gesetzen zu bauen. Mit der
Wahl der Dreischalenform war dem Braunschweiger Meister schon eine feste Linie
vorgeschrieben, die einen übergroßen Fialenaufbau nicht
gestattete.
Während in Braunschweig der Brunnen immer freistand,
wurde der "Schöne Brunnen" 1537 mit einem kunstvoll
geschmiedeten Eisengitter versehen, um das Wasserbecken vor Verunreinigung zu
schützen. Vier durch das Gitter herausragende Löffelrinnen ermöglichten die Wasserentnahme. Am Brunnen auf dem
Altstadtmarkt befanden sich zu dieser Zeit noch bewegliche Tröge, die leichter gereinigt werden konnten als ein massives
Steinbecken. Auch heute noch schützt das Gitter den
"Schönen Brunnen" vor Verschmutzung und stört ein wenig die Gesamtwirkung des Brunnens.
C. Der Brunnen in der heutigen Zeit
Seit der Erfindung der Wasserkunst 61)
ging die praktische Bedeutung der Brunnen allmählich immer weiter zurück. Der Wasserbedarf der ständig wachsenden Stadt
konnte von den Brunnen allein nicht mehr gedeckt werden, so dass nach anderen Versorgungsarten verlangt wurde. Im 19. und 20.
Jahrhundert hat die zentrale Wasserleitung den Brunnen der Stadt ihre Aufgabe
abgenommen. Auch werden die Brunnen nicht mehr von der ursprünglichen Quelle versorgt. Die Mehrzahl der Laufbrunnen erhält das Wasser aus der Versorgungsleitung der Stadt. Die
Kunstbrunnen der vergangenen Jahrhunderte werden gepflegt und gehütet als sichtbare Zeichen einer kunstreichen Geschichte.
Es gibt heute zwei verschiedene Arten von Brunnen.
Der Brunnen, der vom Wasserbauingenieur gebaut wird, dient ausschließlich der Wasserversorgung, und der Brunnen des Künstlers wird zur Zierde der Stadt geschaffen. Der Brunnen des
Ingenieurs versorgt den des Künstlers, der das Wasser zum Schmuckmittel gestaltet.
Während an vielen alten Brunnen die Bildhauerarbeit
als Krönung hinzutritt, ist heute die künstlerische Gestaltung das Bestimmende für ihn. Kaum ein Brunnen wird geschaffen, der keine Schmuckwirkung
in sich birgt. Er wird geschaffen zur Verschönerung von Straßen und Plätzen.
In Parkanlagen hat sich noch eine andere Art von
Brunnen durchgesetzt. In diesen meist großen Anlagen wird das
Wasser als Masse zum Schmuckmittel gemacht. In diesen Wasserspielen springt das
Wasser in vielen starken und feinen Strahlen hervor. Aus den Rundungen der
Strahlen entsteht eine bewegte, gestaltete Form. Um den Wasserverbrauch möglichst niedrig zu halten, saugt eine Pumpe das Wasser aus dem
Sammelbecken ab und presst es erneut in das Rohrsystem, so dass sich das Wasser ständig im Kreislauf
befindet.
Aus dem reinen Zweckbrunnen entwickelte sich im
Laufe der Jahrhunderte der kunstvolle Schmuckbrunnen. Die Verzierungen
wandelten sich von den ideellen und volkstümlichen Formen zu den
"natürlichen" Formen, wie Strahl und Vorhang.
Auch der Brunnen auf dem Altstadtmarkt schmückt "nur" noch den Platz, der einst der bedeutendste
Markt der Stadt gewesen ist.
Verzeichnis
der Fußnoten
1) Der Hanse waren 1370 schon 64
Städte
beigetreten. 44 Städte waren der Hanse zugewandt, jedoch noch nicht förmlich in den Bund aufgenommen.
Eine dritte Gruppe trieb zwar Handel mit den Kaufleuten der Hanse, hatte jedoch
nicht die Absicht, dem Bund beizutreten. Hierzu gehörten die Städte Frankreichs, Englands und
Skandinaviens.
Geografisch gliederte sich die Hanse in vier Quartiere mit je
einer Hauptstadt. Lübeck war Hauptstadt der ganzen Hanse.
Erstes Quartier: Wendisches Quartier mit den Städten Lübeck als Quartierstadt, Kiel, Golnow, Wismar, Rostock, Stralsund,
Hamburg, Bremen, Lüneburg, Stettin, Neustagard, Wisby.
Zweites Quartier: Städte in Niederlande, Westfalen und am Rhein. Dazu gehörten u. a. Köln, Daventer, Venlo Amsterdam,
Utrecht, Emden, Dortmund, Duisburg, Münster, Bielefeld, Hamm.
Drittes Quartier: sächsische und märkische Städte, u. a. gehörten dazu: Braunschweig, Magdeburg, Halle, Goslar, Göttingen, Hannover, Erfurt,
Breslau, Stendal, Brandenburg, Berlin, Frankfurt a. 0.
Viertes Quartier: preußische, livländische und einige russische Städte, u. a.: Danzig, Thorn, Eibingen, Königsberg, Riga, Reval.
(Vergleiche Fischer, a. a. 0., S. 122 ff)
2) Gewisse Städte besaßen schon früh das Privileg, dass Handelswaren, die durch die
Stadt gefahren wurden, in der betreffenden Stadt angeboten und verkauft werden
mussten. Später wandelte sich das Recht, so
dass die fremden
Waren erst den Bürgern der Stadt zum Kauf angeboten werden mussten, bevor sie an andere Händler weiterverkauft werden
konnten. Oft kam für den Fremden noch hinzu, dass er seine Waren nur unter Aufsicht eines Einheimischen verkaufen
konnte. Die Stadt Braunschweig hatte damals auch ein Recht, dass keine Straßen um die Stadt herum führen durften. Für den Kaufmann bedeutete dies
praktisch ein Straßenzwang.
3) In älterer Literatur wurde von
Braunschweig als "Stadt der fünf Städte" gesprochen. Um 1250 bestand Braunschweig aus fünf Stadtteilen: Altstadt,
Hagen, Neustadt, Altewyk und Sack. Jedes "Weichbild" hatte seinen
eigenen Rat mit Verwaltung und Kasse. 1269 konnten sich die ältesten Stadtteile Altstadt,
Hagen und Neustadt zusammenschließen und einen Gemeinen Rat bilden. Seit 1345 hatten auch die
Stadtteile Altewyk und Sack ihre Vertreter im Gemeinen Rat. Trotz der
gemeinsamen Verwaltung und Kasse blieben in den Stadtteilen noch lange der Rat
und die Sonderfinanzverwaltung bestehen.
4) Die Münzrechte seiner Brüder Ernst und Ott blieben noch
im Besitz der Fürsten. Erst 1400 wurden die restlichen Münzrechte von den Fürsten an den Gemeinen Rat der Stadt
verpfändet, die
vertraglich im Jahre 1412 in das Eigentum der Stadt übergingen. (Nach Bode, a. a.
O., S. 54 ff)
5) Heinrich Mack, Die
Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig vor 1374. Untersuchungen zur deutschen
Staats- und Rechtsgeschichte von Gierke, XXXII, 1889, S. 111 zitiert bei
Fahlbusch a. a. 0., S. 2
6) Haenselmann, Chronik der Stadt
Braunschweig, Bd 1, S 406,
zitiert bei Fahlbusch, a. a. 0., S. 11.
7) vergl. Anmerkung 3, Seite 8.
8) Venturini, a. a. 0, Bd. 2, S. 379
9) Heinz Gries, in Kump, a.
a. 0., S. 48
10)
Die "faule Mette" oder "Metze" war das größte
Geschütz, das die Artillerie Braunschweigs je
besessen hat. Es wog etwa 170 Zentner, zum Abfeuern der 7 bis 8 Zentner
schweren Kugel wurden 28 kg Pulver benötigt.
Die Kugel, meistens aus Stein, flog etwa 2 bis 3 km weit. Da das Geschütz
jedoch auf Bohlen und nicht auf Rädern
montiert war, konnte es nur schwer transportiert werden. Es wurde nur sehr
selten abgeschossen und fast jeder Schuss
ist von den Chronisten ausführlich notiert
worden. 1786 wurde das Geschütz zersägt
und das Metall zu kleineren Kanonen verarbeitet.
11)
Kump, a. a. 0., S. 31 f., ohne Quellenangabe
12) Kump, a. a. 0., S. 32
13) Kump, a. a. O., S. 32
14) Sack, a. a. 0., S. 22
15) Gries, in Kump, a. a. O.,
S. 50
16) nach Sack, a. a. 0., S.
12
17) nach Sack, a. a. O., S.
13
18)
nach Sack, a. a. 0., S. 13 ff.
19)
nach Fahlbusch, a. a. 0., S. 96 ff.
20)
Der Brunnen wurde 1951 aus der Mitte des Marktes wieder versetzt und an der
Stelle errichtet, wo er von 1408 bis 1847 gestanden hat.
21) a) Fahlbusch, a. a. 0., S. 148
b) In dieser Zeit wurde
die Pfund-Währung und die Mark-Währung
gleichzeitig benutzt. Ein Pfund (Silber) unterteilte sich in 20 Schillinge oder
Solidi; ein Schilling, auch Groschen genannt, in 12 Pfennige. Eine Mark
unterteilte sich in 4 Ferding = 16 Lot = 64 Quentin. Bei Umrechnungen galt ein
Pfund = 240 Pfennige, eine Mark = 360 Pfennige. Die Pfund-Währung
wurde ausgewogen, die Mark-Währung ausgezählt.
Der Einfachheit halber wurden die Beträge
auf Pfennige umgerechnet, wenn Unterteilungen des Pfundes oder der Mark in den
Quellen angegeben wurden.
c) Ein Zentner hatte nach
Dürre 114 Pfund oder 53,271 kg. (Fahlbusch a.
a. 0., S. 149, Anm. 1)
22) Fahlbusch, a. a. 0., S. 148, Anm. 2
23) Der heutige Brunnen wiegt etwa 11 t. Bei den
25O Zentnern wurde die Abfallmenge mitgerechnet, die beim Guß
und Nacharbeiten der vielen Einzelteile größer
ist als bei den drei Becken.
24) nach Fahlbusch a. a. 0., S. 96 und Ebeling,
a. a. 0., S. 239
25) nach Sack,
a. a. O. Die Gödebrunnen und Wasserleitung zu Braunschweig
26)
Westermann-Plan von Braunschweig, Braunschweig, 1963
27) Schiller, a.
a. 0., S. 172
28) Sack, a. a. O., S. 25
29) Kump, a. a. O., S. 13 f
30) Kump,
Professor Werner, geb. 1896 in Köln.
Humanist, Ingenieur, seit 1930 Metallbildhauer. Arbeitsgebiet: freie und
angewandte profane und sakrale Kunst, Industrieberatung und industrielle
Formgebung.
1930 bis 1941 freischaffender Künstler in Chemnitz und Sachsen. 1941 zur Durchführung künstlerischer Aufgaben der Stadt nach
Braunschweig berufen. 1945 Reservator des Landes Braunschweig, Restaurierung
des Braunschweiger Löwen. 1945 Restaurator der Stadt
Braunschweig, Restaurierung des Brunnens. 1949 als künstlerischer Leiter einer Klasse für
Metallgestaltung nach Wiesbaden berufen, seit 1961 wieder freischaffend in
Wiesbaden. 1986 im Alter von 93 Jahren gestorben.
31) Kump a. a.
O., S. 22
32) Kump, a. a.
O., S. 30
33) Kump, a. a.
O., S. 30
34) Göderitz bei Kump, a. a. 0., S. 53. Vergl. Abb. 4
35) zitiert bei Volkmann, a. a. 0., S. 65
36) Hoffmann, 10., a. a. O., S. 8 f
37) Kump, a. a. 0., S. 12 f
38) Eine Zusammenstellung der Kapitelüberschriften und Verse, aus
denen die Sprüche entnommen
wurden, befindet sich im Anhang.
39) Vergl. Abb.
7-14 im Anhang
40) g = geistlich, Erzbistum
41) w = weltlich, Königreich, Herzogtum
42) Hoffmann, 10. a. a. 0., S.
263 f
43) Woermann, 22, a. a. 0., S.
523
44) Karlinger, a. a. O., S. 57
45) Karlinger, a. a. O., S.
100
46) Schmitt, a. a. 0., S. 1278 ff
47) Hofmann, 10 a. a. O., S. 237
48) Hofmann, S.89
49) desgl. S. 85
50) Von diesem Brunnen gibt es keine Abbildung.
Nach Sack (a. a. 0. S. 25 f) stand der Brunnen dort, wo heute der Steinbrunnen
steht. Er bestand aus zwei Becken, von denen das untere aus Stein, das zweite
aus Bronze war. An dem Metallbecken befanden sich sechs Wappen und zwei Bilder.
Die Wappen der Stadt und der Fürsten von Braunschweig und Lüneburg waren noch zu erkennen. Außer den drei weiteren Wappen war ein Bild unkenntlich. Auf dem zweiten
Bild war die heilige Katharina mit der ihr geweihten Kirche am Hagenmarkt
dargestellt. Außerdem befand sich ihr Abbild noch einmal in einer Laterne an der
Spitze des Brunnens. An der Brunnenspitze war ebenfalls eine Windfahne mit dem Stadtwappen
befestigt. Einer Inschrift nach wurde der Brunnen 1570 vergoldet. Im März 1814 wurde das 70 Zentner
schwere Becken eingeschmolzen. Das Material wurde zur Herstellung von Kanonen
verbraucht.
51) Wimperge sind diejenigen Giebel gotischer
Bauwerke, welche über Tür- oder Fensteröffnungen angebracht, von zwei Fialen
(Spitztürmchen) flankiert, an den Giebelseiten mit Krabben (Kriechblätter)
besetzt, in den Giebelfeldern glatt oder mit Maßwerk versehen und an der Spitze
mit einer Kreuzblume oder Statue geschmückt sind.
52) Abb. 2. Die Zeichnung zeigt beim
Vergleichen mit Fotografien, die nach dem ersten Weltkrieg aufgenommen wurden,
keine Unterschiede.
53) Drach, a. a. 0. S. 6
54) Drach, a. a. O. S. 6
55) Kump, a. a. 0. 25
57) nach Kump a. a. 0. S. 26
58) Rèe, a. a. 0. S. 55
59) Kump, a. a. O. S. 15
60) nach
Kump, a. a. 0. S. 12
61) Die Wasserkunst entstand im
16. Jahrhundert und ist ein Pumpwerk, das nach dem Prinzip einer Druckpumpe
arbeitet. Die Flüssigkeit wird über ein Saugventil durch den Kolben angesaugt und tritt bei dessen
Rückgang durch
ein Druckventil in die Druckleitung. Die Wasserkunst wurde durch ein Wasserrad
getrieben und drückte das Wasser in hoch liegende Bottiche, von wo es mit natürlichem Gefalle durch die
Leitungen zu den einzelnen Zapfstellen floss.
Verzeichnis der Fußnoten
1) Der Hanse waren 1370 schon 64
Städte
beigetreten. 44 Städte waren der Hanse zugewandt, jedoch noch nicht förmlich in den Bund aufgenommen.
Eine dritte Gruppe trieb zwar Handel mit den Kaufleuten der Hanse, hatte jedoch
nicht die Absicht, dem Bund beizutreten. Hierzu gehörten die Städte Frankreichs, Englands und
Skandinaviens.
Geografisch gliederte sich die Hanse in vier Quartiere mit je
einer Hauptstadt. Lübeck war Hauptstadt der ganzen Hanse.
Erstes Quartier: Wendisches Quartier mit den Städten Lübeck als Quartierstadt, Kiel, Golnow, Wismar, Rostock, Stralsund,
Hamburg, Bremen, Lüneburg, Stettin, Neustagard, Wisby.
Zweites Quartier: Städte in Niederlande, Westfalen und am Rhein. Dazu gehörten u. a. Köln, Daventer, Venlo Amsterdam,
Utrecht, Emden, Dortmund, Duisburg, Münster, Bielefeld, Hamm.
Drittes Quartier: sächsische und märkische Städte, u. a. gehörten dazu: Braunschweig, Magdeburg, Halle, Goslar, Göttingen, Hannover, Erfurt,
Breslau, Stendal, Brandenburg, Berlin, Frankfurt a. 0.
Viertes Quartier: preußische, livländische und einige russische Städte, u. a.: Danzig, Thorn, Eibingen, Königsberg, Riga, Reval.
(Vergleiche Fischer, a. a. 0., S. 122 ff)
2) Gewisse Städte besaßen schon früh das Privileg, dass Handelswaren, die durch die
Stadt gefahren wurden, in der betreffenden Stadt angeboten und verkauft werden
mussten. Später wandelte sich das Recht, so
dass die fremden
Waren erst den Bürgern der Stadt zum Kauf angeboten werden mussten, bevor sie an andere Händler weiterverkauft werden
konnten. Oft kam für den Fremden noch hinzu, dass er seine Waren nur unter Aufsicht eines Einheimischen verkaufen
konnte. Die Stadt Braunschweig hatte damals auch ein Recht, dass keine Straßen um die Stadt herum führen durften. Für den Kaufmann bedeutete dies
praktisch ein Straßenzwang.
3) In älterer Literatur wurde von
Braunschweig als "Stadt der fünf Städte" gesprochen. Um 1250 bestand Braunschweig aus fünf Stadtteilen: Altstadt,
Hagen, Neustadt, Altewyk und Sack. Jedes "Weichbild" hatte seinen
eigenen Rat mit Verwaltung und Kasse. 1269 konnten sich die ältesten Stadtteile Altstadt,
Hagen und Neustadt zusammenschließen und einen Gemeinen Rat bilden. Seit 1345 hatten auch die
Stadtteile Altewyk und Sack ihre Vertreter im Gemeinen Rat. Trotz der
gemeinsamen Verwaltung und Kasse blieben in den Stadtteilen noch lange der Rat
und die Sonderfinanzverwaltung bestehen.
4) Die Münzrechte seiner Brüder Ernst und Ott blieben noch
im Besitz der Fürsten. Erst 1400 wurden die restlichen Münzrechte von den Fürsten an den Gemeinen Rat der
Stadt verpfändet, die
vertraglich im Jahre 1412 in das Eigentum der Stadt übergingen. (Nach Bode, a. a.
O., S. 54 ff)
5) Heinrich Mack, Die
Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig vor 1374. Untersuchungen zur deutschen
Staats- und Rechtsgeschichte von Gierke, XXXII, 1889, S. 111 zitiert bei
Fahlbusch a. a. 0., S. 2
6) Haenselmann, Chronik der Stadt
Braunschweig, Bd 1, S zitiert bei Fahlbusch, a. a. 0., S. 40611.
7) vergl. Anmerkung 3, Seite 8.
8) Venturini, a. a. 0, Bd. 2, S. 379
9) Heinz Gries, in Kump, a.
a. 0., S. 48
10)
Die "faule Mette" oder "Metze" war das größte
Geschütz, das die Artillerie Braunschweigs je
besessen hat. Es wog etwa 170 Zentner, zum Abfeuern der 7 bis 8 Zentner schweren
Kugel wurden 28 kg Pulver benötigt. Die Kugel,
meistens aus Stein, flog etwa 2 bis 3 km weit. Da das Geschütz
jedoch auf Bohlen und nicht auf Rädern
montiert war, konnte es nur schwer transportiert werden. Es wurde nur sehr
selten abgeschossen und fast jeder Schuss
ist von den Chronisten ausführlich notiert
worden. 1786 wurde das Geschütz zersägt
und das Metall zu kleineren Kanonen verarbeitet.
11)
Kump, a. a. 0., S. 31 f., ohne Quellenangabe
12) Kump, a. a. 0., S. 32
13) Kump, a. a. O., S. 32
14) Sack, a. a. 0., S. 22
15) Gries, in Kump, a. a.
O., S. 50
16) nach Sack, a. a. 0., S.
12
17) nach Sack, a. a. O., S.
13
18)
nach Sack, a. a. 0., S. 13 ff.
19)
nach Fahlbusch, a. a. 0., S. 96 ff.
20) Der
Brunnen wurde 1951 aus der Mitte des Marktes wieder versetzt und an der Stelle
errichtet, wo er von 1408 bis 1847 gestanden hat.
21) a) Fahlbusch, a. a. 0., S. 148
b) In dieser Zeit wurde
die Pfund-Währung und die Mark-Währung
gleichzeitig benutzt. Ein Pfund (Silber) unterteilte sich in 20 Schillinge oder
Solidi; ein Schilling, auch Groschen genannt, in 12 Pfennige. Eine Mark
unterteilte sich in 4 Ferding = 16 Lot = 64 Quentin. Bei Umrechnungen galt ein
Pfund = 240 Pfennige, eine Mark = 360 Pfennige. Die Pfund-Währung
wurde ausgewogen, die Mark-Währung ausgezählt.
Der Einfachheit halber wurden die Beträge
auf Pfennige umgerechnet, wenn Unterteilungen des Pfundes oder der Mark in den
Quellen angegeben wurden.
c) Ein Zentner hatte nach
Dürre 114 Pfund oder 53,271 kg. (Fahlbusch a.
a. 0., S. 149, Anm. 1)
22) Fahlbusch, a. a. 0., S. 148, Anm. 2
23) Der heutige Brunnen wiegt etwa 11 t. Bei den
25O Zentnern wurde die Abfallmenge mitgerechnet, die beim Guß
und Nacharbeiten der vielen Einzelteile größer
ist als bei den drei Becken.
24) nach Fahlbusch a. a. 0., S. 96 und Ebeling,
a. a. 0., S. 239
25) nach Sack,
a. a. O. Die Gödebrunnen und Wasserleitung zu Braunschweig
26)
Westermann-Plan von Braunschweig, Braunschweig, 1963
27) Schiller, a.
a. 0., S. 172
28) Sack, a. a. O., S. 25
29) Kump, a. a. O., S. 13 f
30) Kump,
Professor Werner, geb. 1896 in Köln.
Humanist, Ingenieur, seit 1930 Metallbildhauer. Arbeitsgebiet: freie und
angewandte profane und sakrale Kunst, Industrieberatung und industrielle Formgebung.
1930 bis 1941 freischaffender Künstler in Chemnitz und Sachsen. 1941 zur Durchführung künstlerischer Aufgaben der Stadt nach
Braunschweig berufen. 1945 Reservator des Landes Braunschweig, Restaurierung
des Braunschweiger Löwen. 1945 Restaurator der Stadt
Braunschweig, Restaurierung des Brunnens. 1949 als künstlerischer Leiter einer Klasse für
Metallgestaltung nach Wiesbaden berufen, seit 1961 wieder freischaffend in
Wiesbaden. 1986 im Alter von 93 Jahren gestorben.
31) Kump a. a.
O., S. 22
32) Kump, a. a.
O., S. 30
33) Kump, a. a.
O., S. 30
34) Göderitz bei Kump, a. a. 0., S. 53. Vergl. Abb. 4
35) zitiert bei Volkmann, a. a. 0., S. 65
36) Hoffmann, 10., a. a. O., S. 8 f
37) Kump, a. a. 0., S. 12 f
38) Eine Zusammenstellung der Kapitelüberschriften und Verse, aus
denen die Sprüche entnommen
wurden, befindet sich im Anhang.
39) Vergl. Abb.
7-14 im Anhang
40) g = geistlich, Erzbistum
41) w = weltlich, Königreich, Herzogtum
42) Hoffmann, 10. a. a. 0., S.
263 f
43) Woermann, 22, a. a. 0., S.
523
44) Karlinger, a. a. O., S. 57
45) Karlinger, a. a. O., S.
100
46) Schmitt, a. a. 0., S. 1278 ff
47) Hofmann, 10 a. a. O., S. 237
48) Hofmann, S.89
49) desgl. S. 85
50) Von diesem Brunnen gibt es keine Abbildung.
Nach Sack (a. a. 0. S. 25 f) stand der Brunnen dort, wo heute der Steinbrunnen
steht. Er bestand aus zwei Becken, von denen das untere aus Stein, das zweite
aus Bronze war. An dem Metallbecken befanden sich sechs Wappen und zwei Bilder.
Die Wappen der Stadt und der Fürsten von Braunschweig und Lüneburg waren noch zu erkennen. Außer den drei weiteren Wappen war ein Bild unkenntlich. Auf dem
zweiten Bild war die heilige Katharina mit der ihr geweihten Kirche am
Hagenmarkt dargestellt. Außerdem befand sich ihr Abbild noch einmal in einer Laterne an der
Spitze des Brunnens. An der Brunnenspitze war ebenfalls eine Windfahne mit dem
Stadtwappen befestigt. Einer Inschrift nach wurde der Brunnen 1570 vergoldet.
Im März 1814 wurde
das 70 Zentner schwere Becken eingeschmolzen. Das Material wurde zur
Herstellung von Kanonen verbraucht.
51) Wimperge sind diejenigen Giebel gotischer
Bauwerke, welche über Tür- oder Fensteröffnungen angebracht, von zwei Fialen
(Spitztürmchen) flankiert, an den Giebelseiten mit Krabben (Kriechblätter)
besetzt, in den Giebelfeldern glatt oder mit Maßwerk versehen und an der Spitze
mit einer Kreuzblume oder Statue geschmückt sind.
52) Abb. 2. Die Zeichnung zeigt beim
Vergleichen mit Fotografien, die nach dem ersten Weltkrieg aufgenommen wurden,
keine Unterschiede.
53) Drach, a. a. 0. S. 6
54) Drach, a. a. O. S. 6
55) Kump, a. a. 0. 25
57) nach Kump a. a. 0. S.
26
58) Rèe, a. a. 0. S. 55
59) Kump, a. a. O. S. 15
60) nach
Kump, a. a. 0. S. 12
61) Die Wasserkunst entstand im 16.
Jahrhundert und ist ein Pumpwerk, das nach dem Prinzip einer Druckpumpe
arbeitet. Die Flüssigkeit wird über ein Saugventil durch den Kolben angesaugt und tritt bei dessen
Rückgang durch ein
Druckventil in die Druckleitung. Die Wasserkunst wurde durch ein Wasserrad
getrieben und drückte das Wasser in hoch liegende Bottiche, von wo es mit natürlichem Gefalle durch die
Leitungen zu den einzelnen Zapfstellen floss.
Literaturverzeichnis
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Woermann, Karl |
Geschichte
der Kunst aller Zeiten und Völker, 2. Auflage, Band 3, Die Kunst der christlichen
Frühzeit und des Mittelalters, Leipzig, 1924 |
Woermann, Karl |
desgl.,
Band 4, Die Kunst der älteren Neuzeit von 1400 bis 155O, Leipzig, 1924 |
Abbildungsnachweis
Abb. 1 |
Aus Sack, a.a.o., Tafel
II |
Abb. 2 |
Aus Heubach, a.a.o.,
Tafel I |
Abb. 3 |
Aus Kump, a.a.o., Seite
27 |
Abb. 4 bis 14 |
Originale des
Verfassers |
Abb. 15 bis 20 |
Nach Fotografien von
Kump, unveröffentlicht, aus der Akte „Brunnen“ des Hochbauamtes der Stadt
Braunschweig |
Abb. 21 bis 25 |
Originale des Verfassers |
Abb. 26 bis 50 |
Nach Zeichnungen von
Kump, unveröffentlicht, Hochbauamt der Stadt Braunschweig |
Abb. 51 bis 54 |
Nach Drach, a.a.o.,
Tafel I bis III |
Abb. 55 bis 56 |
Nach Kump, a.a.o.,
Seiten 23 und 25 |
Zeichnungen 1 bis 4 im Text
der Arbeit |
Nach Kump, a.a.o.,
Seite 26ff. |
Anhang
Kapitelüberschriften
der Heiligen Schrift und Verse, aus denen die Sprüche auf den Bändern der Figuren 1 bis 19 entnommen sind: 1)
1) Isaias, Jesaja 35, 6
(Kap. 35) Zeitliche und ewige Freuden der Kirche
Christi.
(V. 6) Alsdann werden die Lahmen springen wie ein
Hirsch und der Stummen Zunge wird Lob sagen. Denn es werden Wasser hin und
wieder fließen, und Ströme in den
Gefilden.
(V. 7) Und wo es zuvor trocken ist gewesen, werden
Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnenquellen sein. Da
zuvor die Schlangen gelegen haben, soll Heu, und Rohr und Schilf stehen:
2) Obdias. Joel 3,
23
(Kap. 3) Weissagung von der wunderbaren Ausgießung des heiligen Geistes; von der Beschützung der Kirche Gottes wider ihre Feinde, von dem jüngsten Tage, und von der ewigen Freude und Herrlichkeit der Auserwählten.
(V. 23) Zur selben Zeit werden die Berge mit süßem Wein triefen, und die Hügel mit Milch fließen, und alle Bäche in Juda
werden voll Wasser gehen; und es wird eine Quelle vom Hause des Herrn heraus
gehen, die wird den Strom
Sittim wässern.
3) Samuel 1.
Samuel 7, 12.
(Kap. 7) Die Lade des Herrn wird nach Kiriath-Jearim
gebracht. Samuel richtet Israel, die Philister werden gedämpft.
(V 12) Da nahm Samuel einen Stein und setzte ihn
zwischen Mizpa und Sen, und hieß ihn Eben-Ezer und sprach: Bis hierher hat uns
der Herr geholfen.
4) Ezechiel.
Hesekiel 47, 1
(Kap. 47) Der Ursprung und die Nutzbarkeit des
Wassers, so aus dem Tempel geflossen, wird beschrieben; die Grenzen des
heiligen Landes festgesetzt und eine gleiche Austheilung geboten.
(V. 1) Und er führte mich wieder zu der
Thür des Tempels. Und siehe, da floß ein Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels gegen Morgen; denn die Thür des Tempels war auch
gegen Morgen. Und das Wasser lief an der rechten Seite des Tempels neben dem
Altar hin gegen Mittag.
(V. 9) Ja Alles, was darinnen lebt und webt, dahin diese Ströme kommen, das soll leben und soll sehr viele Fische haben; und
soll Alles gesund werden und leben wo dieser Strom hinkommt.
5) Unbestimmbar
6) Elrzeus. Elyseus 2. Könige 2, 21
(Kap. 2) Ella wird im Wetter gen Himmel genommen;
Elisa zerteilt den Jordan, macht böse Wasser gesund und
flucht den spottenden Knaben zu Beth-El.
(V. 21) So spricht der Herr: Ich habe die Wasser
gesund gemacht; es soll hinfort kein Tod noch Unfruchtbarkeit daherkommen.
7) Johel. Joel l, 20
(Kap. 1) Der Prophet stellt dem Volke Gottes den jämmerlichen Zustand des Landes unter Augen, er ermahnt die
Priester, die Gemeinde zu versammeln, ein Fasten zu heiligen und mit bußfertigem Herzen den Herrn um Hülfe (sie) anzurufen.
(V. 20) Es schreien auch die wilden Tiere zu dir,
denn die Wasserbäche sind ausgetrocknet, und das Feuer hat die Auen in der Wüste verbrannt.
8) Jeremias. Jeremia 9, 1
(Kap. 9) Jeremias schmerzliche Klage über die Sünde des Volkes nebst Drohung eines schrecklichen
Unterganges desselben.
(V. 1) Ach, daß ich genug Wasser hätte in meinem
Haupte, und meine Augen Tränenquellen wären, daß ich Tag und Nacht beweinen möchte die Erschlagenen in
meinem Volke.
9) bis 13) Die Figuren waren zerstört; unbestimmbar.
14) Osea.
Hosea 13, 15
(Kap. 13) Klage Gottes über die anhaltende Abgötterei der Israeliten,
nebst Ankündigung der göttlichen Strafgerichte,
und verheißenem Trost, daß Christus sie aus der Hölle erlösen und sie vom Tode erretten wolle.
(V. 15) Denn er (der Trost) wird zwischen Brüdern Frucht bringen. Es wird ein Ostwind kommen; der Herr wird aus
der Wüste herauf fahren und ihren (Israeliten) Brunnen austrockenen und ihre
Quellen versiegen; und wird rauben den
Schatz alles köstlichen Geräthes.
15) rex Salomon. Prediger 1, 7.
(Kap. 1) Salomo lehrt: Es ist Alles ganz eitel,
selbst Weisheit dieser Welt.
(V. 7) Alle Wasser laufen in das Meer, doch
wird das Meer nicht voller; an den Ort, da sie herfließen, fließen sie wieder hin.
16) Naum. Nahuin
1, 4.
(Kap. 1) Beschreibung der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit
und Allmacht Gottes, nebst Drohung harter Strafe wider die Niniveter, zum Trost
des Volkes Gottes.
(V. 4) (Es ist der Herr...) Der das Meer schilt
und trocken macht und alle Wasser vertrocknet. Basan und Karmel
verschmachten, und was auf dem Berge Libanon blüht, verschmachtet.
17) Moses. 2.
Moses 15, 27.
(Kap. 15) Moses Lobgesang; Israels Reise in die Wüste Sur (bitteres Wasser), Ankunft in Elim.
(V. 27) Und die kamen in Elim (an), da waren 12
Wasserbrunnen und siebenzig Palmenbäume, und lagerten sich
daselbst an's Wasser.
18) Abacuc.
Habakuk 4, 15.
(Kap. 4) Habakuk bittet Gott, er wolle sein
gefangenes Volk durch seine Barmherzigkeit erlösen; gleich wie er
solches durch seine Allmacht schon vielfältig erwiesen habe; er fügt eine besondere Bitte an den König zu Babel bei, und tröstet sich der mächtigen Hülfe Gottes.
(V. 15) Deine Pferde gehen im Meer, im Schlamm
großer Wasser.
19) David. Psalm
46, 5.
(Kap. 46) Die Kirche trotzt auf den mächtigen Schutz Gottes, welche der Herr zur geduldigen Erwartung
seiner Hülfe ermahnt.
(V. 5) Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig
bleiben mit ihrem Brünnlein, da sie heilige Wohnungen des Höchsten sind.
1) Quelle: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen
Testaments nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers, Hamburg, o. J.
Lexikon der am Brunnen erscheinenden Personen (nach
Brockhaus)
Abacuc (Habakuk), einer der zwölf kleinen Propheten im
A. T. Das Buch Habakuk wird entweder vor 612 v. Chr. oder in der Zeit Alexander
d. Gr. angesetzt. Älteste Auslegung von Kapitel l f findet sich bereits
unter den Handschriften von Ain Fekskha. Auch das Auftauchen des Habakuk in der
Geschichte vom Drachen zu Babel spricht für seine Bedeutung im
Judentum der Makkabäerzeit.
Alexander der Große, Sohn Philipps von Mazedonien, geb. 356, gest. 323
v. Chr. Er kam 336 auf den Thron, vernichtete 334 - 330 das persische Großreich, eroberte 332 Ägypten, wo er Alexandria
gründete, drang 327 - 325 nach Indien vor. Alexander
versuchte ein einheitliches abendländisch-morgenländisches Weltreich zu gründen. Da er keinen erwachsenen Nachfolger hinterließ, zerfiel sein Reich in die Reiche der Diadochen.
Artus, brit. Heerführer und König um 500, n. Chr., schützte sein Volk gegen vordringende Sachsen. Heldenhafter, aber
unterlegener Verteidiger seiner Heimat, wurde zum glänzenden Vorbild tapferen Rittertums. Der Sage nach in einer
Schlacht gegen seinen Neffen verwundet, von Feen im Wunderreich Avalon
gepflegt, nicht gestorben sondern entrückt, er werde
wiederkommen und sein Volk und Reich zu neuem Ruhm und Macht bringen. Zur
Tafelrunde Arturs gehören nach Golfreds Darstellung tapfere Ritter aus
verschiedenen Jahrhunderten, deren Taten die Sage mit Artus in Verbindung
bringt.
Cäsar, Gajus Julius, 100 - 44 v. Chr., römischer Feldherr, gebildeter Redner und Schriftsteller, bildete 60
v. Chr. das 1. und 56 v. Chr. das 2. Triumvirat. Eroberte Gallien und Italien,
folgte 48 v. Chr. dem fliehenden Pompejus nach Ägypten, war bis 47 v.
Chr. Geliebter der Kleopatra. Unumschränkter Herrscher in Rom,
konnte Mitkonsul und Senat ausschalten. 46 v. Chr. Neuordnung der
Rechtsstellung der Gemeinden Italiens und Kalenderreform (Julianischer
Kalender). Am 15.3.44 v. Chr. im Senat von Brutus und anderen erstochen.
Cicero, politischer Gegner Cäsars, schrieb an einen Freund, das sei das
gerechte Ende eines Tyrannen gewesen. Deshalb bezeichnet man diesen Mord auch
als Tyrannenmord.
David, zweiter König von Israel, 1011 - 972 v. Chr., bewährte sich in den Philisterkämpfen. Verfolgt vom
eifersüchtigen König Saul, musste er zu den Philistern gehen. Nach Sauls und Jonathans Tod salbte
ihn der Stamm Juda zum König in Hebron, während die ostjordanischen
Stämme dem jüngeren Sohn Sauls treu
blieben. Nach dessen Ermordung vereinigte David die beiden Reiche Israel und
Juda in Personalunion. Überführte die Bundeslade (die Gottesgegenwart darstellt)
nach Jerusalem. Bei Lebzeiten an ihn knüpfende Hoffnungen haben
die Israelische Religion bis in das Neue Testament stark beeinflusst. Schwäche gegenüber seinen Kindern
brachte Unglück über ihn. Früh gealtert, ließ er Sohn Salomo unter Umgehung des älteren Sohnes Adonia zum
König ausrufen. Auf Grund seiner Leichenlieder auf
Saul und Abnea schreibt man ihm die Mehrzahl der Psalmen zu. Trotz Fehler
Davids stellte seine Herrschaft ein goldenes Zeitalter Israels dar.
Elias, Prophet, Führer gegen Ahab, Isebel und Tybischen Baal für das alte und soziale Recht und die Alleinverehrung des Jahwe
(Gott). Man übertrug auf ihn allerlei Legendenmotive (z. B. ihn
speisende Raben), erzählte von seiner Entrückung im Feuerwagen und
erwartete seine Wiederkehr als Vorläufer des Messias.
Elisias (Elisa), Israelit. Bauernsohn, den Elias vom Acker weg zum
Prophetenamt rief. Legenden berichten von ihm Wunder und politisches Wirken,
vor allem die Anzettelung der Revolution des Rehu.
Ezechiel (in der Vulgata und bei Luther Hesekiel). Der letzte der
so genannten Großen Propheten, Sohn des Priesters Busi, wurde 597 v.
Chr. mit König Jojachin nach Babylon deportiert, wahrscheinlich
erst dort zum Propheten berufen. Wirkte in Babylon von 593 - 571 v. Chr. Um der
religiösen Verworfenheit Jerusalems willen betont er die
Notwendigkeit des Zusammenbruchs des Staates. Erst dann wäre die Bahn frei für Gericht über Nachbarvölker und Wiederherstellung Israels mit Neuordnung seines
Tempelkults.
Gottfried von Bouillon, geb. 1060 n. Chr., gest. am 18.7.1100 in Jerusalem.
Seit 1076 Herzog von Niederlothringen, nahm führend am 1. Kreuzzug
teil. In Konstantinopel verhandelte er mit Kaiser Alexios I. Bei Erstürmung Jerusalems griff er entscheidend mit ein. Die Krone von
Jerusalem lehnte er demütig ab und nannte sich "Herzog des Heiligen
Grabes". 1099 schlug er den Sultan von Ägypten bei Askalon.
Hektor, Hauptheld der Trojaner, Sohn des Königs Priamos,
Lieblingsheld der "Ilias", vielleicht in Theben heimisch gewesen, wo
sich ein Grab von ihm befand. Gegenspieler des Achill, der ihn aus Rache für seinen getöteten Patraklos (Drache) im Zweikampf tötete. Hektors Leichnam wurde von Achill in die Stadt geschleift
und gegen Lösegeld dem Priamos überlassen, der ihn
feierlich bestattete.
Jeremias, um 65O v. Chr., innerlichster der alttestamentarischen Propheten,
Sohn eines Priesters. Jeremias trat schon als Jüngling als Prophet in Anadoth
und Jerusalem auf (um 627). Hatte er in seiner Jugend noch zur Buße aufgerufen, so verkündete er, nach schwersten
inneren Kämpfen, unter Jorachin die Unmöglichkeit der Belehrung des Volkes und die Nutzlosigkeit der von
ihm geübten Fürbitte. Jeremias war vom
unabwendbaren Untergang des Staates und von der Notwendigkeit der Unterwerfung
unter Babel überzeugt. Steht damit im Gegensatz zu den anderen
Heil verkündenden Propheten. Jeremias wurde gefangen gesetzt
und von einem königlichen Eunuchen befreit. Bekämpfte in Ägypten vergeblich die Abgötterei der geflüchteten Judäer; verschollen.
Jesaja, (in der Vulgata Isaias), einer der vier so genannten Großen Propheten des Alten Testaments. 738 berufen, wirkte etwa 701 v.
Chr. in Jerusalem. Vor Israelisch-syrischem Angriff auf Jeda verhieß er Rettung für den Fall des unbedingten, auf menschlicher Hilfe
und Bündnisse verzichtenden Vertrauens auf Jahwe. Warnte
vor Politik der Bündnisse. Da aber auch Assyrien sich der Rolle des göttlichen Strafwerkzeuges unwert gemacht hatte, erwartete er 701
das Scheitern des Angriffs des Sanheribs auf Jerusalem, der auch abgeschlagen
wurde.
Joel, einer der so genannten Kleinen Propheten des A. T. Jüngster unter den Propheten. In einer großen Dürre und schweren Heuschreckenplage sah er die
Vorzeichen der letzten Zeit des "Jahwetages" mit allgemeiner Ausgießung des Geistes.
Johannes, Evangelist, Sohn des Zebedäus, galiläischer Fischer, Bruder Apostel Jakobus und Vetter Jesu. Mit Bruder
Petrus war er Glied eines Kreises von Vertrauten innerhalb der Jüngerschar, nach dem Tode Jesu einer der drei "Säulenapostel" der Urgemeinde. Nach der schon im 2. Jahrhundert
nachweisbaren altchristlichen Tradition hat Johannes später in Ephesus eine führende Stellung
eingenommen und Schülerkreise um sich gesammelt. Im höchsten Alter unter Trajan gestorben. Gleiche Tradition schreibt
ihm die unter dem Namen Johannes stehenden Schriften des Neuen Testaments zu.
Nach katholischer Auffassung ist aus inneren und äußeren Kriterien zu schließen, dass Apostel Johannes der Verfasser des Evangeliums ist und dieses als
historischen Bericht geschrieben hat. Die Forschung erkennt an, dass Johannes sein theologisches Gepräge dem Evangelium selbst
verdankt, und dass dieser in der Schilderung der Taten und Reden Jesu
dessen Göttlichkeit nachdrücklich herausheben will.
Ob ältere Aufzeichnungen Grundlage des
Johannes-Evangeliums bilden, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Durch einen
Handschriftenfund mit Bruchstücken des Evangeliums ist festgestellt, dass das Evangelium gegen Ende des 1. Jahrhunderts vorlag.
Josua, Nachfolger des Moses. Das biblische Buch Josua schildert die
Landnahme der Israeliten im Westjordanland. Es folgt dabei wahrscheinlich den
Quellschriften des Pentateuch, (der jüdischen Thora). Das buch hat aber die endgültige Gestalt erst nach dessen Abschluss erhalten und ist nicht in
den Kanon der Samaritaner gekommen. Das arabisch-samaritanische Buch Josua
schildert die Ereignisse vom Tode Moses bis zur Zeit des römischen Kaisers Alexander Severus.
Judas von Makkabäus. Jüdischer Heerführer aus dem Geschlecht der Hasmonäer, leitete nach dem Tode
seines Vaters den Befreiungskampf der Juden gegen den syrischen König Antiochus IV. und dessen Nachfolger. Er schlug die syrischen
Feldherren in mehreren Schlachten und soll im Begriff gewesen sein, mit den Römern ein Bündnis abzuschließen, als ihn ein übermächtiges Heer zu einem neuen Kampf nötigte, in dem er 161 v. Chr. fiel. Bericht über seine Kriegstaten im ersten Makkabäerbuch ist geschichtlich treu, im zweiten Buche ist Sagenhaftes
eingemischt.
Katharina von Alexandria, Märtyrerin im Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr.,
Patronin der Philosophen; gehört zu den 14 Nothelfern. Name und Verehrung sind
erst durch die viel später entstandene Legende verbreitet worden.
Vielleicht hat man fälschlich Katharina mit der von Eusebius ohne Namen
erwähnten Bekennerin gleichgesetzt. Katharina besiegte
und bekehrte angeblich in öffentlicher, vom Kaiser Maxentius berufener
Disputation 50 heidnische Philosophen; sie wurde gerädert und enthauptet, ihr Leib von Engeln zum Berg Sinai gebracht.
Gedenktag ist jeweils der 25. November.
Sie gehört im Mittelalter zu den am häufigsten dargestellten weiblichen Heiligen.
Lukas, der Evangelist, heidnischer Herkunft, wohl aus Antiochien, hat
Paulus auf seinen letzten Reisen begleitet. Weitere Lebensschicksale sind
unbekannt. Die vielen medizinischen Ausdrücke weisen auf ärztlichen Beruf. Die spätere Legende hat ihn zum
ungenannten Emmausjünger gemacht und als Märtyrer sterben lassen.
Gedenktag ist der 18. Oktober.10. Weil Lukas als Wappen den Stier als Symbol
bei sich hatte, konnte er zum Patron der Metzger werden; insbesondere ist er
der Patron der Ärzte. Lukas stellt in seinem Evangelium die öffentliche Tätigkeit Jesu dar; er schrieb für Heidenchristen, dazu löst er die evangelische
Geschichte von den mannigfaltigen Verflechtungen mit dem Judentum. Neue
Forschung datiert Lukas-Evangelium um 80 n. Chr.
Markus, der Evangelist, stammt aus einer Jerusalemer Priesterfamilie und
trat der Urgemeinde bei. Begleitete Barnabas und Paulus auf der ersten
Missionsreise. Paulus weigerte sich später, ihn wieder
mitzunehmen, was zur Trennung von Barnabas und Paulus führte. Später tauchte Markus im petrinischen und auch wieder
in paulinischen Kreis auf. Die zuverlässige Papiasüberlieferung bezeichnet ihn als Dolmetscher des Petrus und
Verfasser des Markus-Evangeliums. Nach der Legende soll er in Alexandria die
Kirche gegründet haben und dort als Märtyrer gestorben sein. Seine Leiche soll im Mittelalter gewaltsam
nach Venedig gebracht worden sein, dessen Schutzheiliger Markus ist. Gedenktag
ist der 25. April. Das Evangelium ist das älteste und kürzeste. Es spannt das Leben Jesu in einen Jahreszyklus ein. Das
Evangelium zeichnet sich aus durch zuverlässige historische Angaben
und Präzision des Stils. Es ist vor 70 n. Chr. entstanden.
Nach altchristlicher Überlieferung geht es auf die Lehrvorträge des Petrus zurück.
Matthäus, Apostel und Evangelist aus Galiläa, wo er am See Genezareth Zolleinnehmer war. Matthäus, der
eigentlich Levi hieß, nahm als Jünger den Namen Matthäus
an. Er verließ Palästina, um Heidenmission zu treiben. In späterer Zeit sind ihm verschiedene Martyrien angedichtet worden.
Heiliger, Gedenktag ist der 21. September. Die erste Hälfte des Matthäus-Evangeliums ist nach einem klaren systematischen
Plan gegliedert. Von Kapitel 14 folgt es genau der Ordnung Markus. Dieser
bildete seine Hauptvorlage, in deren Rahmen der übrige Stoff eingebaut
ist.
Moses, nach der Überlieferung der Stifter der Jahwe-Religion als Bund
zwischen Gott und Israel, und Befreier der Israeliten (um 1225 v. Chr.) aus dem
Stamme Levi. Moses wurde als neugeborenes Kind ausgesetzt, von einer Tochter
des Pharao gerettet und von Jahwe mit der Herausführung seines Volkes aus Ägypten beauftragt, die er mit göttlicher Hilfe
vollbrachte. Nach der Gesetzgebung am Sinai und einem 40-jährigen Wüstenzug eroberte er das Land östlich des Jordan. Er starb auf dem Berg Nebo. Auf die ihm zuteil
gewordene Offenbarung wurden allmählich fast alle
israelitischen Gesetze zurückgeführt und im Pentateuch
zusammengestellt. Die Geschichte Israels lässt an der
Geschichtlichkeit Moses keinen Zweifel. Er hat den aus Gosen ausbrechenden israelitischen
Stämmen den Kult des eifersüchtigen, keinen anderen Gott neben sich duldenden Gottes von Sinai
(Jahwe) als Volkskult übertragen und ist ihr prophetischer Führer gewesen.
Nahum, einer der 12 kleinen Propheten, dichtete 612 v. Ch. eine
Dankliturgie auf den Fall von Ninive.
Obadja, (Obdias), ein nur durch das Buch Obadja bekannter kleiner Prophet
im Alten Testaments. Die sehr kurze Schrift ist eine Spruch-Sammlung und wohl
nach der Zerstörung Jerusalems (587 v. Chr.) entstanden. Sie verkündete das Heil Judas' und bedroht die Edomiter.
Hosea, (Osea), Israelitischer Prophet unter Jerobeam II und seinem Sohn
(etwa 745 – 735 v. Chr.), wahrscheinlich Nordisraelit. Sein Buch steht an der
Spitze der 12 Kleinen Propheten. Nach Hosea hat Israel zwei Hauptsünden begangen. Anstelle des Jahwe verehrte es in ausschweifender
Weise die Baale und es hatte wider seines Gottes Willen ein Königtum geschaffen. Hosea wurde zum Propheten durch seine
selbstverleugnende Liebe zu seinem Weibe, das er nach ihrer Untreue zurückkaufte: genau so liebte Jahve das abgefallene Volk. ER wird es
durch Vertreibung aus dem Kultland vom Baaldienst lösen und sich mit ihm in der Wüste neu vermählen.
Salomo, König des Israel und Juda umfassenden Reiches (etwa
965 -926 v. Chr.). Salomo wurde von seinem Vater David noch zu seinen Lebzeiten
eingesetzt. Nachrichten über seine Regierung sind teilweise durch Anekdoten
erweitert. Durch den Ausbau von Grenzfesten, durch ausgedehnte diplomatische
Beziehungen und Heiraten
sicherte er den Bestand des Reiches. In der Überlieferung gilt Salomo als das Idealbild eines weisen und mächtigen Herrschers. Allmählich verlieh ihm die
Vorstellung auch die Macht über das Dämonenreich, das er mit
einem zauberischen Siegelring beherrscht.
Samuel, Prophet und Richter in Israel. Er stammt aus Rama und wurde von
seiner Mutter dem Heiligtum in Silo geweiht. Seine Mitwirkung bei der Stiftung
des Königtums Sauls wird verschieden dargestellt. Die
beiden Bücher Samuels reichen von der Zeit Elis bis in die
letzten Jahre Davids und enthalten wertvolle Reste vorexilischer
Geschichtsschreibung.